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Lebensalter, Fütterung und Umweltfaktoren beeinflussen die Darmflora.
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Lebensalter, Fütterung und Umweltfaktoren beeinflussen die Darmflora.

Inhaltsverzeichnis

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Bakteriengemeinschaft

Was passiert, wenn die komplexe bakterielle Lebensgemeinschaft aus dem Gleichgewicht gerät? Die Rolle des Darmmikrobioms bei Krankheiten und Behandlungsstrategien bei Dysbiose.

Einleitung

Das Darmmikrobiom setzt sich aus Bakterien, Archaeen, Viren und eukaryotischen Organismen zusammen, die im Gastrointestinaltrakt leben und mit dem Wirt in einer Symbiose verbunden sind. Die mikrobielle Gemeinschaft des Darms unterstützt den Metabolismus, schützt gegen Pathogene und bildet das Immunsystem mit aus. Das Mikrobiom wirkt direkt oder indirekt auf die meisten unserer physiologischen Funktionen.

Das Mikrobiom bei gesunden Hunden

Die Gesamtmenge der Mikroorganismen des Gastrointestinaltrakts wird auf 1012 bis 1014 geschätzt. Die Anzahl und die Vielfalt der Bakterien nehmen entlang des Darmtrakts zu. Die meisten dieser Bakterien gehören zu den Stämmen Firmicutes, Fusobacteria, Bacteroidetes, Proteobacteria und Actinabacteria. Das Vorkommen der Bakterien variiert entlang des Gastrointestinaltrakts, in Kotproben von Hunden sind jedoch die meisten relevanten Bakterien enthalten. Bestimmte Bakterienspezies der Stämme Firmicutes, Fusobacteria und Bacteroidetes finden sich durchweg in den Proben gesunder Hunde. Dazu gehören Clostridia, Bacilli, darunter fast ausschließlich Lactobacillales, und Erysipelotrichi, Prevotella und Bacteroides.


Top Job:


Lebensalter, Fütterung und Umweltfaktoren beeinflussen die Darmflora. Vor allem die Zusammensetzung der Makronährstoffe wirkt sich auf das Mikrobiom aus. Ob ein Makronährstoff tierischen oder pflanzlichen Ursprungs ist, scheint keinen signifikanten Unterschied zu machen.

Die Besiedelung des Darms mit Bakterien beginnt bereits bei der Geburt mit Bakterien der Mutter. Das Mikrobiom säugender Welpen unterscheidet sich von dem erwachsener Hunde. Mit dem Absetzen entwickelt sich die typische Darmflora adulter Hunde. Bei vielen Tierarten und beim Menschen bleibt dieses Mikrobiom über lange Zeit stabil. Obwohl es keine Studien dazu gibt, ist es wahrscheinlich, dass es auch bei gesunden erwachsenen Hunden stabil bleibt. Bei untersuchten Spezies nimmt die mikrobielle Diversität im Alter jedoch wieder ab. In Studien konnte gezeigt werden, dass der Verlust der mikrobiellen Diversität mit einer reduzierten körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit assoziiert ist. Darüber hinaus scheint es einen Zusammenhang zwischen stabilem Darmmikrobiom und gesundem Altern zu geben scheint.

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Das Mikrobiom bei Krankheiten

Viele Krankheiten, sowohl systemische oder als auch lokale, gehen mit einer Dysbiose einher. Gastrointestinale Krankheiten stehen am offensichtlichsten im Zusammenhang mit einem Ungleichgewicht der Darmflora. Systemische Krankheiten, bei denen eine Dysbiose vorkommt, sind zum Beispiel Fettleibigkeit, Krebs, metabolische und neurologische Krankheiten.

Der Anstieg von Enterobacteriaceae im Mikrobiom ist ein Marker für eine Dysbiose. Es wird angenommen, dass Sauerstoff für die Vermehrung dieser Bakterien verantwortlich ist. Bei einer erhöhten Darmpermeabilität, die bei Entzündungen vorkommt, steigt der Gehalt an freiem Sauerstoff im Darm. Dies wirkt sich ungünstig auf die strikten Anaerobier des Mikrobioms aus, die fakultativ anaeroben Enterobacteriaceae können sich hingegen vermehren.

Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflusst die Immunfunktion und Regulation der lokalen Antikörperproduktion. Eine Dysbiose und eine Entzündung des Darms können sich außerdem auf den Gallensäurenmetabolismus auswirken, wodurch intestinale Entzündungsreaktion weiter stimuliert wird.

Bei einer akuten unkomplizierten Diarrhoe entwickeln Hunde eine starke Dysbiose mit einer Abnahme von Bakterien wie Blautia spp., Ruminococcus spp. und Faecalibacterium prausnitzii, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, und einer Zunahme von Clostridium spp. Die mikrobielle Vielfalt ist reduziert und das Mikrobiom unterscheidet sich deutlich von dem gesunder Hunde. Trotz der milden klinischen Präsentation sind bei einer akuten Diarrhoe neben den kurzkettigen Fettsäuren im Darm auch Metaboliten im Blut und im Urin verändert. Die Darmerkrankung scheint den gesamten Metabolismus zu beeinflussen.

Ähnliche Veränderungen im Mikrobiom wurden bei Hunden mit einer hämorrhagischen Gastroenteritis gefunden, wobei das netF-Toxin von Clostridium perfringens vermutlich an der Entstehung der nekrotisierenden Läsionen beteiligt ist. Eine andere Clostridienart, Clostridium difficile, die in der Humanmedizin eine große Rolle spielt, vermehrt sich auch bei Hunden bei einer Gastroenteritis. Ob dies eine klinische Bedeutung hat, ist noch nicht bekannt.

Einige dieser Veränderungen treten auch bei chronischen Darmerkrankungen auf. Alle Hunde mit chronischen Darmerkrankungen weisen ein ähnliches dysbiotisches Darmmikrobiom auf. So kommt es zu einer deutlichen Abnahme der bakteriellen Diversität, einer Reduktion der Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren bilden, und zu einer Zunahme von Gamma-Proteobacteria wie den Enterobacteriaceae. Auch Veränderungen bei Aminosäuren wie Tryptophan wurden beobachtet. Bei Hunden mit einer Futtermittel-responsiven Diarrhoe erholt sich das Darmmikrobiom nach einer Futterumstellung. Bei einer IBD ist dies trotz klinischer Besserung unter immunsuppressiver Therapie nicht immer der Fall.

Behandlungsstrategien und ihr Einfluss auf das Mikrobiom

Die Beeinflussung des Mikrobioms ist oft Teil der Behandlung gastrointestinaler Erkrankungen. Entweder können bestimmte Bakterien durch Antibiotika eliminiert oder durch Prä- oder Probiotika gefördert werden. Die Beeinflussung einer solch komplexen Bakteriengemeinschaft ist nicht einfach und oft mit gemischten Resultaten verbunden. Der Einsatz von Antibiotika bei akuten und chronischen Darmerkrankungen brachte in Studien keinen Vorteil gegenüber einer Behandlung ohne Antibiotika. Diese sollten daher nicht routinemäßig eingesetzt werden. Antibiotika führen zu einer schnellen und deutlichen Reduktion der Darmbakterien und der Diversität und können eine Dysbiose verursachen. Nach der Behandlung erholen sich die Darmbakterien, aber die ursprüngliche Zusammensetzung wird selten erreicht.

Aufgrund dessen wird Prä- und Probiotika wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Präbiotika sind unverdauliche Futterbestandteile, die die Vermehrung nützlicher Bakterien unterstützen. Dazu gehören beispielsweise Rübenschnitzel, Kartoffelfasern und Sojabohnenschalen. Mit Probiotika werden dem Darm lebende Bakterien zugeführt. Probiotische Bakterien sind gewöhnlich nicht in der Lage, den Darm dauerhaft zu kolonisieren, nach der Behandlung nimmt ihre Anzahl wieder ab. Sie können aber dennoch nützlich sein, indem sie Metaboliten und antimikrobielle Peptide produzieren und so die lokalen Mikrobiotika modifizieren und mit dem Immunsystem des Wirts interagieren.

Prä- und Probiotika sind allein oder als kombinierte Präparate erhältlich. Die jeweiligen Produkte verändern die Zusammensetzung des Mikrobioms in unterschiedlicher Weise. Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass ein Produkt einem anderen überlegen wäre.

Ein interessanter Therapieansatz ist die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT). Dabei wird fäkales Material eines gesunden Spenders meist endoskopisch übertragen. In einer Studie mit an Parvovirose erkrankten Welpen erholten sich die jungen Hunde schneller mit der FMT als mit einer Standardbehandlung. Diese Behandlungsmöglichkeit sollte für Hunde weiter erforscht werden.

Schlussfolgerung

Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms steht in Verbindung mit der gesamten Gesundheit. Bei Krankheiten des Gastrointestinaltrakts sollte immer auch an eine Dysbiose gedacht werden. Die klinische Erholung stimmt nicht immer mit der Erholung der Mikrobiotika überein. Langzeitfolgen einer solch anhaltenden Veränderung des Darmmikrobioms sind bisher unbekannt. 

Originalpublikation

Pila R, Suchodolski JS (2020): The Role of the Canine Gut Microbiome and Metabolome in Health and Gastrointestinal Disease. Front Vet Sci 6: 498. doi.org/10.3389/fvets.2019.00498.

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