Viele Erkrankungen oder zootechnische Maßnahmen bei Rindern können mit Schmerzen verbunden sein. Hierzu gehören beispielsweise Eingriffe wie die Enthornung oder Kastration, aber auch Lahmheiten oder respiratorische Erkrankungen. Der Einsatz von lokal oder systemisch wirkenden Schmerzmitteln ist daher bei vielen Eingriffen und Erkrankungen indiziert. Der tatsächliche Einsatz von Analgetika hängt in Fällen, in denen deren Einsatz nicht zwingend vorgeschrieben ist, allerdings von der Einschätzung der behandelnden Person ab.
Eine amerikanische Studie hat in einer Umfrage mit 1.187 Teilnehmern (497 Rinderhalter, 569 Rindertierärzte und 121 Personen mit beiden Rollen) nun untersucht, welche Faktoren den Einsatz einer Schmerzmedikation im Rahmen von Erkrankungen oder potenziell schmerzhaften Eingriffen beeinflussen. Befragt wurden die Teilnehmer zur erwarteten Schmerzhaftigkeit und dem Einsatz von Analgetika bei Tieren verschiedener Altersgruppen (unter zwei Monate, zwei bis zwölf Monate, über zwölf Monate) in folgenden Situationen: chirurgische Eingriffe am Abdomen, chirurgische Kastrationen, Kastrationen mit Gummiringen, Enthornen mit einem Brennstab oder einer Ätzpaste, Heißbrand, Kaltbrand, Rindergrippe und Lahmheiten.
Tierärzte und Landwirte schätzen Schmerzhaftigkeit unterschiedlich ein
Im Vergleich zu Rinderhaltern bewerteten Tierärzte nahezu alle Eingriffe als schmerzhafter. Ebenso beurteilten Frauen im Vergleich zu Männern die untersuchten Eingriffe als schmerzhafter. Das Alter der befragten Personen hatte hingegen keinen Einfluss auf die wahrgenommene Schmerzhaftigkeit. Personen, die Eingriffe oder Krankheitszustände als schmerzhafter einschätzten, setzten häufiger eine lokale oder systemische Analgesie in der betreffenden Situation und bei der entsprechenden Altersgruppe ein.
Top Job:
Auch wenn in Deutschland eine andere Gesetzgebung zugrunde liegt und bei einigen untersuchten Eingriffen eine Schmerzmedikation vorgeschrieben ist bzw. diese Eingriffe gar nicht erst erlaubt sind (bspw. die Kastration von Rindern mit Gummiringen), zeigt die vorliegende Studie, dass der Einsatz einer Analgesie von der individuellen Wahrnehmung der Schmerzhaftigkeit der behandelnden Person abhängt. Dies ist auch für den deutschen Kontext wichtig. Das Schaffen von mehr Bewusstsein für die Schmerzhaftigkeit bestimmter Erkrankungen oder Eingriffe (bspw. Klauenbehandlungen) könnte dazu beitragen, dass mehr Tieren eine Analgesie zukommt.
Originalpublikation
Edwards-Callaway LN, Keller KP, Oselinsky K, Johnstone E, Cramer C et al. (2023): A nationwide survey on producer and veterinarian perceptions of the painfulness of procedures and disease states in dairy and beef cattle. Front Pain Res (Lausanne) 4: 1059224. doi.org/10.3389/fpain.2023.1059224.