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Abb.1: Indolentes Ulkus bei einer jungen flohspeichelallergischen Katze
Foto: Praxishandbuch Katzendermatologie, Schlütersche Fachmedien GmbH
Abb.1: Indolentes Ulkus bei einer jungen flohspeichelallergischen Katze

Inhaltsverzeichnis

Dermatologie

Klinisches Vorgehen beim eosinophilen Granulom­komplex der Katze

Auszug aus dem Praxishandbuch Katzendermatologie von Prof. Rosanna Marsella – ein schneller Leitfaden zur problembasierten Aufarbeitung.

Von Rosanna Marsella

  • Katzen haben ein spezielles Reaktionsmuster bei allergischen Erkrankungen, die unter dem Begriff „eosinophiler Granulomkomplex“ zusammengefasst werden.
  • Keinem spezifischen Krankheitsbild kann dabei ein charakteristischer Auslöser zugeordnet werden. Daher müssen diese Fälle anhand des Alters, der Saisonalität und der weiteren klinischen Symptome systematisch aufgearbeitet werden.
  • Um eine langfristige Abhängigkeit von Glukokortikoiden und anderen Immunmodulatoren zu vermeiden, muss der Auslöser identifiziert und kontrolliert werden, um Abhilfe zu schaffen.

Praxishandbuch Katzendermatologie

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Der eosinophile Granulomkomplex ist ein katzenspezifisches Krankheitsbild. Die Diagnose „eosinophiler Granulomkomplex“ sagt allerdings noch nichts über die auslösende Ursache aus, diese muss in einem systematischen Schritt-für-Schritt-Vorgehen eruiert werden. Die meisten der betroffenen Patienten sind allergisch, aber die Ursache der Allergie lässt sich nicht an einem spezifischen klinischen Bild festmachen. Daher muss in jedem individuellen Fall anhand des Signa lements und der Anamnese einer Saisonalität entschieden werden, welche Ursache wie wahrscheinlich ist.


Top Job:


Eine Erkrankung des eosinophilen Granulomkomplexes bei einer jungen Katze ohne Saisonalität erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Futtermittel­allergie, während ein saisonales Auftreten eher für eine Flohspeichelallergie, eine Umweltallergie oder beides spricht. Wenn es aber zu Sekundärinfektionen kommt, geht jegliche Saisonalität verloren und der Juckreiz besteht über die eigentliche Saison hinaus! Daher gilt auch hier die Regel, das Behandelbare zu behandeln und dann klinisch zu kontrollieren, welche Symptome übrig bleiben. Unter dem Begriff „eosinophiler Granulomkomplex“ werden eine Reihe von klinischen Bildern zusammengefasst: das indolente Ulkus, das eosinophile Granulom und die eosinophile Plaque. Je nach klinischem Bild kommen neben der Allergie noch weitere Differenzialdiagnosen in Betracht.

Indolentes Ulkus

Mit diesem Begriff werden bilateral symmetrische, scharf abgegrenzte ulzerative Läsionen an der Oberlippe von Katzen bezeichnet (siehe Abb. 1). Sie können progressiv und entstellend sein. Juckreiz oder Schmerz treten typischerweise nicht auf, in schweren Fällen können aber Speicheln sowie Schwierigkeiten beim Fressen die Folgen sein, vor allem wenn in der Mundhöhle ebenfalls eosinophile Granulome vorliegen. Werden Patienten mit solchen Symptomen vorgestellt, sollte der Tierarzt zuerst an Allergien denken und die einzelnen Auslöser der Wahrscheinlichkeit nach abklären (z. B. Flöhe, Futter, Umgebung), basierend auf der Saisonalität und der Exposition zu Insekten. Bei älteren Katzen ist das Plattenepithelkarzinom eine Differenzialdiagnose und eine Biopsie kann nötig werden, um dies auszuschließen.

In Fällen mit Stomatitis und periokulärer Dermatitis sollte eine Herpesvirusinfektion ausgeschlossen oder behandelt werden, bevor eine Therapie mit Glukokortikoiden begonnen wird. Einige Tierärzte behandeln Katzen empirisch auf Herpes, anstatt eine Biopsie durchzuführen. Auch die PCR ist eine Möglichkeit, virale Erkrankungen näher abzuklären.

Je mehr Manifestationen des eosinophilen Granulomkomplexes ein Patient aufweist (siehe Abb. 2), desto einfacher ist die klinische Diagnose. Die häufigste Ursache ist eine Flohspeichelallergie, hier sollte der erste Schritt eine strikte Flohprophylaxe sein, gefolgt von einer Antibiose (z. B. Amoxicillin-Clavulansäure) und einer Glukokortikoidtherapie, um eine rasche Besserung zu erzielen. Vermutlich ist die Oberlippe betroffen, weil während des Putzens das Allergen hier Kontakt hat und die epikutane und folglich orale Exposition zu diesen Läsionen führt. Nach einer ausführlichen Anamnese kann die Wahrscheinlichkeit der einzelnen allergenen Trigger abgewogen werden. Wenn keine Saisonalität vorliegt, sollte eine Eliminationsdiät zur Abklärung einer Futtermittelallergie in Erwägung gezogen werden.

Eosinophiles Granulom

Das eosinophile Granulom kann an verschiedenen Lokalisationen auftreten. Häufig kommt es in der Mundhöhle vor, sowohl dorsal als auch ventral auf der Zunge (siehe Abb. 3 und 4) oder dem Gaumen.

Eine weitere häufige Lokalisation ist das Kinn, was umgangssprachlich als „fat chin“ bezeichnet wird, wenn das ganze Kinn geschwollen scheint (siehe Abb. 5), während in anderen Fällen das Granulom am Kinn besser abgegrenzt erscheint (siehe Abb. 6). Wichtige Differenzialdiagnosen für Kinnläsionen sind Kontaktdermatitis, Kinnakne und Pemphigus foliaceus.

Anhand des Alters und der übrigen klinischen Symptome werden die Differenzialdiagnosen gewichtet. Ein Patient mit Kinnakne ist typischerweise jung und zeigt sonst keine Läsionen. Hier können Komedonen vorkommen und die Vorbehandlung besteht meist aus einer topischen Therapie und systemischen Antibiosen. Der Pemphigus-­Patient zeigt Pusteln, die schnell rupturieren und eintrocknen, um runde Krusten zu bilden. Weitere Läsionen können Krusten auf der Oberfläche der Pinnae sein – nicht am Rand, wie bei der Notoedres-­Räude. Dies sind meist mittelalte Katze, die häufig Inappetenz zeigen, wenn sich Hautläsionen entwickeln. Zum Einordnen der Differenzialdiagnosen kann die Zytologie hilfreich sein. Bei einer Katze mit Pemphigus finden sich in der Zytologie akantholytische Keratinozyten neben neutrophilen und eosinophilen Granulozyten, während die allergische Katze ein primär eosinophiles Infiltrat aufweist. Auch an die Dermatophytose sollte man bei einem solchen klinischen Bild denken und eine Pilzkultur anlegen, um dies nicht zu übersehen.

Eine weitere häufige Lokalisation für das eosinophile Granulom sind die Hinterbeine. Die Läsionen sind nodulär oder linear kaudal auf den Oberschenkeln. Außerdem können eosinophile Granulome auch an den Pfoten auftreten. Es muss anhand des individuellen klinischen Bildes entschieden werden, ob eine Feinnadelaspiration oder eine Biopsie indiziert sind, um Differenzialdiagnosen wie infektiöse oder neoplastische Prozesse auszuschließen.

Eosinophile Plaque

Die eosinophile Plaque ist eine der am stärksten juckenden Erkrankungen der Katze. Die Plaques sind Stellen mit deutlich verdickter Haut, Alopezie und einer gelblichen Verfärbung (siehe Abb. 7 und 8). Sie können als einzelne abgegrenzte Plaques vorliegen (siehe Abb. 9), sind häufig auf dem ventralen Abdomen lokalisiert und können in schweren Fällen chronisch werden (siehe Abb. 10). Das Verteilungsmuster und der hochgradige Juckreiz weisen sehr deutlich auf dieses Syndrom hin. In der Zytologie findet man eine hochgradige eosinophile Infiltration. Wenn die Läsionen nur lokalisiert auftreten oder der Patient älter und ohne einen Vorbericht allergischer Erkrankungen in früherer Zeit ist, sollten Mastzelltumoren als Differenzialdiagnose berücksichtigt werden. Wie bei anderen Ausprägungen des eosinophilen Granulomkomplexes ist es wichtig, sowohl den Auslöser zu identifizieren als auch symptomatische Erleichterung vom starken Juckreiz zu verschaffen. Dazu dienen in der Regel Glukokortikoide, da sie Entzündung und Juckreiz reduzieren. Langfristig sollte man sich hier aber nicht nur auf die Glukokortikoide verlassen, sondern immer versuchen, den Auslöser zu finden, um eine nachhaltige Lösung zu erreichen und die Abhängigkeit der „Notfall“-Medikation mit Glukokortikoiden zu vermeiden.

Über die Autorin

Prof. Rosanna Marsella, DVM, Dip. ACVD, studierte Veterinärmedizin in Mailand. Sie ist Direktorin des Labors für vergleichende Dermatologie im Fachbereich Kleintiermedizin an der University of Florida. Ihre Forschungsschwerpunkte sind allergische Hauterkrankungen und die Entwicklung neuer Therapieansätze in der Veterinärdermatologie.

Buchtipp!

Schnelle Hilfe bei Katzen-Dermatosen finden Sie im Praxishandbuch Katzendermatologie von Prof. Rosanna Marsella, dem dieser Artikel entnommen wurde. Das Buch gibt Kleintiermedizinern konkrete Handlungshilfen: Flussdiagramme leiten sicher durch die Diagnostik, klinische Bilder zeigen charakteristische Symptome sowie unterschiedliche Erscheinungsformen feliner Hautkrankheiten.

Übersetzt von Dr. Nina Thom. Mit 275 Abbildungen und 13 Tabellen. 89 Euro. ISBN 978-3-8426-0057-7

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