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Es zählt jedes einzelne Huhn: Bestandsuntergrenzen gibt es für die Erfassung der Antibiotika-Verbrauchsmengen nicht.
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Es zählt jedes einzelne Huhn: Bestandsuntergrenzen gibt es für die Erfassung der Antibiotika-Verbrauchsmengen nicht.

Verbrauchsmengenerfassung

Neues TAMG: Meldepflicht für Tierärzte ab Januar 2023

Ab dem 01. Januar 2023 werden die Antibiotika-Verbrauchsmengen bei Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten erfasst. Die Meldepflicht geht auf die Tierärzte und Tierärztinnen über.

Mitte Dezember 2022 wurde das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) verabschiedet, bereits am 01. Januar 2023 tritt es in Kraft.

Mit dem neuen Gesetz wird die Meldepflicht für Antibiotikabehandlungen ausgeweitet und geht zudem auf den Tierarzt bzw. einen von ihm beauftragten Dritten über. Ist das so kurzfristig überhaupt umzusetzen? Dr. Svenja Sander vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erklärt: „Ab dem 01. Januar müssen zwar die Verbrauchsmengen erfasst, also dokumentiert werden. Die Daten müssen aber nur einmal pro Halbjahr an die nationale Datenbank für die Verbrauchsmengenerfassung (HI-Tier) elektronisch gemeldet werden. Die erste Meldung ist also erst am 14. Juli 2023 fällig, die Meldung für das zweite Kalenderhalbjahr ist dann bis zum 14. Januar 2024 zu machen.“ Es bleibt also trotz der kurzfristigen Verabschiedung des Gesetzes etwas Zeit für die Umsetzung.

Europäisches Tierarzneimittelrecht und TAMG

Ein Überblick zum Europäischen Tierarzneimittelrecht seit 2022 und dem deutschen Tierarzneimittelgesetz (TAMG) 2023.
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Behandlungen dieser Tiere müssen gemeldet werden

Verbrauchsmengen müssen für Antibiotika bei Rind, Schwein, Huhn und Pute gemeldet werden. Neu ist, dass die Meldepflicht alle Nutzungsarten betrifft und von der Bestandsgröße unabhängig ist. Milchrinder sind also genauso betroffen wie eine Legehenne in Hobbyhaltung.

Während die Verbrauchsmengen für alle Nutzungsarten erfasst werden, werden Therapiehäufigkeiten im Rahmen des Benchmarkings nur für bestimmte Nutzungsarten ermittelt, wenn festgelegte Bestandsgrößen überschritten werden:

  • Milchkühe
  • Kälber, Zukauf (nicht auf dem Haltungsbetrieb geborene Kälber bis zum Alter von 12 Monaten)
  • Saugferkel
  • Ferkel unter 30 kg
  • Mastschweine
  • Zuchtschweine
  • Masthühner
  • Legehennen
  • Junghennen
  • Mastputen

Diese Daten werden für die Verbrauchsmengen-Meldung benötigt

Nach §56 des neuen TAMG werden folgende Daten gemeldet:

  • UPD-Package Identifier: Dies ist ein eindeutiger, einzigartiger  Identifizierungscode des Arzneimittels (mit Informationen zu Packungsgröße und Verpackung). Er wird für die Meldung der Verbrauchsmengen an die European Medicines Agency (EMA) benötigt und soll eine Vergleichbarkeit der Mitgliedsstaaten ermöglichen. Der UPD-Package Identifier wird in HI-Tier hinterlegt sein. Ist das aus technischen Gründen noch nicht für alle Arzneimittel der Fall, kann alternativ die Packungs-ID übermittelt werden. Beide werden über die Beschreibung der Verpackung ausgewählt (diese ist in HI-Tier hinterlegt).
  • Zulassungsnummer: Kann auch nach Eingabe des Arzneimittelnamens aus vorgegebenen Einträgen ausgewählt werden.
  • Arzneimittelbezeichnung: Nicht erforderlich, wenn eine Zulassungsnummer angegeben wurde.
  • Packungsgröße: Muss nicht eingegeben werden, wird vom System automatisch aus dem UPD-Packungs-Identifier oder der Packungs-ID abgeleitet.
  • Name der Tierarztpraxis, des Tierarztes bzw. der Tierärztin: Wird durch Angabe der Betriebsnummer automatisch abgeleitet.
  • Datum der Verschreibung, der ersten Anwendung oder das Abgabedatum
  • Insgesamt verschriebene, angewendete oder abgegebene Menge dieses Arzneimittels
  • Nutzungsart entsprechend der in HI-Tier hinterlegten Liste
  • Anzahl der behandelten Tiere
  • Anzahl der Behandlungstage
  • VVVO-Nr. (Registriernummer des tierhaltenden Betriebes)

So können die Daten gespeichert werden

Die für die Meldung nötigen Daten müssen ab dem 01. Januar 2023 dokumentiert werden, auch wenn die erste Meldung erst im Juli fällig ist. Antibiotikaanwendungen können in der Praxissoftware erfasst werden, allerdings werden die entsprechenden Eingabemasken momentan noch an die neuen Vorgaben angepasst. Es ist daher ggf. nötig, dass z.B. Daten zur Packungsgröße übergangsweise auf anderem Weg gespeichert werden müssen.

Eine Möglichkeit wäre die Erfassung dieser Daten mit Hilfe des tierärztlichen Arzneimittel-Anwendungs- und Abgabebeleg (AuA-Beleg). Dort müssten ab Januar zusätzlich die Packungsgröße mit Maßeinheit und die Beschreibung der Verpackung samt Inhalt zur späteren Zuordnung einer Packungs-ID oder eines UPD-Package Identifier dokumentiert werden.

Das BVL wird zudem zeitnah Vordrucke für eigene Dokumentationslisten mit allen erforderlichen Angaben zur Verfügung stellen. Diese Listen dienen jedoch nur der eigenen Datenerfassung, sie können nicht direkt an die HI-Tier-Datenbank verschickt oder dort hochgeladen werden.

So werden die Daten übermittelt

Die Daten müssen elektronisch an HI-Tier gemeldet werden. Für die Abgabemengenerfassung wird das vom Antibiotika-Benchmarking bekannte System übernommen, die Funktionen der TAM-Datenbank wurden bereits angepasst. Wer die Datenbank bereits vorher verwendet hat, kann sie wie gewohnt mit der klassischen Oberfläche weiter nutzen. Zusätzlich gibt es die Datenbank auch mit moderner, mobil kompatibler Oberfläche, welche die Eingabe noch einmal erleichtern soll. 

Schnittstellen der Praxissoftware zu HI-Tier müssen noch an die neuen Meldevorgaben angepasst werden. Das BVL ist bestrebt, eine schnelle Anpassung durch Informationsaustausch mit den Softwareanbietern zu erleichtern. Aus einer Praxissoftware ohne Schnittstelle ist eine sogenannte Massenmeldung per Datei (über CSV-Listen) möglich, Informationen dazu finden sich auf den Hilfeseiten der HI-Tier.

QS oder andere entsprechende Dienstleister können die Meldung als Dienstleister für Tierärzte übernehmen. Hierzu muss eine sogenannte „Tierarzterklärung“ durch die Tierärztin oder den Tierarzt in HI-Tier ausgefüllt werden.

Antibiotika-Verbrauchsmengenerfassung in Europa

Weltweit wird die Zahl der Todesfälle bei Menschen durch antibiotikaresistente Bakterien auf 1,27 Millionen geschätzt – eine stille Pandemie. Zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen soll im Rahmen der Europäischen Farm-to-Fork-Strategie der europäische Gesamtumsatz antimikrobieller Mittel in der Tierhaltung um die Hälfte reduziert werden. Für eine zielgerichtete Resistenzbekämpfung werden in Zukunft auf europäischer Ebene neben den Abgabemengen auch die Verbrauchsmengen antimikrobieller Arzneimittel bei Tieren erfasst. Nur so lässt sich feststellen, bei welchen Tier- und Nutzungsarten wie viele Antibiotika tatsächlich eingesetzt werden. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde festgelegt, welche Daten für die Meldung an die EMA erfasst werden müssen. Die aktuelle Änderung des TAMG ist die nationale Umsetzung der ersten Stufe der europäischen Verordnungen. In den nächsten Jahren wird eine Verbrauchsmengenerfassung für weitere Tierarten folgen:

  • Ab 2023 müssen die Verbrauchsmengen für Rinder, Schweine, Hühner und Puten erfasst werden. An die EMA werden sie erstmals 2024 gemeldet.
  • Ab 2026 werden auch die Verbrauchsmengen für Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Fische (entsprechend der Verordnung), Pferde und der Lebensmittelgewinnung dienenden Kaninchen erfasst und ab 2027 an die EMA übermittelt.
  • Schließlich werden ab 2029 auch die Verbrauchsmengen für Hunde und Katzen erfasst.

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