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Wie funktioniert Bewegung? FluoKin ermöglicht präzise Studien.
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Wie funktioniert Bewegung? FluoKin ermöglicht präzise Studien.

Der Praktische Tierarzt

Forschung in Bewegung

Vom Tier in Bewegung zur 3D-Animation: Wie Hochfrequenz-Fluoreszenz-­Kinematografie (FluoKin) präzise Bewegungsstudien ermöglicht.

Von Franziska C. Wagner

Wie funktioniert Bewegung? Forschende der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig widmen sich Fragestellungen rund um energieeffiziente Fortbewegung, Gelenkskinematik, Beeinflussung der Zehenstellung und Klauengesundheit durch verschiedene Untergründe oder Hufbeschläge. Dafür steht ihnen der Goldstandard der Bewegungsanalyse zur Verfügung: die biplanare Hochfrequenz-Fluoreszenz-Kinematografie (FluoKin).

Was ist FluoKin?

Die Methodik basiert auf einer Röntgentechnik, die für statische Untersuchungen 1983 von Göran Selvik an der Universität in Lund, Schweden, beschrieben und 2010 von der amerikanischen Arbeitsgruppe um Elisabeth Brainerd als „X-ray of Moving Morphology (XROMM)“ für dynamische Messungen substanziell weiterentwickelt wurde. Die Leipziger FluoKin-Anlage nutzt diese Technik, indem sie zwei Röntgensysteme mit Fluoroskopen verknüpft und simultane Röntgenvideos aus zwei Raumrichtungen (biplanar) ermöglicht. Die Röntgengeräte können bis zu sechs Sekunden kontinuierlich Strahlung aussenden, sodass im überlappenden Strahlungsfeld Bewegungsaufnahmen ermöglicht werden. Diese sind durch die biplanare Anordnung der Geräte räumlich hochpräzise und zudem durch die Nutzung von Hochfrequenz-Kameras auch zeitlich mit bis zu 500 Bildern pro Sekunde sehr hoch auflösbar. Da die Geräte in allen drei Raumrichtungen flexibel justierbar sind, können Untersuchungen von Klein(st)- bis zu Großtieren realisiert werden.


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Die Technik dahinter

Die entstehenden Röntgenvideos sind per se ein Schattentheater. Um die Bewegungen des Tieres nachzuvollziehen und zu analysieren, müssen die Röntgenvideos mit einem virtuellen 3D-Modell der Untersuchungsregion zusammengebracht werden. Das kann aus einer Computertomografie, Magnetresonanztomografie oder einem Laserscan entstehen. Ziel ist es, dem 3D-Modell gewissermaßen „beizubringen“, sich so zu bewegen wie das Schattentheater der Röntgenvideos. Dies kann mit oder ohne in das Gewebe implantierte, röntgendichte Marker geschehen. Als Marker werden meist kleine Tantalkugeln verwendet (0,8–1,6 mm Durchmesser), da das Metall bio-inert ist, nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird und somit reaktionslos ein Leben lang im Tier verbleiben kann. Je nach Studienfrage wird entschieden, ob markerlos mit den Röntgensilhouetten und damit nichtinvasiv oder markerbasiert mit definierten „Punkten“ im Röntgenschatten und dadurch mit höherer Präzision gearbeitet wird. Je nach Untersuchungsregion und gewählter Analysemethode kann für markerlose Analysen eine Genauigkeit von bis zu 0,13 mm für Translations- und 0,28° für Rotationsbewegungen erreicht werden (Weiss et al. 2017, Geiger et al. 2018a). Die höchst mögliche Genauigkeit unter Nutzung von implantierten Markern beträgt für statische Aufnahmen 0,03 mm und für dynamische Messungen 0,04 mm (Wagner et al. 2021a).

„Bewegte“ Forschung in der Tiermedizin

Bisherige Projekte der Leipziger Arbeitsgruppe thematisierten verschiedene Fragen rund um die Gliedmaßenkinematik. So konnte der Einfluss verschiedener Hufbeschläge auf die Winkelung der Interphalangealgelenke beim Pferd geklärt werden (Geiger et al. 2018b). An der equinen oberflächlichen Beugesehne wurden in einem Langzeitprojekt die Dehnungseigenschaften der gesunden, verletzten und heilenden Sehne im Vergleich zu Ultraschallbefunden untersucht (Wagner et al. 2021b). Bei Rindern konnte der Einfluss verschiedener Böden auf die Winkelung der Zehengelenke beschrieben werden (Weiss et al. 2017).

Projekte mit Hunden beschäftigten sich mit dem Ellbogen- und dem Kniegelenk. Es wurde erkannt, dass bei Ellbogendysplasien keine erhöhte radioulnare Bewegung vorliegt, sondern eine verstärkte Rotation des Humerus, was einen konzentrierten Kontakt mit dem medialen Coronoid zur Folge hat (Rohwedder et al. 2017, 2018). Im Rahmen zweier Dissertationen zu vorderen Kreuzbandrupturen wurden zwei OP-Methoden verglichen: Bei dem Tibial Tuberosity Advancement (TTA) besteht bei 73,3 % der Patienten post-OP weiterhin eine Instabilität im Kniegelenk, wohingegen bei einer Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO) bei 75,7 % der Patienten eine Gelenksstabilität erreicht werden konnte.

Gemeinsam mit einer zoologischen Arbeitsgruppe der Humboldt-Universität Berlin konnte die Kinematik von Ameisenbären beim Balancieren, Klettern und Laufen studiert werden. Anders als bisher angenommen verfügen diese Säugetiere über eine Reihe von Bewegungsmustern, wie sie eher bei Alligatoren oder Skinken zu sehen sind (Scheidt et al. 2022).

Vielversprechende Zukunft

Aktuelle, noch laufende Projekte fokussieren die Kinematik der equinen Halswirbelsäule, die Kau-Kinematik bei Ponys und den Bewegungsumfang des kaninen Kreuz-Darmbein-Gelenks. Im Rahmen der Graduiertengruppe „Integrated Research in Biomechanics“ (InteReBio) wird nun auch das menschliche Fußgewölbe aus sportwissenschaftlicher Sicht untersucht. Dank einer Großgeräteförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus kann die Leipziger FluoKin-Anlage auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Die Strahlenbelastung wird weiter minimiert und eine vereinfachte Kopplung mit zusätzlicher Messtechnik ermöglicht. Gerade in Orthopädie und Neurologie besteht großer Forschungsbedarf rund um Kinematik.

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