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Bei  der Mäusejagd: Sekundäre Intoxikationen sind möglich.
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Bei der Mäusejagd: Sekundäre Intoxikationen mit alpha-Chloralose sind möglich.

Rodentizide

Alpha-Chloralose-Intoxikation bei Katzen

Freigänger und Mäusejäger haben ein besonders hohes Risiko für eine Vergiftung mit alpha-Chloralose-haltigen Rodentiziden.

  • Seit Ende 2018 haben alpha-Chloralose-Vergiftungen bei Haustieren stark zugenommen. Inzwischen liegen Fallberichte aus Skandinavien und den Niederlanden vor.
  • Katzen können sich nicht nur durch das Fressen von Ködern, sondern auch sekundär bei der Mäusejagd vergiften.
  • Alpha-Chloralose löst neurologische Symptome unterschiedlichen Schweregrads aus. Eine Hypothermie war in den neuen Publikationen teilweise seltener als in der Literatur berichtet; Normothermie schließt eine alpha-Chloralose-Vergiftung nicht aus.
  • Die Therapie ist unterstützend/symptomatisch. Bei rechtzeitiger Behandlung ist die Prognose selbst bei schwerer Symptomatik / einer hohen aufgenommen Dosis sehr gut.

Alpha-Chloralose ist ein Rodentizid und ein Anästhetikum für Labortiere. Seit Ende 2018/Anfang 2019 kam es in mehreren Ländern Europas zu einer deutlichen Zunahme der alpha-Chloralose-Intoxikationen bei Hunden und in erster Linie Katzen. Auch in Deutschland wurde über einen Anstieg der Vergiftungsfälle berichtet; die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. und der Bundesverband praktizierender Tierärzte e.V. veröffentlichten im März 2022 ein Infoblatt zu alpha-Chloralose-Vergiftungen.

Der Anstieg könnte damit zusammenhängen, dass seit diesem Zeitpunkt auch Rodentizide mit Antikoagulanzien der 1. Generation wie Warfarin nur noch durch berufsmäßige Verwender mit Sachkunde angewendet werden dürfen. Alpha-Chloralose-haltige Köder waren hingegen frei verkäuflich – und sind es in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt noch immer.

In der Literatur fanden sich bisher nur wenige Fallberichte zu Intoxikationen von Haustieren. Segev et al. hatten 2006 retrospektiv über 33 Hunde und 13 Katzen mit alpha-Chloralose-Intoxikation berichtet. Nun liegen Publikationen einer Arbeitsgruppe der Schwedischen Universität Uppsala sowie des niederländischen Giftinformationszentrums vor, die zahlreiche weitere Fälle beschreiben.


Top Job:


Fallberichte aus Skandinavien und den Niederlanden

Die schwedischen Forschenden um Ulrike Windahl haben eine quantitative Nachweismethode für alpha-Chloralose in Blutproben von Katzen entwickelt. Sie publizierten zum einen eine retrospektive Studie zu Fällen aus der eigenen Klinik (Tegner et al. 2022). Bei 25 Katzen, die Ende 2019 bis Anfang 2020 mit Verdacht auf alpha-Chloralose-Vergiftung vorgestellt wurden, wurde das Toxin im Serum bestimmt. Zusätzlich wurden weitere 78 Fälle von Katzen mit klinischem Verdacht auf alpha-Chloralose-Intoxikation ausgewertet, die seit Januar 2014 in der Klinik behandelt worden waren.

Zum anderen veröffentlichten die schwedischen Forschenden eine prospektive Studie (Windahl et al. 2022), für welche behandelnde Tierärztinnen und Tierärzte aus Kliniken in Finnland, Norwegen und Schweden von Juli 2020 bis März 2021 Fragebögen zu Katzen mit Verdacht auf alpha-Chloralose-Vergiftung ausfüllten und Serum einsandten, in dem das Toxin nachgewiesen werden konnte (59 Patienten). Zusätzlich wurden während einer Schadnagerbekämpfung die Köderaufnahme und die in den Mäusen enthaltene alpha-Chloralose-Menge bestimmt.

Marieke Dijkman und Kollegen aus den Niederlanden publizierte Informationen zum klinischen Verlauf der zwischen 2018 und 2021 von Tierärzten an die dortigen Behörden gemeldeten Vergiftungsfälle. 96 Hunde und 19 Katzen hatten Köder mit alpha-Chloralose aufgenommen. Weitere 22 Katzen wurden mit den Anzeichen einer alpha-Chloralose-Vergiftung vorgestellt, ohne dass eine Köderaufnahme bekannt war. Laboruntersuchungen auf das Toxin wurden in dieser Studie nicht durchgeführt.

Die Daten bestätigen die Zunahme an Vergiftungsfällen: Die Anfragen zu alpha-Chloralose beim niederländischen Giftinformationszentrum stiegen ab 2018 steil an. Die retrospektive Studie aus Uppsala, welche die Jahre ab 2014 miteinbezieht, zeigt ebenso einen steilen Anstieg der Fallzahl. Von 2014 bis 2017 kamen pro Jahr zwei bis vier Fälle in die kleine Tierklinik, 2018 waren es sieben, 2019 dann 74 Fälle.

Primäre und sekundäre Intoxikation möglich

Vergiftungen scheinen insbesondere in der kälteren Jahreszeit aufzutreten: Die retrospektiven Daten aus Uppsala zeigen im Studienzeitraum seit 2014 eine Häufung der Fälle von September bis April. Katzen und Hunde können alpha-Chloralose zum einen direkt aufnehmen, indem sie ausgelegte Köder fressen. In der niederländischen Studie wurde von einer bestätigten Vergiftung ausgegangen, wenn die Besitzer über eine Köderaufnahme berichteten oder Reste im Erbrochenen nachgewiesen werden konnten. Die Autoren erwähnen, dass zwar Köder, aber keine Plastikreste gefunden wurden, sodass davon auszugehen ist, dass die Köder nicht in den dafür vorgesehenen Boxen ausgelegt wurden.

Auch in der retrospektiven schwedischen Studie war eine Köderaufnahme bei manchen Tieren beobachtet worden. Bei vielen Katzen aber war dazu nichts bekannt, die Besitzer berichteten hingegen teilweise, dass Nagetiere gefressen wurden. In einigen Fällen wurden auch Überreste der Beute im Röntgenbild oder im Erbrochenen festgestellt. 

Die Ergebnisse der prospektiven Studie weisen deutlich darauf hin, dass eine sekundäre Intoxikation von Katzen tatsächlich möglich ist: Die Forschenden konnten in Mäusen nach der Köderaufnahme alpha-Chloralose in Konzentrationen zwischen 33 und 106 mg nachgewiesen; im Mittel enthielt eine Maus 61 mg. In der Literatur wird für Katzen eine letale Dosis von 100 mg/kg alpha-Chloralose angegeben. Zudem waren in fast allen in der Studie erfassten Fällen von alpha-Chloralose-Vergiftung (96 Prozent) die betroffenen Katzen entweder bekannte Jäger oder es wurde kurz vor Symptombeginn eine Maus gefressen.

Symptome und Diagnose der alpha-Chloralose-Vergiftung

Alpha-Chloralose löst neurologische Symptome aus, und zwar sowohl Exzitationen als auch Benommenheit bzw. komatöse Zustände – teilweise alternierend wie Dijkman et al. berichten. Beobachtet wurden Tremor, Myoklonien, Hyperästhesie, Desorientierung und Ruhelosigkeit, Miosis oder generalisierte Anfälle. Auf der anderen Seite traten Ataxie, Bradykardie, Mydriasis und Stupor bzw. Koma auf.

Segev et al. beobachteten 2006 Hypothermie als charakteristisches Symptom bei 90,9 Prozent der Patienten. Dijkman et al. berichten von einer erniedrigten Körpertemperatur bei 58 Prozent der Katzen mit bestätigter Köderaufnahme und 72 Prozent der Verdachtsfälle. Im Patientengut der schwedischen Studie trat Hypothermie hingegen bei nur 40 Prozent der Patienten auf, sodass die Forschenden betonen, dass eine alpha-Chloralose-Intoxikation bei Normothermie keinesfalls ausgeschlossen werden sollte.

Insgesamt war die Symptomatik im Patientengut aus Uppsala weniger schwerwiegend, die häufigsten Symptome waren Ataxie, Tremor, Kopfnerven-Defizite und Hyperästhesie. Bei Segev et al. waren weit mehr Patienten im Koma oder mit Krampfanfällen präsentiert worden. Möglicherweise wurden die Patienten in Uppsala früher hospitalisiert, weil bereits eine Sensibilisierung der Tierhalter für alpha-Chloralose-Vergiftungen stattgefunden hatte.

Ein toxikologischer Nachweis von alpha-Chloralose ist grundsätzlich möglich. Windahl et al. konnten seit Ende 2019 alpha-Chloralose per Massenspektrometrie nachweisen. Die Daten zeigen: Die klinische Diagnose korreliert bei gesunden Freigängern, die bekanntermaßen jagen bzw. mit einer Maus beobachtet wurden, sehr gut mit dem toxikologischen Nachweis.

Therapie und Prognose

Ein Antidot für alpha-Chloralose existiert nicht, die Therapie ist daher rein unterstützend. Wesentlich scheinen das Monitoring, das Aufrechterhalten der Normothermie sowie bei Exzitationen eine reizarme Umgebung und ggf. eine krampflösende Medikation zu sein. Segev et al. raten bei Antikonvulsiva zu kurzwirksamen Wirkstoffen, damit in einer eventuellen späteren Phase der ZNS-Depression die Dämpfung nicht zusätzlich durch vorab verabreichte Medikamente verstärkt wird.

Wie bei der Schwere der Symptome gab es auch bei der Mortalität Unterschiede: Bei Segev et al. verstarben zwei von 13 Katzen (ca. 15 Prozent), in der niederländischen Studienpopulation lag die Mortalität bei 18 Prozent (bestätigte Köderaufnahme) bzw. fünf Prozent (Verdachtsfälle). In der retrospektiven Studie aus Uppsala überlebten hingegen alle Tiere. Die Hospitalisierungsdauer betrug diesen Fällen weniger als 48 Stunden, unabhängig vom Schweregrad der ursprünglichen Symptome. Tegner et al. betonen daher, dass die Prognose einer alpha-Chloralose-Vergiftung bei rechtzeitiger Behandlung exzellent ist. Auch Tiere mit schwersten Symptomen können sich in verhältnismäßig kurzer Zeit erholen.

 Windahl et al. maßen in der prospektiven Studie alpha-Chloralose-Konzentrationen im Serum von 127 bis 70 100 ng/ml. Die Angaben auf den Fragebögen legen nahe, dass nicht einmal die höchsten gemessenen Konzentration als zwingend letal angesehen werden können.  

Originalpublikationen

Dijkman MA, Robben JH, van Riel AJHP, de Lange DW (2022): Evidence of a sudden increase in α-chloralose poisoning in dogs and cats in the Netherlands between 2018 and 2021. Vet Record doi.org/10.1002/vetr.2342

Segev G, Yas-Natan E, Shlosberg A, Aroch I (2006): Alpha-chloralose poisoning in dogs and cats: A retrospective study of 33 canine and 13 feline confirmed cases. The Vet J 172, doi.org/10.1016/j.tvjl.2005.02.030

Tegner C, Lundgren S, Dreimanis K, Aberg AT, Windahl U (2022): Alpha-chloralose poisoning in cats: clinical findings in 25 confirmed and 78 suspected cases. J Feline Med Surg 24: e324-e329. doi.org/10.1177/1098612X221107787

Windahl U, Aberg AT, Kryuchkov F, Lundgren S, Tegner C et al. (2022): Alpha-chloralose poisoning in cats in three Nordic countries - the importance of secondary poisoning . BMC Vet Res 18, 334. doi.org/10.1186/s12917-022-03370-w

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