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Sau in Freilandhaltung mit Abferkelbuchten
Foto: Ursula Gerdes
Sau in Freilandhaltung mit Abferkelbuchten

ASP

Neue Leitlinien zur Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen

Expertengruppe präzisiert Bedingungen zur Haltung von Hausschweinen in ASP-Sperrzonen in Auslauf- und Freilandhaltungen.

Von der Expertengruppe zur Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen unter ASP-Bedingungen

Seit der erstmaligen Feststellung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland im September 2020 traten bei Wildschweinen bisher mehr als 5.500 Fälle in Teilen von Brandenburg (BB), Mecklenburg-Vorpommern (MV) und Sachsen auf. Zudem gab es bisher acht Ausbrüche in Hausschweinehaltungen in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Der wirtschaftliche Schaden für Schweinehalter – sofern sie von ASP-Sperrzonen betroffen sind – ist immens. Marktverwerfungen durch ASP-bedingte Exportbeschränkungen sind bis heute bundesweit spürbar. Die Empfehlungen der Europäischen Union (EU) sahen in der Vergangenheit ein generelles Verbot der Freilandhaltung und das Untersagen von Auslaufhaltungen in ASP-Sperrzonen vor. Dies wurde allerdings 2022/2023 mit dem Ziel überarbeitet, die Auslauf- und Freilandhaltung unter bestimmten Bedingungen in diesen Gebieten zu ermöglichen. Die Leitlinien zur Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen präzisieren nun in Deutschland, unter welchen Bedingungen diese Haltungsarten in Sperrzonen weiterhin möglich sind.

Bedeutung der Auslauf- und Freilandhaltung

Nach der Landwirtschaftszählung 2020 halten rund 7,5 % der Betriebe in Deutschland ihre Schweine in Haltungen „mit Zugang zu einem Auslauf“. Der Anteil an ökologisch gehaltenen Schweinen am gesamten Schweinebestand liegt bei knapp 1 % und der Anteil an Betrieben mit ökologischer Schweinehaltung an Schweine haltenden Betrieben insgesamt bei 4,9 %. Erzeugnisse aus Schweinefleisch dürfen nur mit „Bio“ oder „Öko“ ausgelobt werden, wenn sie nach geltendem EU-Öko-Rechtsrahmen zertifiziert sind. Darin wird neben konkreten Mindestflächenvorgaben für Innen- und Außenbereiche sowie Gestaltungsvorgaben für Freilandhaltungen unter anderem festgestellt, dass Freiland- bzw. Auslaufhaltung ein spezifischer Grundsatz der ökologischen Schweinefleischerzeugung ist. „Die Tiere müssen ständigen Zugang zu Freigelände – vorzugsweise zu Weideland – haben, auf dem sie sich bewegen können, wann immer die Witterungsbedingungen und jahreszeitlichen Bedingungen sowie der Zustand des Bodens dies erlauben. Es sei denn, es gelten mit dem EU-Recht im Einklang stehende Einschränkungen und Pflichten zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier.“ Abweichungen von den Mindestvorgaben zu den Auslaufflächen bzw. der maximal zulässigen Überdachung dieser Flächen bei der Ökoschweinehaltung sind daher bei behördlich angeordneten Tiergesundheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der ASP für einen begrenzten Zeitraum zulässig.


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Auch in konventionellen Betrieben wurde in den letzten Jahren viel an der Umstellung zu Haltungen mit zusätzlichem Auslauf geplant/gearbeitet. Entsprechende Programme/Labels, bei denen die Schweine verpflichtend Zugang zu Auslauf haben, werden zudem von Seiten der Verbraucher immer mehr gefordert.

Risiko für Auslauf- und Freilandhaltungen

Das Virus der ASP kann von Wildschweinen auf Hausschweine sowohl durch direkten als auch indirekten Kontakt übertragen werden. Die hohe Widerstandsfähigkeit des Erregers begünstigt die Übertragung beispielsweise durch rohe oder unzureichend erhitzte Schweinefleischprodukte, kontaminierte Futtermittel, Fahrzeuge, Kleidung und Werkzeuge. Grundsätzlich kann bei Hausschweinebeständen (insbesondere Klein- und nicht-kommerzielle Haltungen) in der Nähe ASP-infizierter Wildschweine in betroffenen europäischen Ländern von einem höheren Risiko eines ASP-Eintrags ausgegangen werden. Ursächlich sind in diesem Zusammenhang vor allem unzureichende Biosicherheitsmaßnahmen und menschliches Fehlverhalten zu nennen. Mit Blick auf die Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen galt daher auf Ebene der EU lange Zeit die Meinung, dass diese in ASP-Sperrzonen unzulässig sei. In den Jahren 2022/2023 erfolgte jedoch auf EU-Ebene diesbezüglich eine Neubewertung. Danach ist die Freiland- und Auslaufhaltung von Schweinen in ASP-Sperrzonen grundsätzlich vertretbar, sofern eine betriebsindividuelle Risikobewertung der zuständigen Veterinärbehörde nicht dagegenspricht und wirksame Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren auf dem Betrieb umgesetzt werden. Das Friedrich-Loeffler-­Institut (FLI) stuft in seiner „Qualitativen Risikobewertung zur Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest in Auslauf- und Freilandschweinehaltungen in Deutschland“ (Stand 29.08.2023) das Risiko eines ASP-Viruseintrags in diese Haltungsformen in ASP-Sperrzonen höher ein als bei geschlossener Stallhaltung. Grundsätzlich ist dennoch die Genehmigung der Freiland- und Auslaufhaltung von Schweinen aus Sicht des FLI vertretbar, soweit die Anforderungen der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) eingehalten und gegebenenfalls weitere Biosicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Nur unter dieser Bedingung kann das Risiko eines ASP-Eintrages auch in Freiland- und Auslaufhaltungen innerhalb der Sperrzonen II oder III (wenn auch Wildschweine betroffen sind) als vernachlässigbar eingestuft werden. Während Auslaufhaltungen anzeigepflichtig sind, handelt es sich bei Freilandhaltung um genehmigungspflichtige Haltungen nach der SchHaltHygV mit entsprechenden ordnungsrechtlichen Auflagen. Diese müssen den tiergesundheitsrechtlichen Bestimmen entsprechen und unter anderem die Möglichkeit der „Absonderung“ der Tiere von einem möglichen Seuchengeschehen sicherstellen. Bei Betrieben, die in einem Gebiet liegen, das durch Schweinepest bei Haus- oder Wildschweinen gefährdet ist, kann die zuständige Behörde die Freiland- oder Auslaufhaltung untersagen oder mit Auflagen verbinden.

EU-Recht: Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren

Das neue Tiergesundheitsrecht der EU, Animal Health Law (AHL), ist seit dem 21. April 2021 in allen Mitgliedstaaten direkt anzuwenden. Seitdem stehen insbesondere Tierhalter und mit Tieren arbeitende Personen, aber auch Tierärzte in der besonderen Verantwortung, den „Schutz vor biologischen Gefahren“ sicherzustellen, unabhängig von der Betriebsgröße und Haltungsform. Besondere Schutzmaßnahmen gelten darüber hinaus, wenn der Ausbruch der ASP bei Schweinen festgestellt wurde. Auf nationaler Ebene sind Vorgaben zur Biosicherheit in Schweinehaltungen im Tiergesundheitsgesetz (TierGesG), in der SchHaltHygV und in der Schweinepest-Verordnung (SchwPestV) geregelt. Gemäß AHL muss der Tierhalter (in den relevanten Rechtsakten als „Unternehmer“ bezeichnet) über Kenntnisse zu Tiergesundheit und Tierseuchen verfügen und sich der Verbreitungsgefahren von Tierseuchen bewusst sein. Maßnahmen zum physischen Schutz – u. a. Umzäunung, Einfriedung, Reinigung, Desinfektion – müssen durch ihn umgesetzt werden. Im Seuchenfall sind die Leistungen der Tierseuchenkassen und der EU abhängig von der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren gehören zu den wichtigsten Präventionsinstrumenten, die den Tierhaltern und anderen mit Tieren arbeitenden Personen zur Verhinderung der Einschleppung, Entwicklung und Ausbreitung von Tierseuchen zur Verfügung stehen. Das AHL sowie das TierGesG verpflichten daher die Tierhalter, wirksame Biosicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Auch wenn der Schutz vor Tierseuchen Investitionen erfordert, sollte der daraus resultierende Rückgang an Seuchenausbrüchen und die Vermeidung der wirtschaftlichen/finanziellen, emotionalen und tierschutzrelevanten Folgeschäden die Tierhalter motivieren, diese Investitionen nicht zu scheuen.

Leitlinien unterstützen Auslauf- und Freilandhaltung unter ASP-Bedingungen

Vor dem Hintergrund der Neubewertung auf EU-Ebene wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im August 2022 eine Expertengruppe gegründet, deren Auftrag es war, Bedingungen festzulegen, unter denen Auslauf- und Freilandhaltungen in ASP-Sperrzonen als vertretbar einzustufen sind. Die vorliegenden Leitlinien stellen somit eine Hilfestellung für Tierhalter und Behörden dar, um bereits in seuchenfreien Zeiten betriebsindividuell Biosicherheitsmaßnahmen zu optimieren. Die Leitlinien sollen

  • dazu beitragen, das Bewusstsein von Tierhaltern, mit Tieren arbeitenden Personen und Tierärzten für die Biosicherheitsmaßnahmen und die Eigenverantwortung bei deren Einhaltung zu schärfen,
  • helfen, die Biosicherheitsmaßnahmen auf die jeweiligen spezifischen Betriebsverhältnisse und Seuchensituation mit dem Ziel abzustimmen, ein akzeptables Risikoniveau für die jeweilige Auslauf- bzw. Freilandhaltung unter ASP-Bedingungen zu erreichen,
  • mögliche, ggf. risikoorientiert gestaffelte zusätzliche Biosicherheitsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem ASP-Geschehen und die damit verbundene mögliche Risikominderung aufzeigen,
  • Tierhaltern, Tierärzten und zuständigen Behörden eine Handreichung für die Vorab-Planung, Optimierung und Umsetzung solcher Biosicherheitsmaßnahmen im konkreten Einzelfall in den Betrieben geben,
  • dazu beitragen, das Risiko der Einschleppung und Verbreitung insbesondere der ASP in die Schweinehaltungen zu vermindern und
  • so Wege aufzeigen, grundsätzlich Auslauf- bzw. Freilandhaltungen auch in ASP-Sperrzonen, nach qualitativer Risikobewertung, zu ermöglichen.

Im Fokus der Leitlinien stehen zehn Handlungsbereiche, die in Form einer Maßnahmentabelle dargestellt sind:

  1. Kenntnisse/Sensibilisierung/Unterweisungen
  2. Umzäunung/Einfriedung
  3. Betriebsgelände inklusive Tierbereich
  4. Zutrittsregelungen/Hygieneschleuse (Personen)
  5. Fahrzeugverkehr
  6. Materialien (Einstreu, Futtermittel, Dung, Mist, Kadaver etc.)
  7. Tierverkehr
  8. Überwachung Tiergesundheit
  9. Tiergesundheitsbesuche/Tierärztliche Bestandsbetreuung
  10. Schädlingsmonitoring und ggf. -bekämpfung

Die rechtliche Grundlage für die beschriebenen Biosicherheitsmaßnahmen bilden im Wesentlichen das AHL sowie die SchHaltHygV, wobei risikoorientiert weitere Maßnahmen vorgeschlagen werden. Darüber hinaus sind verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren benannt, die sich in ASP-Sperrzonen gemäß DUV (EU) 2023/594, DEV (EU) 2020/687 oder SchwPestV ergeben.

Ziel ist es, mithilfe der Leitlinien den größtmöglichen Schutz des individuellen Betriebes zu erreichen und dadurch auch andere Betriebe zu schützen.

Die Expertengruppe Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen unter ASP-Bedingungen setzte sich aus Vertretern der folgenden Institutionen zusammen: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e. V. (i. V. für Deutscher Bauernverband e. V./Deutscher Raiffeisenverband e. V./Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V./Bundesverband Rind und Schwein e. V.), Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Niedersächsische Tierseuchenkasse und Thünen-Institut für Ökologischen Landbau.

Die Leitlinien stehen hier zum Download.

Korrespondenzadresse: Dr. Wiebke Scheer, Warmbüchenstraße 3, 30159 Hannover, wiebke.scheer@landvolk.org

Expertengruppe zur Auslauf- und Freilandhaltung von Hausschweinen unter ASP-Bedingungen 2022 wurde im Auftrag des BMEL dieser Zusammenschluss von verschiedenen Institutionen gegründet. Deren Vertreter präzisierten Bedingungen nach Maßgabe geltenden EU-Rechts, unter denen Auslauf- und Freilandhaltungen in ASP-Sperrzonen als vertretbar einzustufen sind.

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