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Bildgebung gehört zu den Bereichen, die viele Wiedereinsteigende gern auffrischen und trainieren möchten.
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Bildgebung gehört zu den Bereichen, die viele Wiedereinsteigende gern auffrischen und trainieren möchten.

Wiedereinstiegsprogramme

„Viele Tierärztinnen kennen diese Gedankenspiele“

Nach längerer Pause oder Tätigkeiten außerhalb der kurativen Tiermedizin doch noch in die Praxis? Wiedereinstiegsprogramme für Tierärztinnen gelten als Hoffnungsträger angesichts des Fachkräftemangels. Dr. Katja Rittersbusch spricht im Interview über die Chancen, die sich aus einem solchen Programm ergeben.

Wiedereinstiegsprogramme in die Praxis sind Hoffnungsträger: Sie sollen Tierärztinnen und Tierärzte, die lange berufsfremd oder nicht-kurativ gearbeitet haben oder durch Erziehungszeiten pausiert haben, wieder auf den Praxisalltag vorbereiten und so schließlich auch die schwierige Personalsituation in der Tiermedizin verbessern. Dr. Katja Rittersbusch vom Beratungsunternehmen My Jopportunity organisiert eins der wenigen derzeit verfügbaren Programme und erklärt, worauf es ankommt.

Frau Dr. Rittersbusch, Sie organisieren ein Programm, das sich gleichzeitig an Wiedereinsteiger in den Tierarztberuf und an Berufseinsteiger richtet. Was haben beide Gruppen gemeinsam?

Dr. Katja Rittersbusch: Wir sehen bei beiden Gruppen ähnliche Bedürfnisse: das Bedürfnis, auf den neuesten Stand im Hinblick auf Medikamente gebracht zu werden, und das Bedürfnis, den „State of the Art“ beim klinischen Vorgehen vermittelt zu bekommen, weil der medizinische Wissenszuwachs einfach so immens ist und innerhalb weniger Jahre viele neue Therapiewege entstanden sind. Zentrale Themen sind dabei die Anamnese allgemein, außerdem Notfallpatienten, Bildgebung, insbesondere CT, MRT und Ultraschalldiagnostik, neue medizinische Softwareprogramme und Cloudlösungen. Jemand, der zehn Jahre aus dem Beruf raus ist, fühlt sich mit Blick auf diese Themen ähnlich wie ein Berufsanfänger.

Wie wird Ihr Programm aufgebaut und organisiert sein?


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Rittersbusch: Das Programm ist für ein Jahr konzipiert und besteht aus einem Praxistraining in Präsenz von insgesamt 10 Tagen und aus Webinaren und Mentoren Betreuung im Onlineformat. Der erste Termin für ein Praxistraining findet im November in München statt. Wir streben eine Seminargröße von 20 bis 30 Personen an, der Einstieg ist kontinuierlich möglich. Die monatlich einmal stattfindenden Webinare sind immer nach folgendem Schema aufgebaut: Aufarbeitung eines Themas, Diskussion, Get-Together – wie es auch bei Kongressen der Fall ist. Jetzt im Pilot-Durchgang des Programms kann auch mit der Gruppe erarbeitet werden, ob zum Beispiel zusätzlich Journal Clubs durchgeführt werden oder andere weitere Bausteine sinnvoll sind.

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Welche Inhalte sind geplant?

Rittersbusch: Wir integrieren Themen aus dem Bereich „Softskills“, etwa Persönlichkeits- und Kommunikationstrainings oder auch Erwartungsmanagement: Man setzt sich mit eigenen Erwartungen und Erwartungen der Kunden auseinander. Es geht außerdem darum, eigene Stärken und Neigungen zu erkennen, die eigene Karriereplanung zu durchdenken und sich darüber klar zu werden, in welchen Bereichen man die eigenen Kompetenzen vertiefen möchte. Während der Praxisblöcke gehören auch Rollenspiele zu den Kommunikationstrainings. Diesen Teil, der sich auf den „Menschen hinter dem Tierarzt“ konzentriert, organisiert My Jopportunity. Das Programm ist aber ein gemeinsames Projekt von My Jopportunity und VetExkurs. Der Fortbildungsanbieter VetExkurs übernimmt die klinischen Weiterbildungsanteile, bei denen es um Anamnese und Befunderhebung, allgemeine und spezielle Untersuchungsgänge, Laboranalyse und -auswertung, Routine-OPs, Wundversorgung  und viele weitere große Themenbereiche geht. In den Praxisblöcken wird beispielsweise die Lagerung beim Röntgen sowie die Bildinterpretation beim Röntgen und Ultraschall trainiert, verschiedene Nahttechniken werden geübt und ihr Pro und Contra soll diskutiert werden. Die Ausbilder sind Diplomates und Fachtierärzte aus großen Kliniken, die in ihrem Alltag selbst viele Tierärzte anleiten.

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Wie groß ist aus Ihrer Sicht momentan der Bedarf an Programmen für den Wiedereinstieg?

Rittersbusch: Wir sehen einen großen Bedarf, weil wir in den vergangenen 15 Jahren viele Kolleginnen und Kollegen an die nicht-kurativen Bereiche des Berufs verloren haben, etwa die Arzneimittelindustrie oder den öffentlichen Dienst. Die Abwanderung in diese Bereiche erfolgte wegen der schlechten Bezahlung in der kurativen Praxis, aber auch wegen der fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten während der Arbeitszeiten in Praxen. Man muss sich dabei aber zunächst die Frage stellen, welche Tierärzte aus diesen Gruppen wirklich zurückgewinnbar sind. Es ist aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich, dass Tierärzte, die im öffentlichen Dienst tätig sind, vielleicht dazu noch verbeamtet, in die Praxis zurückkehren – wenn, dann höchstens in Teilzeit. Wir sehen als hauptsächliche Zielgruppe für das Programm berufsfremd tätige, gar nicht oder im Minijob bzw. mit sehr geringem Teilzeitvolumen tätige Tierärztinnen. Allerdings habe ich im Vorfeld mit vielen Kolleginnen gesprochen, die in unterschiedlichen Bereichen und Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Viele Tierärztinnen kennen diese Gedankenspiele: Eigentlich wollte ich ja immer in die Praxis – ist es vielleicht doch noch nicht zu spät?

Der Fachkräftemangel in der Tiermedizin ist groß, das wird sich auch vermutlich nicht innerhalb weniger Jahre ändern. Sind Wiedereinstiegsprogramme, mit denen man „Fachkraft-Reserven“ mobilisieren kann, in dieser Situation die Zukunft?

Rittersbusch: In anderen Bereichen sind Wiedereinstiegsprogramme sehr gängig, etwa in der Finanz- und Steuerberatungsbranche, weil sich dort ständig Neuerungen ergeben. In der Tiermedizin werden wir nicht darum herumkommen, solche Programme zu integrieren, wir haben ja einen ständigen Wissenszuwachs und an dem müssen wir unser Personal auch nach beruflichen Auszeiten teilhaben lassen. Dass sich der Fachkräftemangel in der Tiermedizin allein dadurch in den Griff bekommen lässt, bezweifle ich, auch, weil leider die Kinderbetreuung in Deutschland noch nicht auf einem Level ist, das Frauen die Rückkehr in den Beruf leicht machen würde.

Zur Person

Dr. Katja Rittersbusch ist Tierärztin und Betriebswirtin. Gemeinsam mit der Tierärztin und Agrarwissenschaftlerin Dr. Victoria Empl gründete sie im Jahr 2020 die digitale Karriereplattform My Jopportunity, die sich auf die Branchen Vet, Agrar und Food spezialisiert hat.

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