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Die Gründung einer Gruppen- oder Gemeinschaftspraxis bietet viele Vorteile.
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Die Gründung einer Gruppen- oder Gemeinschaftspraxis bietet viele Vorteile.

Tierärztliche Kooperationsformen

Kooperativ in die Zukunft

Noch immer wählen viele Tierärzte bei der Niederlassung die Einzelpraxis. Doch ­welche Alternativen gibt es – und wo liegen die Unterschiede zwischen Gruppen­praxis, Gemeinschaftspraxis und GmbH?

In Deutschland ist der Großteil der praktizierenden Tierärzte noch immer in Einzelpraxen tätig. Im Jahr 2021 waren insgesamt 11.889 Tierärzte niedergelassen, wovon 8.920 eine Einzelpraxis führten. 2.584 Tierärzte waren in einer Gemeinschaftspraxis tätig und lediglich 385 Personen betrieben eine Gruppenpraxis (Deutsches Tierärzteblatt 6/2022, S. 762–772). Diese Zahlen sind seit Jahren unverändert. Seit ein paar Jahren drängen auch andere Kooperationsformen auf den Markt. So kaufen vermehrt Fremdinvestoren Tierarztpraxen auf, um sie in Form einer GmbH zu führen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den einzelnen Kooperationsformen und zeigt deren Vor- und Nachteile auf. Hierbei wird insbesondere auch auf die Haftung der Gesellschafter eingegangen.

Kennzeichnung durch die Freiberuflichkeit

Der Beruf des Tierarztes ist zunächst insbesondere durch die Freiberuflichkeit gekennzeichnet. Diese hat eine zentrale Bedeutung für den tierärztlichen Beruf. Der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er in § 1 Abs. 1 Bundes-Tierärzteordnung (BTO) das Leitbild der tierärztlichen Tätigkeit normiert hat. Danach ist der Tierarzt berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen, den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen und auf eine Steigerung der Güte von Lebensmitteln tierischer Herkunft hinzuwirken. Für den Gesetzgeber war ebenso die Freiberuflichkeit elementar. Diese wurde in § 1 Abs. 2 BTO normiert. Danach ist der tierärztliche Beruf kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

Der freie Beruf ist gekennzeichnet durch eine höhere Qualifikation und eigenverantwortliche Tätigkeit. Er hat unabhängig zu erfolgen und sich an den medizinischen Erfordernissen der Heilbehandlung auszurichten (vgl. Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 8. Aufl., Rn. 2–4). Im Gegensatz hierzu steht die Ausübung eines Gewerbes. Hierbei handelt es sich um jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit, die kein freier Beruf ist (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.02.2013 – 8 C 8/12).  Die Abgrenzung ist manchmal schwierig. Entscheidend für die freiberufliche Tätigkeit ist insbesondere die eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, PartGG).


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Kooperationsformen

In der Musterberufsordnung-Tierärzte (MBO-TA) sind die zulässigen Kooperationsformen im Einzelnen geregelt:

Gruppenpraxis

So findet sich in § 17 MBO-TA die Gruppenpraxis. Hierbei handelt es sich im Innenverhältnis um einen Zusammenschluss zum Zweck der fachlichen Zusammenarbeit, der gegenseitigen Vertretung, gemeinsamer Nutzung von Praxiseinrichtungen und Instrumenten, gemeinsamen Einkaufs und gemeinsamer Beschäftigung von tierärztlichen Mitarbeitern sowie Hilfspersonal. Die Praxisinhaber bleiben im Außenverhältnis jedoch rechtlich und wirtschaftlich selbstständig. Folglich wird der Behandlungsvertrag zwischen dem jeweiligen Praxisinhaber und dem Tierhalter geschlossen. Ein Behandlungsvertrag mit der Gruppenpraxis kommt somit nicht zustande. Es wird folglich zwischen dem Innen- und Außenverhältnis der Gruppenpraxis unterschieden. Eine Gruppenpraxis darf nur als solche gekennzeichnet werden, wenn Art und Ausmaß der Zusammenarbeit in einem schriftlichen Vertrag fixiert wurden (§ 17 Abs. 2 MBO-TA).

In der Regel wird die Gruppenpraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) mit dem Zweck der fachlichen Zusammenarbeit, der gegenseitigen Vertretung, der gemeinsamen Nutzung von Praxiseinrichtungen und Instrumenten, des gemeinsamen Einkaufs und der gemeinsamen Beschäftigung von Personal geführt. Nur im Rahmen dieses Zweckes tritt die Gruppenpraxis nach außen in Erscheinung. Ansonsten handelt es sich um eine reine Innengesellschaft. Die Partner der Gruppenpraxis haften als Gesamtschuldner für die im Rahmen dieses Zweckes eingehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft uneingeschränkt gegenüber den Gläubigern. Da die eigentliche Berufsausübung durch den jeweiligen Tierarzt getrennt erfolgt, trifft eine etwaige Haftung für eine tierärztliche Pflichtverletzung ausschließlich den jeweiligen Behandler. Um hier etwaige Haftungsrisiken zu vermeiden, darf nach außen kein Rechtsschein einer gemeinschaftlichen Berufsausübung gesetzt werden. Hier ist auf den Empfängerhorizont des Tierbesitzers abzustellen. Sofern der Rechtsschein einer gemeinschaftlichen Berufsausübung gesetzt wird, haftet auch der nicht behandelnde Partner.

Tierärztliche Gemeinschaftspraxis

Bei einer tierärztlichen Gemeinschaftspraxis werden innerhalb einer auch nach außen gemeinsam geführten Praxis gleichartige Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet erbracht (Adolphsen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, Clausen/Schroeder-Printzen, 3. Aufl., § 20 Veterinärhaftungsrecht, Rn. 68). Die tierärztliche Gemeinschaftspraxis ist in § 16 MBO-TA geregelt und stellt die engste Form der Kooperation dar. Sie wird regelhaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als Partnerschaftsgesellschaft geführt. Wie auch bei der Gruppenpraxis benötigt die tierärztliche Gemeinschaftspraxis – sofern sie denn als GbR geführt wird – einen Zweck. Dieser liegt in der Führung einer tierärztlichen Gemeinschaftspraxis. Dies bedeutet, dass die tierärztliche Tätigkeit nicht für sich, sondern für die Gesellschaft ausgeübt wird. Seit 2001 ist von der Rechtsprechung die Teilrechtsfähigkeit der GbR anerkannt (BGH, Urteil vom 29.01.2001 – II ZR 331/00). Danach haftet die GbR für die eigenen Verbindlichkeiten und die Gesellschafter haften akzessorisch für die Verbindlichkeiten der GbR (Adolphsen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, Clausen/Schroeder-Printzen, 3. Aufl., § 20 Veterinärhaftungsrecht, Rn. 70). Innerhalb der Gemeinschaftspraxis ist jeder Partner hinsichtlich seiner tierärztlichen Freiberuflichkeit selbstständig und übt die Tätigkeit eigenverantwortlich aus.

Die Vorteile der tierärztlichen Gemeinschafts­praxis liegen auf der Hand. Danach können Räume, Apparaturen und das Personal gemeinsam genutzt werden, was zu einer Kostenreduzierung bei dem einzelnen Partner führt. Auch können höhere Abnahmen von Produkten zu Kostenersparnissen wie Rabatten und Preisnachlässen führen. Da der Behandlungsvertrag mit der Gesellschaft und nicht mit dem einzelnen Tierarzt abgeschlossen wird, erfolgt auch keine Zuweisung zu einem bestimmten Tierarzt. Die Behandlung kann folglich durch jeden Tierarzt der Gesellschaft durchgeführt werden, ohne dass es hierfür einer Vertretung durch den Kollegen bedarf. Auch können sich die einzelnen Tierärzte innerhalb der Praxis spezialisieren, was zu einer Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten führt. Schließlich ermöglicht die gegenseitige Vertretung die Öffnung der Praxis im Krankheits- und Urlaubsfall.

Bei der tierärztlichen Gemeinschaftspraxis besteht die Möglichkeit, diese als Partnerschaft im Sinne des Partnerschaftsgesetzes zu führen. Die Partnerschaft ist in § 18 MBO-TA geregelt. Bei ihr schließen sich Angehörige freier Berufe zur Ausübung des Berufs zusammen (§ 1 Abs. 1 PartGG). Hierbei besteht die Möglichkeit, eine Partnerschaft mit beschränkter Haftung einzugehen. Voraussetzung ist, dass im Heilberufe-Kammergesetz des jeweiligen Bundeslandes den Tierärzten diese Rechtsform gem. § 18 Abs. 2 MBO-TA offensteht.

§ 8 Abs. 4 PartGG sieht eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen vor, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. Die bisherige Partnerschaftsgesellschaft besteht neben der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartG mbB) weiter (Adolphsen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, Clausen/Schroeder-Printzen, 3. Aufl., § 20 Veterinärhaftungsrecht, Rn. 71).

Juristische Personen des Privatrechts am Beispiel der GmbH

Möchte man die tierärztliche Tätigkeit in Form einer GmbH betreiben, müssen die berufsrechtlichen Regelungen der tierärztlichen Tätigkeit mit gesetzlichen Vorgaben der GmbH in Einklang gebracht werden. Die Gründung einer GmbH bedarf gewisser Mindestvoraussetzungen, die im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) kodifiziert sind. Danach ist ein notariell beurkundeter Gesellschaftsvertrag abzuschließen, der mindestens die Firma, den Sitz, den Gegenstand des Unternehmens, den Betrag des Stammkapitals und die Stammeinlage bestimmt (§ 3 GmbHG).

§ 19 Abs. 3 MBO-TA sieht vor, dass die Gesellschaft durch einen Tierarzt geführt wird und die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte von Tierärzten gehalten wird. Dies wird jedoch in den einzelnen Berufsordnungen der Bundesländer und den Heilberufkammergesetzen unterschiedlich umgesetzt, wie später noch zu sehen ist.

Die GmbH als juristische Person ist Trägerin von Rechten und Pflichten. Demnach kommt ein Behandlungsvertrag zwischen dem Tierhalter und der GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zustande. Der Behandlungsvertrag wird folglich nicht mit dem einzelnen Tierarzt, sondern mit der GmbH abgeschlossen. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen bedient sich die GmbH ihrer angestellten Tierärzte. Insofern haftet die Tierärzte-­GmbH für ihre Verbindlichkeiten, begrenzt auf das Gesellschaftsvermögen (Adolphsen in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, Clausen/Schroeder-Printzen, 3. Aufl., § 20 Veterinärhaftungsrecht, Rn. 72).

Tierarztketten – rechtlich zulässig?

In den letzten Jahren konnte man feststellen, dass vermehrt Fremdinvestoren auf dem deutschen Tierärztemarkt auftraten. Regelhaft werden bestehende Tierarztpraxen aufgekauft, um diese in Form einer GmbH zu führen, wobei Tierärzte dort als angestellte Geschäftsführer fungieren.

Nach der Berufsordnung der Länder ist die Kooperationsform im Sinne einer GmbH rechtlich zulässig. Problematisch ist aber die Beteiligung von kammerfremden Personen an einer Tierärzte-­GmbH oder die Frage, ob gar Nichtberufsangehörige die Kapitalmehrheit an einer solchen Tierärzte-GmbH halten dürfen. Dies wird in den Heilberufkammergesetzen und Berufsordnungen der Länder unterschiedlich gesehen. Danach ist eine solche Beteiligungsform in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und im Saarland zulässig, wohingegen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Mehrheitsanteil an der Tierärztegesellschaft bei den Tierärzten liegen muss und die Gesellschaft auch nur von einem Tierarzt als Geschäftsführer geführt werden darf.

Hinsichtlich dieser noch immer unterschiedlichen Sichtweisen werden möglicherweise juristische Entscheidungen in der Zukunft mehr Klarheit bringen. Schon jetzt wurde 2019 vom Europäischen Gerichtshof entschieden, dass es Berufsfremden möglich sein muss, sich zumindest an einem „begrenzten Teil“ des Gesellschaftsvermögens zu beteiligen. Anlass für die Entscheidung vom 09.07.2019 (C 209/18) war eine Regelung in der Republik Österreich, nach der jegliche Fremd­investoren bis dahin vom Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen waren. Ein ähnlich interessanter Fall wurde Anfang 2022 in Sachsen verhandelt. Hier ging es um einen Tierarzt, der seine Praxis an eine noch zu gründende Praxisgesellschaft eines Fremdinvestors verkaufen wollte. Beide Urteile sind online noch einmal von der Autorin dieses Artikels beschrieben und kommentiert.

Fazit

Auch wenn nach wie vor der Großteil der niedergelassenen Tierärzte seine Praxis in Form einer Einzelpraxis betreibt, kann die Ausübung des tierärztlichen Berufs in Kooperationsform durchaus Vorteile mit sich bringen. So können Anschaffungspreise für teure Praxisgerätschaften auf mehrere Berufsträger verteilt werden. Dadurch werden die Kosten schneller amortisiert, wobei man gleichzeitig mit den aktuellen Geräten auf dem neuesten Stand der Technik ist. Es besteht die Möglichkeit der Spezialisierung innerhalb der Kooperation, sodass man dem Patien­ten qualitativ hochwertige Leistungen anbieten kann. Auch eine gegenseitige Vertretung im Krankheits- und Urlaubsfall wird ermöglicht. Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels und des damit einhergehenden Rufs nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen die verschiedenen Kooperationsformen eine höhere Flexibilität und könnten die Attraktivität des Berufs des Tierarztes weiter steigern.

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