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Umstritten: die Kooperation zwischen Tierärzten und berufsfremden Investoren.
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Umstritten: die Kooperation zwischen Tierärzten und berufsfremden Investoren.

Kammerfremde Investoren

Übernahme durch eine „Kette“ –  ein Blick auf neue Urteile 

Zwei neue Urteile befeuern die Diskussion um den Kauf von Tierarztpraxen durch berufsfremde Investoren. 

Von Olivia Haverkamp

In den vergangenen Jahren konnte man feststellen, dass vermehrt Fremdinvestoren auf dem deutschen Tierärztemarkt auftraten. Regelhaft werden bestehende Tierarztpraxen aufgekauft, um diese in Form einer GmbH zu führen, wobei Tierärzte dort als angestellte Geschäftsführer fungieren. Nach der Berufsordnung der Länder ist die Kooperationsform im Sinne einer GmbH rechtlich zulässig – diese Form und andere Formen der Kooperation mit ihren Vorteilen und Besonderheiten beleuchten wir in der Januarausgabe (1/2023) von Der Praktische Tierarzt.

Problematisch ist hinsichtlich einer Tierärzte-GmbH die Beteiligung von kammerfremden Personen oder die Frage, ob gar Nichtberufsangehörige die Kapitalmehrheit an einer solchen Tierärzte-GmbH halten dürfen. Dies wird in den Heilberufkammergesetzen und Berufsordnungen der Länder unterschiedlich gesehen. Danach ist eine solche Beteiligungsform in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und im Saarland zulässig, wohingegen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Mehrheitsanteil an der Tierärztegesellschaft bei den Tierärzten liegen muss und die Gesellschaft auch nur von einem Tierarzt als Geschäftsführer geführt werden darf. (Die einzelnen Berufsordnungen finden sich auf den Websites der jeweiligen Tierärztekammern.) In den vergangenen Jahren wurden mehrere Fälle aus diesem Bereich vor Gerichten entschieden. Die Urteile sollen hier geschildert und erläutert werden.

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 09.07.2019 – C 209/18


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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat 2019 einen interessanten Fall hierzu entschieden. Die Europäische Kommission überwacht die Einhaltung der Verträge, insbesondere, ob Verstöße gegen Grundfreiheiten vorliegen. Eine dieser Grundfreiheiten stellt die Dienstleistungsfreiheit dar. Die Republik Österreich hatte hinsichtlich der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Tierärztegesellschaften eine vergleichbare Regelung wie Deutschland. Hier wurden jegliche Fremdinvestoren vom Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen. Daraufhin leitete die Europäische Kommission ein Verletzungsverfahren gegen Österreich ein. Begründet wurde dies damit, dass der Gesundheitsschutz und die Unabhängigkeit der Tierärzte durch weniger einschneidende Maßnahmen als dem vollständigen Ausschluss jeglicher Fremdinvestoren vom Gesellschaftsvermögen erreicht werden könne. Der Ausschluss jeglicher Fremdinvestoren sei unverhältnismäßig, weshalb die Europäische Kommission Klage beim EuGH einreichte. Dieser gab der Europäischen Kommission mit Urteil vom 09.07.2019 – C 209/18 Recht und stellte einen Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie fest. In seinem Urteil führte der EuGH aus: „Die legitime Verfolgung der Ziele des Gesundheitsschutzes und der Unabhängigkeit der Tierärzte kann nicht rechtfertigen, dass Wirtschaftsteilnehmern, die keine Tierärzte sind, die Beteiligung am Vermögen von Tierärztegesellschaften völlig unmöglich gemacht wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tierärzte über die Gesellschaften auch dann wirksame Kontrolle ausüben können, wenn sie nicht das gesamte Gesellschaftsvermögen halten würden. Die Beteiligung von Personen, die keine Tierärzte sind, an einem begrenzten Teil des Vermögens würde eine solche Kontrolle nicht zwangsläufig behindern. Eine nationale Regelung, die sämtliche nicht berufsberechtigten Personen von jeglicher Beteiligung am Vermögen von Tierärztegesellschaften ausschließt, geht daher über das hinaus, was erforderlich ist, um die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und die Unabhängigkeit der Tierärzte zu erreichen.“

Allerdings lässt dieses Urteil nicht den Rückschluss zu, dass eine Zulassung Dritter am gesamten Gesellschaftsvermögen deshalb zulässig ist. Denn der EuGH hat explizit erklärt, dass die Beteiligung an einem „begrenzten Teil“ dieses Vermögens möglich sein muss, aber eben nicht, dass das Vermögen in Gänze bei berufsfremden Personen liegen darf. Das Ziel, die Unabhängigkeit der Tierärzte und den Gesundheitsschutz zu wahren, muss nach wie vor gewährleistet werden.

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Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 23.02.2022 – 4 K 62/22

Eine Entscheidung eines deutschen Gerichts zu den Tierarztketten liegt bislang nicht vor. Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hatte Anfang dieses Jahres die Klage eines Tierarztes abgewiesen. Das Urteil wurde bereits in der August-Ausgabe von „Der Praktische Tierarzt“ kommentiert. Der Kläger in dem dortigen Verfahren beabsichtigte, seine Tierarztpraxis in Sachsen an eine noch zu gründende Praxisgesellschaft eines Fremdinvestors zu verkaufen. An der Gesellschaft sollten – entgegen landesrechtlichen Vorschriften – auch oder nur kammerfremde Personen beteiligt und der Tierarzt sollte alleiniger Geschäftsführer sein. Auch die fachliche Verantwortung für die Leitung der Praxis sollte allein dem Tierarzt zustehen. Entsprechende Regelungen sollten im Gesellschafter-Anstellungsvertrag oder im Gesellschaftsvertrag kodifiziert werden. Der Gesellschaftervertrag lag zum Zeitpunkt der Klage noch nicht vor, der Kläger hatte jedoch in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, was dieser beinhalten sollte. Die berufsrechtlichen Vorschriften im Land Sachsen sehen eine solche Beteiligung nicht vor. Der Kläger begehrte mit der Klage die Feststellung, dass berufsrechtliche Vorschriften dem Verkauf seiner Tierartpraxis an eine Betreibergesellschaft in vollständigem Besitz eines Fremdinvestors nicht entgegenstehen. Hierbei berief sich der Kläger auch auf die europarechtliche Entscheidung. Allerdings hat das Verwaltungsgericht in der Sache nicht entschieden, sondern die Klage als unzulässig abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger mit der Klage auf die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage abziele. Im Grunde möchte der Kläger die berufsrechtlichen Vorschriften überprüfen lassen. Hierfür sei aber die Feststellungsklage nicht die richtige Klageart, vielmehr sei dies nur mit einer abstrakten Normenkontrolle möglich. Diesbezüglich bestehe aber für den Kläger keine Klagebefugnis. Dennoch hat sich das Verwaltungsgericht nicht den Hinweis nehmen lassen, dass nur Mitglieder der Tierärztekammern Adressat von Verpflichtungs- und Untersagungsverfügungen sein können. Ein Einschreiten gegen die GmbH erscheine nicht möglich, da die Praxisgesellschaft nicht Mitglied der Kammer werde.

Fazit

Es erscheint schwierig, eine als GmbH ausgestaltete Tierarztpraxis, deren Kapitalmehrheit bei kammerfremden Personen liegt, mit den Grundsätzen des Tierarztes als „freiem Beruf“ in Einklang zu bringen. Die GmbH ist von Gesetzes wegen ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen. Sofern das gesamte Gesellschaftsvermögen bei Fremdinvestoren liegt, die keine Tierärzte sind, besteht ein Risiko insbesondere für die Freiberuflichkeit. Der Ausschluss von nicht tierärztlichen Personen soll der Sicherung und Aufrechterhaltung der Qualität tierärztlicher Leistungen dienen, die sich ausschließlich an den medizinischen Erfordernissen der Heilbehandlung orientieren sollen. Dies erscheint problematisch, wenn – wie bei der GmbH – die Gewinnerzielung im Vordergrund steht. Es besteht das Risiko, dass Behandlungen empfohlen werden, die medizinisch nicht notwendig, aber äußerst gewinnerträglich sind. Auch wenn regelhaft die Geschäftsführung einer solchen GmbH bei einem Tierarzt liegt, ist dieser dennoch weisungsgebunden und kann sich nicht über Gesellschafterbeschlüsse hinwegsetzen. Auch kann er regelhaft abberufen werden. Dennoch ist das Europarecht zu beachten. Vor dem Hintergrund der europarechtlichen Entscheidung ist es nicht möglich, Fremdinvestoren gänzlich vom Gesellschaftsvermögen auszuschließen. Die weitere Rechtsprechung zu diesem Thema bleibt abzuwarten.