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Hitzestress bei Milchkühen

Kühe gelten als Mitverursacher des Klimawandels. Doch sie leiden auch selbst unter den steigenden Temperaturen. Eine aktuelle Literaturübersicht fasst die bisherigen Kenntnisse zusammen und zeigt, wie einseitig und lückenhaft das Hitzeproblem bisher bearbeitet wird.

Was ist wesentlich?
Wirtschaftliche Verluste durch Hitzestress in der Nutztierhaltung belaufen sich allein in den USA auf jährlich ein bis zwei Milliarden Dollar. Eine Anpassung der Nutztierhaltung an das „Klima der Zukunft“ scheint dringend geboten. Aber wo anfangen? Was sind die relevanten Stellschrauben? Wo steht die Wissenschaft eigentlich? Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die sich mit den Auswirkungen von Hitze auf Leistungsparameter bei Milchkühen befassen. Die vorliegende Literaturübersicht stellt die Wissenslücken heraus, die geschlossen werden müssen, um notwendige Änderungen in der Milchviehhaltung unter veränderten Klimabedingungen fundiert anzugehen.

Es fehlt an allen Ecken und Enden
Die Autoren ordnen die publizierten Studien in ein dreigliedriges System zur Beurteilung des Tierwohls ein, das sich auf (a) biologische Funktionen/ Gesundheit, (b) Gefühlszustände und (c) die Möglichkeit zur Ausprägung der natürlichen Verhaltensweisen stützt. Die Mehrzahl der vorliegenden Publikationen befasst sich mit biologischen Funktionen. Häufig werden Plasmakortisol, Herzfrequenz und Atemfrequenz untersucht, der Rückgang von Milchleistung und Fruchtbarkeit quantifiziert und Betriebsschäden durch Tierverluste berechnet. Breiter angelegte Untersuchungen, die das Tierwohl ins Zentrum rücken, sucht man nahezu vergebens: Weder zu den Gefühlszuständen (Hunger, Durst, Schmerzen, Frustration und Aggression durch fehlende Abkühlung) noch zum natürlichen Verhalten (hier insbesondere Anpassungsleistungen an ungünstige klimatische Bedingungen) ist die Datenlage zufriedenstellend.

Fazit
Auf dieser löchrigen Datenbasis ist es schier unmöglich, Methoden zu entwickeln, um die Haltungsbedingungen bedarfsgerecht anzupassen. Die Autoren meinen, dass unsere Milchkühe als Bos taurus erheblich schlechter an heiße Klimate angepasst sind als Bos indicus und darüber nachgedacht werden muss, künftig auf hitzeresistentere Rassen umzusteigen. Man darf aber vermuten, dass vor diesem drastischen Schritt noch eine Menge „kleinerer“ Maßnahmen möglich wären, um mit den vorhandenen Rassen weiterzuarbeiten. Nur müsste die Wissenschaft endlich klären, worauf es dabei ankommt.

Originalpublikation:
Polsky L, von Keyserlingk MAG (2017): Invited review: Effects of heat stress on dairy cattle welfare. J Dairy Sci 100: 8645–8657.
DOI 10.3168/jds.2017-12651.

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