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Zypern ist die Insel der Katzen. Seit Anfang 2023 gibt es auf der Insel zahlreiche Fälle von FIP.
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Zypern ist die Insel der Katzen. Seit Anfang 2023 gibt es auf der Insel zahlreiche Fälle von FIP.

Interview

FIP-Epidemie auf Zypern

Seit Januar 2023 wütet auf Zypern die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP). Jetzt werden dort Katzen mit Corona-Medikamenten behandelt. FIP-Expertin Prof. Katrin Hartmann hat unsere Fragen dazu beantwortet.

Die Feline Infektiöse Peritonitis (FIP) tritt normalerweise selten auf. In Ausbruchssituationen wurden hingegen Prävalenzen von 40 bis 50 % beobachtet. Eine solche Epidemie ist Anfang 2023 auf Zypern ausgebrochen. Auf  der „Insel der Katzen“ leben schätzungsweise mehr als eine Million Katzen, viele von ihnen auf der Straße. Tausende Tiere sollen bereits verstorben sein.

FIP ist inzwischen behandelbar

Die an FIP erkrankten Tiere sollen Medienberichten zufolge jetzt mit Corona-Medikamenten therapiert werden. Die Arzneimittel wurden ursprünglich zur Behandlung von COVID-19-Fällen bei Menschen angeschafft (Remdesivir und Molnupiravir).

FIP galt lange Zeit als unheilbar, erst vor wenigen Jahren wurde eine Therapiemöglichkeit gefunden.  Aus arzneimittelrechtlichen Gründen ist in Deutschland die Behandlung der FIP aber nach wie vor schwierig. 


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Medikamente gegen FIP und COVID: der Stand der Forschung

Prof. Dr. Katrin Hartmann, Leiterin der Kleintierklinik der LMU München, forscht schon seit einigen Jahren zur FIP-Therapie und hat vetline.de einige Fragen beantwortet.

Wie kommt es zu dem FIP-Ausbruch auf Zypern? Ist das Virus durch eine Mutation gefährlicher geworden?

Katrin Hartmann: Das ist eine sehr gute Frage, die wir zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sicher beantworten können. Fakt ist, dass FIP durch eine Mutation des felinen Coronavirus (FCoV) ausgelöst wird. FCoV ist ein RNA-Virus, welches bei der Replikation eine hohe Fehleranfälligkeit besitzt und somit eine hohe Mutationsrate aufweist. Je höher der Infektionsdruck, also je mehr Virus vorhanden ist, umso höher ist das Risiko einer Mutation.

In Zypern leben sehr viele Straßenkatzen, von denen sicherlich viele miteinander verwandt sind. Neben dem hohen Infektionsdruck, könnte also auch eine genetische Komponente der Katzen das aktuelle Geschehen beeinflussen. Zudem gibt es besonders „aggressive“ FCoV-Stämme, die wahrscheinlich häufiger mutieren und daher häufiger (evtl. sogar Epidemie-artig) FIP verursachen. Soweit wir wissen, arbeitet die Universität von Edinburgh derzeit mit Tierärzten in Zypern vor Ort zusammen. Die Kolleginnen und Kollegen sind dabei, den eventuellen „neuen“ Virusstamm zu sequenzieren.

Sind ähnliche Ausbrüche auch in Mitteleuropa zu befürchten?

Katrin Hartmann: Sobald wir das Ergebnis der Sequenzierung kennen, wissen wir mehr. Möglich ist eine solche Epidemie sicherlich.

In Zypern sollen jetzt Katzen per Ausnahmegenehmigung mit den humanmedizinischen COVID-19-Therapeutika Remdesivir und Molnupiravir behandelt werden. Wie ist der Stand der Forschung zur Remdesivir- und Molnupiravir-Therapie?

Katrin Hartmann: Remdesivir (GS-5734) ist ein Prodrug, das nach Verabreichung in der Leber zu GS-441524 umgewandelt wird. Im Gegensatz zu seiner aktiven Form (GS-441524) muss Remdesivir als Injektion verabreicht werden, da es oral nicht wirksam ist. Remdesivir ist in der Humanmedizin zugelassen und wird zur Therapie von COVID-19 eingesetzt. Es gibt Hinweise, dass Remdesivir bei Katzen mit FIP zur Heilung führen kann; allerdings gibt es noch keine prospektiven kontrollierten Studien. In Fallsammlungen, retrospektiven Studien und Erfahrungsberichten stellte sich Remdesivir als wirksam dar.

Ein neues Therapieprotokoll aus England schlägt eine Kombination vor : Remdesivir als Injektionen mit anschließender Weiterführung der Therapie mit GS-441524 in Tablettenform. Nebenwirkungen der Injektionen sind vor allem vorübergehende lokale Irritation an der Injektionsstelle, Brennen bei der Injektion, Entwicklung oder Verstärkung eines Pleuraergusses in den ersten 48 Stunden der Behandlung sowie eine für mehrere Stunden nach der intravenösen Verabreichung anhaltende Apathie und Übelkeit. Über einen Anstieg der Alanin-Aminotransferase- (ALT)-Enzymaktivität wurde ebenfalls berichtet. Remdesivir ist als Humanarzneimittel auf dem Markt und könnte umgewidmet werden; allerdings wäre das Humanpräparat extrem teuer, wenn es als Langzeittherapie bei Katzen mit FIP eingesetzt würde.

Molnupiravir (EIDD-2801), ebenfalls ein Nukleosidanalogon, stellte sich in vitro gegen FCoV als wirksam dar. In einer retrospektiven Studie mit 26 Katzen mit FIP-Verdacht wurde Molnupiravir für 12 Wochen verabreicht. 10/26 Katzen hatten vorher bereits einen Therapiezyklus mit GS-441524 erhalten. 24/26 Katzen waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung krankheitsfrei, eine Katze wurde euthanasiert und eine weitere Katze wurde aufgrund eines Rückfalls erneut therapiert. Molnupiravir scheint daher erfolgversprechend zu sein. Kontrollierte prospektive Studien dazu sind dringend nötig.

Am meisten Studien gibt es zu GS-441524, der aktiven Substanz von Remdesivir, das auch oral verabreicht werden kann und eine überwältigende Wirksamkeit zur Therapie von FIP hat.

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Gibt es in Deutschland momentan eine legale Möglichkeit der FIP-Therapie, beispielsweise durch Umwidmung von humanmedizinischen Medikamenten?

Katrin Hartmann: Als wirksamstes antivirales Medikament gilt GS-441524, ein Nukleosid-Analogon. Leider ist GS-441524 nicht zugelassen und in Deutschland nur von Besitzern über den Schwarzmarkt zu beziehen. Tierärzte dürfen das Medikament nicht erwerben oder verabreichen. In anderen Ländern, wie Großbritannien und Australien, ist eine legale Therapie mit GS-441524 möglich, da das Apothekengesetz dort Apotheken erlaubt, nicht zugelassenes GS-441524 herzustellen und an Tierärzte zu verkaufen. Dieses GS-441524 darf jedoch nicht nach Deutschland importiert werden. Es darf hierzulande nur im Rahmen von zugelassenen Studien eingesetzt werden.

Eine legale Option für Tierärzte Katzen mit FIP zu therapieren wäre daher, die Katze für eine Teilnahme an einer genehmigten wissenschaftlichen Therapiestudie zu überweisen. Aktuell führt meine Arbeitsgruppe an der Kleintierklinik der LMU, zusammen mit dem Tierspital der Universität Zürich eine Multicenter-Studie zur Therapie der FIP mit GS-441524 in Tablettenform durch. Wir dürfen insgesamt 770 Katzen einschließen. Eine Überweisung der Katze an uns ist also möglich.

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