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Die Schmerzschwelle liegt bei verschiedenen Hunderassen unterschiedlich hoch.
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Die Schmerzschwelle liegt bei verschiedenen Hunderassen unterschiedlich hoch.

Aus der Forschung

Schmerz: Sind Hunderassen unterschiedlich empfindlich?

Rasseunterschiede im Schmerzempfinden sind nicht physiologisch erklärbar, aber existent. Besonders sensibel sind jedoch nicht unbedingt die Rassen, von denen Tierärzte das annehmen.

Eine biologische Erklärung für unterschiedlich hohe Schmerzschwellen bei verschiedenen Hunderassen gibt es nicht. Dennoch glauben sowohl die allgemeine Bevölkerung als auch Tierärztinnen und Tierärzte an rassebedingte Unterschiede im Schmerzempfinden, so das Ergebnis einer 2020 publizierten Studie. Die Autoren aus North Carolina, USA, baten sowohl Veterinäre als auch Nicht-Tierärzte das Schmerzempfinden von Hunden aus 28 verschiedenen Rassen zu beurteilen – nur anhand von Bildern. 

Tierärzte schätzen Hunderassen anders ein als Nicht-Tierärzte

So einig beide Gruppen sich waren, dass es Rasseunterschiede gibt, so unterschiedlich fiel ihre Beurteilung aus. Nicht-Tierärzte orientierten sich stark an der Körpergröße und nahmen an, kleine Hunderassen seien schmerzempfindlicher. Außerdem sprachen sie den Rassen, die ihnen sympathischer waren, eine eher niedrige Schmerzschwelle zu.

Die Beurteilung von Tierärztinnen und Tierärzten orientierte sich nicht nur an der Größe (siehe Bildergalerien). So wurden auch Huskys und Deutsche Schäferhunde als eher empfindlich beurteilt. Zudem schienen die Veterinäre die Rassen als schmerzempfindlicher zu beurteilen, für die sie weniger warme Gefühle hegten.


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Sensibelchen und Stoiker unter den Hunden: alles Vorurteile?

Aus der Humanmedizin ist bekannt, dass Ärzte das Schmerzempfinden ihrer Patienten häufig anders beurteilen als diese selbst es tun. Ebenso bekannt ist, dass in der Wahrnehmung des Patienten Faktoren wie das Erscheinungsbild, die ethnische Zugehörigkeit, der soziale Status oder das Verhalten eine große Rolle spielen. 

Die phänotypischen Unterschiede zwischen den Hunderassen sind groß. So scheint es gut möglich, dass auch die Art, wie Tiermediziner die Sensibilität ihrer Patienten wahrnehmen, durch ganz andere Faktoren geprägt wird. Schließlich gibt es bisher keine Hinweise auf physiologische Unterschiede im Schmerzempfinden der verschiedenen Hunderassen. 

Die Forschenden aus North Carolina wollten es genau wissen und untersuchten in einer zweiten Studie mithilfe verschiedener sensorischer Tests die Schmerzschwelle von zehn Hunderassen (und insgesamt etwa 150 Hunden). Sie gingen davon aus, keine rassebedingten Unterschiede zu finden – und wurden überrascht.

Die Schmerzschwelle ist bei verschiedenen Hunderassen unterschiedlich hoch

Die Testergebnisse bestätigen: Rassebedingte Unterscheide im Schmerzempfinden sind real. Als besonders schmerzsensibel erwies sich ins besondere der Malteser sowie je nach verwendetem Test der Chihuahua, Border Collie und Pitbull. Besonders hart im Nehmen scheinen Labrador Retriever und Golden Retriever zu sein. 

Allerdings stimmten die Testergebnisse nicht unbedingt mit der Beurteilung der Tierärztinnen und Tierärzte überein.

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Beurteilen Tierärzte zögerliche Hunde als schmerzempfindlich?

Wird die Einschätzung der Kollegen von anderen Faktoren als dem tatsächlichen Schmerzempfinden beeinflusst? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, betrachteten die Forschenden daher auch die emotionale Reaktion der verschiedenen Hunderassen. Sie verwendeten Tests für Persönlichkeitsmerkmale, die beim Aufenthalt in einer Tierarztpraxis eine Rolle spielen könnten, unter anderem die Reaktion auf einen verärgerten Fremden. Im Test sprach eine Person im Kapuzenpulli laut und ärgerlich in ein Handy, dem Hund zugewandt, ohne ihn direkt anzublicken. Beurteilt wurde die Reaktion der Hunde.

Die Rassen, die sich in dieser Situation besonders zögerlich näherten, waren dieselben, die Tierärzte als besonders schmerzempfindlich beurteilten. Die Forschenden vermuten, dass diese Hunde sich beim Betreten der Praxis und im ersten Kontakt mit dem Team zögerlicher verhalten, was die Einschätzung ihres Schmerzempfindens durch Tierärztin oder Tierarzt beeinflussen könnte.

Studie zum Schmerzempfinden wirft weitere Fragen auf

Die Studie wirft zwei Fragen auf, die weitere Untersuchungen beantworten müssen:

  1. Welche biologischen Mechanismen stecken hinter den Rasseunterschieden? Sie könnten auch für die Schmerztherapie bedeutsam sein.
  2. Wie kommt es zu der teilweise verschobenen Wahrnehmung der Hundepatienten durch die Tierärztinnen und Tierärzte? Es wäre wichtig, möglichen Vorurteilen auf den Grund zu gehen, um negative Einflüsse auf die Behandlung zu vermeiden.

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