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Laut Volk brauchen Forscher ein dickes Fell. 
Foto: privat
Wer in der Forschung bestehen will, braucht Resilienz.

Porträt

Mit Resilienz und langem Atem

Als Direktor der Kleintierklinik an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist dem Neurologen Holger Volk vor allem eines gelungen: Mensch zu bleiben.

Es ist Freitag, 19 Uhr. Andere sitzen jetzt vorm Fernseher oder in der Bar. Holger Volk ist zuhause angekommen und sitzt in seinem Büro. Um diese Zeit ist es möglich, mit dem Tierarzt über seine Arbeit zu sprechen. Die Kinder sind versorgt, die Kliniktür zu. Der Familienvater, Praktiker und Klinikleiter ist zwar schon seit fünf Uhr morgens auf den Beinen, wird aber nicht müde, über seine Patienten und seine Forschung zu berichten.

Rückblick: Holger Volks Karriere begann im Labor. Nach seinem Studium in Hannover und Lyon absolvierte er einen PHD am Institut für Pharmakologie und Toxikologie im Bereich Neuropharmakologie bei Professor Löscher in Hannover, wo er die Entstehung neuer Nervenzellen an Riechkolben und Hippocampus erforschte. „Das war damals etwas vollkommen Neues“, erinnert er. Nach seinem Abschluss zog es ihn zurück in die Praxis und raus aus Hannover: „Ich dachte, willst du wirklich den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen?“

Ab nach England

Aufgrund der Strukturen, die er in Deutschland als zu hierarchisch empfand, bewarb sich Holger Volk in England und Amerika für ein Internship. „Damals war es wirklich schwierig einen Platz zu bekommen“, erinnert er. Da brauchte es Durchhaltevermögen. Sein Glück war, dass sich der Professor vom Department des Clinical Science Centers vom Royal Veterinary College David Church für den Kollegen aus Deutschland einsetzte und dem Akademiker den Eintritt in Londons Kleintier-Universität verschaffte. „Church hat für mich ein Internship gestrickt und wurde zu so etwas wie meinem Mentor“, erzählt Volk dankbar.


Top Job:


Mit einem Fuß in der Tür des Royal Veterinary College ging es schließlich Schritt für Schritt nach oben auf der Karriereleiter. Volk absolvierte Internship und Residency im Bereich der Neurologie und Neurochirurgie und wurde nach bestandener Diplomate-Prüfung zum Dozenten und späteren Leiter der Abteilung.  Nach acht Jahren in dieser Position folgte in 2013 die Professur für Neurologie und das Amt als Klinikdirektor des Royal Veterinary College. Dort arbeiteten zu dieser Zeit bis zu 50 Residents und 15 Diplomates gleichzeitig. Als Leiter des Departments für Clinical Sciences and Services, einen Job den er 2016 antrat, hatte der Neurologe die Verantwortung für bis zu 260 Mitarbeiter – darunter neben Kleintierspezialisten auch Pferdetierärzte und Nurses, also TFAs. „Das war schon eine richtig große Nummer, spannend, skurril, aber auch herausfordernd“, erinnert er.

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very british: In seinen 15 Jahren in London kam Holger Volk sogar mit den Royals in Kontakt.
Foto: Chris Kench Photography
very british: In seinen 15 Jahren in London kam Holger Volk sogar mit den Royals in Kontakt.

„Finde was du liebst und du musst nie wieder arbeiten.“

Ohne Durchhaltevermögen, eine dicke Haut sowie eine ausgeprägte Passion für seinen Beruf hätte Holger Volk sein Arbeitspensum, das in England bis zu 100 Stunden die Woche betrug, kaum schultern können. „Jeder Tierarzt kennt es, es ist schwierig zu gehen, wenn die Hütte brennt“, so Volk. Und diese brannte in der Tat häufig und an diversen Stellen: „Immer gab es irgendwo Brände zu löschen – sei es wegen Mobbings oder Rassismus.“ Entsprechende Leadership und Kommunikations-Skills eignete sich der Tierarzt in vielen zusätzlichen Kursen an. Empathie brachte er zum Glück von Haus aus mit, eine Fähigkeit, die für seine Tätigkeit von großer Bedeutung war. „Wer eine Klinik leitet braucht nicht nur ein Herz für Tiere, sondern auch eines für Menschen“, so Volk.

In seinem Job zeigte sich ein großer Unterschied zwischen Mensch und Tier: Während die Vierbeiner beim Tierarzt am liebsten im nächsten Mauseloch verschwinden wollten, strebten die Zweibeiner im Berufsleben vor allem nach einem: Gesehen und gehört zu werden. Hierfür braucht es Zeit, viel Zeit. „Oft fühlte ich mich wenig produktiv“, erinnert Volk. Das Gefühl wenig zu schaffen ist für einen Akademiker mit ausgeprägtem Helfer-Syndrom nicht leicht auszuhalten. Den Tierarzt störte zunehmend, dass er in seiner Position immer weiter weg vom Tier kam. Zwar waren für ihn auch Zeiten in der Klinik vorgesehen, doch diese fielen oft ins Wasser. „Ich saß also wieder überwiegend im Büro“, so Volk. „Dies war mit eine meiner Beweggründe zurück nach Deutschland zu gehen.“

Nach 15 Jahren am Royal Veterinary College wechselte der Neurologe 2019 an die Klinik für Kleintiere nach Hannover, wo er eine Professur für Kleintierkrankheiten sowie den Direktorenposten der Universitätsklinik bezog. Diesen Schritt hat er nicht bereut: „Ich bin hier autonomer, habe mehr Freiräume“, so Volk. Auch die Forschungsmöglichkeiten empfindet der Wissenschaftler als besser, obwohl das finanzielle Budget kleiner ist. „Das liegt daran, dass hier einer den Hut aufhat und weniger geteilte Verantwortlichkeiten gibt.“

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Von Hannover über London zurück nach Hannover

Was seine Forschung angeht, war Holger Volk anderen Wissenschaftlern häufig einen Schritt voraus, stets bereit auch ungewöhnliche Wege zu gehen und bei Fragen Leute in sein Team zu holen, die Dinge besser konnten als er selbst. „Ich habe in meiner Forschung häufig neue Sachen entdecken können“, erzählt der Akademiker und ergänzt: „So etwas löst bei Forschern einen regelrechten Dopamin-Peak aus.“

Was die Hormone des Neurologen Achterbahn fahren ließ, traf jedoch nicht überall auf Begeisterung. „Als wir die Neurogenese in neuen Gehirnregionen nachwiesen, hat uns keiner geglaubt“, erzählt er. „Das war schon ein ganz schöner Dämpfer.“ Auch seine Fütterungsversuche mit therapieresistenten Epileptikern und seine Idee von Corona-Spürhunden wurden als „Micky Mouse-Forschung“ abgetan. „Da braucht man schon einen starken Glauben an sein Ziel“, findet Volk, der jedoch nie ans Aufgeben dachte. „Wenn ich mit meinen Versuchen nur einem Hund weiterhelfen kann, dann hat sich meine Arbeit doch schon gelohnt, oder?“

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Vorerst angekommen

Seine Tätigkeit in Hannover stimmt ihn zufrieden. „Ich habe hier inzwischen ein tolles Team“, erzählt er. Noch höhere Posten, wie zum Beispiel die Präsidentschaft eines Instituts wurden ihm zwar angeboten, erscheinen dem Tierarzt, der immer noch gerne Bandscheiben operiert, wenig reizvoll. „Was mir Freude macht, ist Patienten mit Dikusprolaps wieder laufen zu sehen. Ich hoffe auch, dass sich die Gehirnchirurgie in der Tiermedizin noch weiterentwickelt.“ Volk möchte am Tier bleiben. Doch je höher ein Posten, desto weniger Zeit bleibt für die Praxis. „Das kenne ich ja schon“, so Volk.

Für den akademischen Nachwuchs wünscht sich der Neurologe, dass die Forschung in Zukunft wieder verspielter wird. Jungen Wissenschaftlern rät er dranzubleiben, sich mit Dickkopf durchzusetzen, auch wenn sie „ständig abgelehnt würden.“ Die hierfür nötige Resilienz, also psychische Widerstandskraft, ist zwar nicht jedem zu gleicher Maße gegeben, lässt sich jedoch trainieren. „Ich hatte immer das Glück eine tolle Familie zu haben“, so Volk. A pro pos Familie. Freitag Abend 20 Uhr, Familienzeit? Bald. 

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