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Mag. med. vet. Jeff Schreiner war studentischer Mitarbeiter an der Vetmeduni Vienna, Interne Medizin, Abteilung  Vögel und Reptilien. Seit Anfang 2021 ist er als Tierarzt mit dem Schwerpunkt Exoten und Wildtiere tätig. Er arbeitet in Wien im Haus des Meeres und im Tiergarten Schönbrunn.
Foto: Dominik Moser
Mag. med. vet. Jeff Schreiner war studentischer Mitarbeiter an der Vetmeduni Vienna, Interne Medizin, Abteilung  Vögel und Reptilien. Seit Anfang 2021 ist er als Tierarzt mit dem Schwerpunkt Exoten und Wildtiere tätig. Er arbeitet in Wien im Haus des Meeres und im Tiergarten Schönbrunn.

Portrait

„Besondere Tiere brauchen eine besondere medizinische Betreuung“

Zoodoc Jeff Schreiner liebt es, im Haus des Meeres etwas für Tiere, Menschen und Umwelt beitragen zu können.

Was für eine herrliche Aussicht! Ich sitze mit Jeff Schreiner auf einer schicken Dachterrasse in Wien-Mariahilf mit Blick bis zum Wienerwald und Bisamberg. Uns zu Füßen liegt ein Häusermeer. Mein Gesprächspartner erinnert sich, wie entsetzt er war, als er zum Studium nach Wien kam: „Ich bin in einem kleinen Ort in Luxemburg aufgewachsen, wo jeder in einem Einfamilienhaus mit großem Garten lebte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man freiwillig in einer Großstadt ohne eigenen Garten wohnt und glücklich sein kann.“ Mittlerweile sei er aber ein großer Wien-Fan und lebe gerne hier, fügt er hinzu.

Schlangen im Kinderzimmer

Jeff wuchs in Luxemburg ohne Geschwister, aber mit vielen Tieren auf. Als Elfjähriger las er sich aus lauter Neugier immer mehr Wissen über Schlangen an. Dadurch entstand der Wunsch, selber Schlangen zu halten. Er erinnert sich: „Die Bedingungen meiner Mutter waren klar: ‚Ins Haus dürfen keine Schlangen einziehen, die länger als 1,80 m werden, giftig oder gefährlich sind und Mäuse oder Ratten fressen.‘“ Die Wahl des Schülers fiel damals auf Gebänderte Wassernattern, kurze Zeit später kamen die ersten Kornnattern dazu. Mit einem Augenzwinkern ergänzt er fröhlich: „Meine Mutter ließ sich schließlich doch nach und nach erweichen.“


Top Job:


Farbmorphenzucht bei Schlangen

Jeff züchtete höchst erfolgreich verschiedenste Schlangenarten, darunter auch diverse Farbmorphen von Königspythons. Ob diese nicht unter den Begriff der ‚Qualzucht‘ fallen, frage ich nach. Die Antwort des Experten: „Ein großer Anteil aller Farbmorphen erleidet bei der Haltung in Gefangenschaft keinerlei Beeinträchtigungen, geschweige denn Leiden oder Schmerzen. In freier Wildbahn hingegen würden beispielsweise Albinos viel leichter von Feinden erkannt werden. Allerdings gibt es vereinzelte Farbvarianten, bei denen die für die Farbe verantwortlichen Genmutationen auch anatomische Veränderungen mit sich bringen. Die Farbmorphen ‚Spider‘, ‚Woma‘ und ‚Champagne‘ zeigen in CT und MRT-Untersuchungen verdichtetes Gewebsmaterial im Bereich des Innenohrs. Als ‚Wobbler‘ bezeichnet (obwohl ein Vestibularsyndrom zugrunde liegt) zeigen diese Tiere neurologische Störungen wie Kopfzittern, Kopfschiefhaltung, bis hin zu unkontrollierten schraubenförmigen Bewegungen. Diese Farbvarianten werden von verantwortungsvollen Züchtern gezielt gemieden oder schlichtweg nicht verpaart. Aber es gibt leider auch verantwortungslose ‚Tiervermehrer‘ und Unwissende! Als Tiermediziner ist es unsere Aufgabe, diese Besitzer aufzuklären und fachlich zu beraten.“ Der Reptilienfachmann betont mit Nachdruck, dass eine verallgemeinerte Aussage wie „alle Farbmorphen sind Qualzuchten“ schlichtweg falsch sei.

Jeff weiß, wovon er spricht, denn seit über zehn Jahren hält er Kurse über artgerechte Haltung und Krankheiten von Reptilien – nicht nur für Terraria­ner, sondern auch für Vets sowie Angehörige von Feuerwehr und Tierschutzvereinen.

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Über die Biologie zur Veterinärmedizin

Mit großem Vorwissen ausgestattet kam Jeff also nach Wien und begann zunächst ein Biologiestudium, das ihn im Rahmen einer Forschungsreise mehrere Wochen nach Costa Rica führte. Hier wurde auch seine Leidenschaft für die Tierfotografie geweckt. Doch die Berufsaussichten als Biologe erschienen ihm zu ungewiss, daher sattelte er nach zwei Semestern um auf Veterinärmedizin: „Das Aufgabenfeld eines Tierarztes ist klar umrissen und ich dachte, der Beruf werde mir ein sicheres, gutes Einkommen ermöglichen.“ Zur Erklärung setzt er nach: „Nein, es geht nicht um teure Reisen oder einen aufwendigen Lebensstil. Ich möchte nur im Alltag nicht nachrechnen müssen, ob ich mir die Wohnungsmiete und die Milch im Supermarkt noch leisten kann.“

Dass die finanzielle Situation junger Vets anders aussieht, stellte Jeff Schreiner schließlich selber fest: „Es ist eine Schande, wie schlecht junge Tierärzte in Tierkliniken oder Ordinationen nach diesem zeitaufwendigen und harten Studium bezahlt werden – besonders im Vergleich mit den Anfangsgehältern anderer Akademiker!“, empört er sich und setzt fort: „Und obwohl sehr viel Arbeitseinsatz von uns verlangt wird, fehlt es oft an Wertschätzung von Seiten der Vorgesetzten.“

Leidenschaft für exotische Tiere

Zurück zum Studium: Jeff war engagiert und zielstrebig. Er jobbte zunächst in der Reptilienabteilung einer Zoofachhandlung in Wien, danach für fünf Semester als studentischer Mitarbeiter in der Klinik für Interne Medizin der Vetmeduni, Abteilung Vögel und Reptilien. Seine Erkenntnis aus dieser Zeit: „90 % der Reptilien leiden unter ‚Technopathien‘, also Krankheiten aufgrund falscher Haltung.“

Die Leidenschaft für exotische Tiere schlug sich auch in der Wahl des Studienschwerpunktes nieder: „Conservation Medicine“ am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni. Einen Teil der Ausbildung absolvierte Jeff in seinem Traumland Südafrika: „Ich liebe die Abwechslung, die diese Tätigkeit mit sich bringt, denn die Arbeit mit Wild- und Zootieren beschränkt sich nicht auf das Wohlergehen einzelner Individuen, sondern weitet sich auf den Erhalt einer Art als Ganzes aus. Hierbei spielen Naturschutz und der Erhalt von Lebensräumen eine essenzielle Rolle.“

Der Studienabschluss erfolgte Anfang 2021. Jeff Schreiner begann seine praktische tierärztliche Tätigkeit zunächst in zwei großen Tierkliniken in Niederösterreich, dann im Team der Ordination Tiergarten Schönbrunn und im Haus des Meeres.

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Haus des Meeres im Flakturm

Das markante Gebäude mit der spektakulären Terrasse, auf der wir unser Gespräch führen, hat eine düstere Vergangenheit. Eine Dauerausstellung in seinem Inneren erinnert daran: Es handelt sich um einen der sechs Wiener Flaktürme aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Turm wurde 1943/44 erbaut und beheimatet seit 1957 das Haus des Meeres. Die dicken Betonmauern wurden hierfür teilweise durchbrochen und durch An- und Umbauten zu einem modernen, wissenschaftlich geführten Aqua-Terra-Zoo. Längst leben hier nicht mehr nur Fische, sondern auch Reptilien, Vögel und Säuger: 450 Tierarten auf 10 Etagen. Sie alle werden seit 2021 von Jeff Schreiner medizinisch versorgt.

„Besondere Tiere brauchen eine besondere medizinische Betreuung“

Wie sehr sich der 28-Jährige mit dem Haus verbunden fühlt und wie glücklich er mit der Arbeit hier ist, merke ich auch bei unserem anschließenden Rundgang durch die Abteilungen. Wir besuchen dabei – abseits der üblichen Besucherwege – die Meeresschildkröte „Puppi“ im Haibecken (sie im Becken, wir am Beckenrand) und füttern in der Mada­gaskar-Anlage die Kattas mit Apfelspalten.

Ich gebe zu, dass ich froh bin, dass die riesigen Komodowarane satt unter der Wärmelampe liegen und uns eine dicke Glasscheibe von diesen zweifellos faszinierenden Echsen trennt. Zumal Jeff mit leuch­tenden Augen erzählt, dass sie zu seinen Lieblingstieren gehören und bis zu drei Meter lang und 80 kg schwer werden können. Stolz zeigt er mir im Vorbeigehen die Baustelle für ein neues riesiges Aquarium. Auch die Konzipierung von Anlagen gehört mittlerweile zu seinen Aufgaben, denn mit 1. Mai 2023 wurde der gebürtige Luxemburger zum Kurator für den Bereich Säuger, Vögel und Süßwasserfische ernannt.

Er hat ein großes Team an Tierpflegerinnen und Tierpflegern, ist verantwortlich für den Tierbesatz und seine Gesunderhaltung, Artenschutz, Zuchtprogramme und Wissensvermittlung. Hierzu dreht der Zoodoc auch Videos, in denen er auf sympathische Art Wissen über die von ihm betreuten Tiere vermittelt und sie auf Social Media postet.

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Jeff Schreiner röffnet den Bauchpanzer einer Pantherschildkröte mit postovulatorischer Legenot. Nicht zu sehen: Das Tier ist in Vollnarkose und unter EKG-Überwachung.
Foto: Privat
Jeff Schreiner röffnet den Bauchpanzer einer Pantherschildkröte mit postovulatorischer Legenot. Nicht zu sehen: Das Tier ist in Vollnarkose und unter EKG-Überwachung.

Stagepiano in der Freizeit

Ob bei all dem Engagement auch noch Zeit für Hobbys bleibt? Jeff Schreiner nickt: „Ja, ich spiele in der Band ‚Air of Jasmine‘ Stagepiano. Als Jugendlicher habe ich auch Klavier, Klarinette, Saxophon und Schlagzeug gespielt und wollte mit 18 ursprünglich Berufsmusiker werden. Für Tiere und Musik schlägt mein Herz gleichermaßen.“ 

Hier wird es persönlich: weitere Porträts aus der Tiermedizin:

  • Wildtierwissen für alle: Tierärztin Lara Grundei vermittelt via Instagram, wie man hilfsbedürftigen Wildtieren begegnen sollte.
  • Wie im Kinderwunschzentrum: Besim Hasan Sontaş hat sich eine besondere Nische gesucht: Er ist auf Kleintierreproduktion spezialisiert.
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