Von Prof. Dr. Achim Gruber
Die hier dokumentierte Faltohrkatze (Scottish-Fold-Variante) wurde im August 2023 als Findling im Tierheim Berlin abgegeben. Die höchstens wenige Monate alte Katze ließ neben dem eindeutigen Faltohr-Phänotyp deutliche Vergrößerungen aller Pfoten sowie schwere Bewegungsstörungen, besonders in der Hinterhand, erkennen. Das junge Tier wollte sich nur ungern fortbewegen und zeigte ein schmerzhaftes Gangbild mit klagenden Lautäußerungen. Röntgenuntersuchungen des Skeletts offenbarten eine ungewöhnlich schwere, chronische, destruktive und proliferative Poly-Osteoarthritis, betont ausgeprägt an allen Füßen sowie der Wirbelsäule, speziell im mittleren Schwanzbereich (siehe Röntgenbilder). Das Tier wurde aus Tierschutzgründen mit aussichtsloser Prognose euthanasiert.
Defekt der Knorpelbildung
Die nach vorne gefalteten und verkleinerten Ohren entstehen infolge eines genetisch bedingten, bewusst angezüchteten Defekts der Knorpelbildung als gewünschtes Leitbild dieser Katzen. Derselbe Gendefekt führt gleichzeitig zu einem deutlich erhöhten Risiko für die hier dargestellten Gelenkerkrankungen durch eine Osteochondrodysplasie, die bei der Zucht in Kauf genommen wird. Sowohl die gewünschten Ohrendeformationen als auch die leidvollen Folgekomplikationen an Knochen und Gelenken können ebenso bei Kreuzungszuchten der eigentlichen Scottish-Fold-Katzen entstehen, etwa mit Britisch-Kurzhaar-Katzen.
Top Job:
Faltohrkatzen werden trotz Verbot häufiger
Die Zucht von Faltohrkatzen wurde in Deutschland zwar amtstierärztlich verboten (siehe Deutsches Tierärzteblatt 2019, 7: 67, S. 933), jedoch scheinen die Katzen weiter produziert und/oder importiert zu werden. „In letzter Zeit hat die Zahl der eingelieferten Faltohrkatzen stark zugenommen“, berichtet die leitende Tierärztin des Tierheims Berlin, Frau Karin Bartl. „Im Januar hatten wir eine arme Katze, die deshalb praktisch nur auf den Hinterextremitäten lief“ (siehe Berliner Tierfreund, 1/2023). Das herzzerreißende Schicksal dieser Findlingskatzen verdeutlicht einmal mehr das offenbar weiter bestehende Wegschauen, das Nichtwahrhabenwollen und das Darüberhinwegsetzen durch die Fans dieser Zuchtform. Eindeutig wird der so genannte Qualzuchtparagraf 11b des Tierschutzgesetzes auch hier nicht umgesetzt.
Leider sehen wir anhaltend ähnliche Fälle von vielen anderen Defektzuchten bei Hunden, Katzen und anderen Haus- und Heimtieren. Was muss noch passieren, damit solches Leid erst gar nicht mehr erzeugt wird?
- Buchtipp: Achim Gruber: Geschundene Gefährten: Über Irrwege in der Rassezucht und unsere Verantwortung für Hund und Katze. (2023) 21 Euro, 288 Seiten, Droemer HC, ISBN-10: 3426279088.
- Interview zum Buch: Rassezucht am Scheideweg
- Zum Weiterlesen: Extremzuchten bei Kleinsäugern, Reptilien und Vögeln