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Eine Alpaka-Herde: In Deutschland längst kein seltener Anblick mehr.
Foto: Henrik Wagner
Eine Alpaka-Herde: In Deutschland längst kein seltener Anblick mehr.

DVG Stellungnahme

Rindertuberkulose: Überwachung bei Neuweltkamelen

Wenig Daten und unzuverlässige Diagnostik: Die Tuberkulose-Überwachung bei Alpaka und Lama ist bisher lückenhaft.

Eine Stellungnahme der DVG Fachgruppe Kleine Wiederkäuer und Neuweltkamele beleuchtet die aktuelle Situation der Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis Komplex, MTC) bei Lamas und Alpakas in Deutschland.

Rindertuberkulose ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Deutschlands Rinderbestände sind seit 1997 amtlich anerkannt frei von Tuberkulose. Es wird auf flächendeckende Bestandsuntersuchungen (Tuberkulinisierung) der Rinder verzichtet, der Freiheitsstatus wird durch routinemäßige Kontrollen im Rahmen der Schlachttier- und Fleischuntersuchung erhalten. 

Keine Daten zu Neuweltkamelen


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Neben Rindern sind auch Neuweltkamele empfänglich für MTC, sie können die Tuberkulose auch verbreiten. Dennoch wurden diese Tiere als „seltene Exoten“ in der Überwachung bisher nicht berücksichtigt – tatsächlich gibt es im Tierseuchen-Nachrichtensystem nicht einmal die Möglichkeit, Lamas oder Alpakas als Tierart auszuwählen. Die Folge: Daten zu Tuberkulosefällen bei Neuweltkamelen liegen nicht vor, nicht einmal die konkrete Anzahl der in Deutschland lebenden Kameliden ist offiziell zu ermitteln. Dabei sind Neuweltkamele in Mitteleuropa inzwischen längst kein seltener Anblick mehr. Halter- und Zuchtverbände gehen von 30.000 bis 35.000 Tieren in Deutschland aus. Im Rahmen der Zucht werden zudem regelmäßig Neuweltkamele ex- und aus anderen Ländern importiert.

Die Situation hat sich insofern verbessert, als das europäische Tierseuchenrecht die Spezies nun berücksichtigt. Die delegierte Verordnung 2020/688 zum Animal Health Law (VO [EU] 2016/429) schreibt für Kameliden, die in andere Mitgliedsstaaten verbracht werden und ihre Bestände die Teilnehme an einem Tuberkulose-Überwachungsprogramm vor. Als Überwachungsmaßnahmen vorgeschrieben sind:

  • Fleischuntersuchung aller geschlachteten Kameliden
  • Nekropsie aller Falltiere (älter als neun Monate)
  • jährlicher Tierarztbesuch
  • jährliche Tuberkulinisierung der Zuchttiere

Auf die jährliche Untersuchung der Zuchttiere kann in einem Mitgliedsstaat wie Deutschland, dessen Rinderbestand als frei von Tuberkulose gilt, verzichtet werden, wenn 

  • das Infektionsrisiko als vernachlässigbar eingestuft und
  • das Überwachungsprogramm seit mindestens 24 Monaten durchgeführt wurde.

Tuberkulose-Tests bei Neuweltkamelen nicht zuverlässig

Die EU schreibt als Testverfahren einen Intrakutan-Hauttest und eine serologische Untersuchung vor. Beide sind in Deutschland nicht für Neuweltkamele validiert und nicht zugelassen. Laut Europäischer Kommission ist die alleinige Anwendung des Intrakutan-Hauttests zulässig, eine Umwidmung ist möglich. Aber: Aus der Literatur ist bekannt, dass beide Testsysteme zu häufig falsch negativ testen, also erkrankte Tiere übersehen.

Momentan sind die Mitglieder der Fachgruppe dennoch nicht allzu besorgt: „Viele Halter von Neuweltkameliden in Deutschland geben ihre Tiere freiwillig zur Abklärung der Todesursache in die Pathologie. Bei einer hohen Prävalenz wären schon in den letzten Jahren positive Fälle gemeldet worden. Dies ist aber nicht der Fall.“ Dennoch empfehlen die Experten dringend, die Entwicklung zuverlässiger Diagnosemethoden finanziell zu fördern.

Praxishandbuch Neuweltkamele

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Empfehlung der Experten: Daten erheben und zuverlässigen Test entwickeln

Da die Tests derzeit nicht zuverlässig sind, sollten alle verendeten, geschlachteten oder getöteten Neuweltkameliden einer verpflichtenden Sektion unterzogen werden. So würde man zuverlässige Daten zur Prävalenz erhalten und eine Risikobewertung wäre möglich. Tier- und Schlachtzahlen sollten nach Meinung der Experten erfasst und der Tierartenkatalog im Tierseuchen-Nachrichtensystem überarbeitet werden.

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