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Foto: Franz Marc, Liegender Hund im Schnee; Städel Museum/bpk
Liegender Hund im Schnee. 1910/1911.

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift

Der Umgang mit gefährlichen Hunden – eine Herausforderung für den Tierschutz

Dealing with dangerous dogs – a challenge for animal welfare

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 133

DOI: 10.2376/0005-9366-19063

Publiziert: 05/2020

Zusammenfassung

Fühlen sich Hundebesitzer mit dem aggressiven Verhalten des Haushundes überfordert und möchten sie den Hund abgeben, landet das Tier im Tierheim. Der Tierschutzverein steht vor der Herausforderung, wie mit diesen schwer vermittelbaren Tieren zu verfahren ist. Mittels einer Fragebogenerhebung im Zeitraum von 2012 bis 2017 wurden Besitzer befragt, die ihren Hund in einem Tierheim in Berlin wegen aggressiven Verhaltens abgaben.

Dabei wurden die Hintergründe, die zur Abgabe dieser Hunde führen, untersucht um mögliche präventive Maßnahmen zum Umgang mit gefährlichen Hunden zu erarbeiten. Es wurden insgesamt 253 Tiere in die Studie eingeschlossen, zudem wurden demografische Daten, Lebensgewohnheiten und Details in Hinblick auf Verletzungen und Beißhistorie erfasst. Von den untersuchten Hunden haben 42,7 % der Hunde schwere, blutige Verletzungen verursacht. Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Grad der entstandenen Verletzungen und dem Auslauf ohne Leine festgestellt werden (p = 0,028, Chi-Quadrat-Test). Das ausnahmslose Führen der Hunde an der Leine hat keinen Zusammenhang zu weniger häufig auftretenden Verletzungen durch das Tier. Haben die Besitzer bei Fehlverhalten ein ‚Leckerli‘ gegeben, traten tendenziell weniger und weniger schwere Verletzungen auf (p = 0,001, exakter Test nach Fisher). Tiere von Haltern, die Hilfe bei einem Tiertrainer in Anspruch genommen hatten, haben signifikant häufiger Verletzungen verursacht (p = 0,010, Chi-Quadrat-Test). Es konnte kein signifikanter Zusammenhang zur Rassezugehörigkeit festgestellt werden. Der Umgang mit aggressiven Hunden stellt eine Herausforderung für die Gesellschaft, die Tierheime und die Vermittlung an neue Tierhalter dar. Die Sachkunde der Halter, die frühzeitige Erkennung von aggressivem Verhalten sowie eine qualifizierte Verhaltenstherapie helfen, Gefahrensituationen im Umgang mit Hunden und deren Abgabe in ein Tierheim oder die Tötung dieser Tiere zu vermeiden.

Aggressivität
Tierheimhunde
Beißvorfälle
Pitbull
Listenhunde

Summary

When dog owners feel overwhelmed by the aggressive behaviour of their pet dog and decide to give up the dog, the animal usually gets signed over to a shelter. The animal welfare organization is faced with the challenge of dealing with these dogs, who are difficult to rehome. A questionnaire survey was undertaken from 2012 to 2017 to explore circumstances of dog relinquishment due to aggressive behaviour.

The reasons that led to the surrender of these dogs were investigated and possible preventive measures for handling dangerous dogs were developed. A total of 253 animals were included in the study, all of whom were admitted to an animal shelter in Berlin. Of the dogs examined, 42.7% caused severe injuries. A significant correlation was found between the degree of injuries and off-leash exercise (p=0.028, chi-square test). Dogs who had never experienced off-leash exercise caused more serious injuries than dogs who received regular off-leash outings. Dogs permanently walking on leash had no reduced likelihood of causing injuries compared with dogs who were regularly walked without a leash.

If owners used treats when addressing misbehaviour, less severe injuries tended to occur. Animals from owners who had relied on help from dog trainers caused significantly more injuries (p=0.010, Chi-square test). No significant relationship to dog breed was found.

Handling aggressive dogs is a challenge not just for animal shelter staff, but also for potential new owners, dog trainers and to a degree even for society as a whole.
Expertise of dog handlers, early detection of tendencies towards aggressive behaviour as well as qualified behavioural therapy help to avoid dangerous situations when dealing with dogs and potentially prevents relinquishment or even euthanasia of the affected animals.

Aggression
shelter dogs
dog bites
Pitbull
dangerous dogs

Einführung

Sowohl in der Bevölkerung und der Politik, als auch innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt es eine anhaltende kontroverse Debatte um die Gefährlichkeit von Haushunden. Auch wenn aggressives Verhalten ein normaler Bestandteil des Sozialverhaltens ist, so ist die Abgrenzung zu einem inadäquaten Aggressionsverhalten oftmals schwer. Beißen Hunde ohne einen für den Menschen erkennbaren Grund, so werden sie als gefährlich wahrgenommen (Höß 2010). Ob ein Hund gefährlich ist oder nicht, ist multifaktoriell bedingt. Größe und Kraft des Hundes sind Faktoren, die das Gefahrenpotenzial beeinflussen (Lanfranconi 2010). Je unkontrollierter und fester ein Hund gebissen hat, desto gefährlicher ist er (Schroll 2016). Betrachtet man nur die Beißunfälle mit Hunden, so sagt dies nicht unbedingt etwas über die Gefährlichkeit des Hundes aus.
Derzeit existiert keine bundeseinheitliche Statistik zu Beißvorfällen mit Hunden. Im Bundesland Berlin wird jährlich eine eigene Statistik veröffentlicht (Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung). Die verfügbaren Zahlen geben Aufschluss über die Anzahl der Bissvorfälle, die sich gegen andere Hunde und gegen Menschen richten. Sie sind kategorisiert nach Hunderassen. Erfasst sind dem Bezirksamt gemeldete Bissvorfälle sowie gefahrdrohendes Anspringen, wobei diese Punkte nicht differenziert werden. Unterschieden wurde, ob ausschließlich Hunde oder ob Menschen gebissen wurden. Im Jahr 2017 gab es 584 Vorfälle gegenüber Menschen in Berlin. Aus den bisherigen Veröffentlichungen lässt sich keine Aussage über einen Schweregrad der Bissvorfälle ableiten. Der ‚Mischling‘ (ausgenommen Mischlinge aus sogenannten ‚Listenhunden‘) fiel mit 149 gemeldeten Vorfällen gegenüber Menschen am häufigsten auf. Der Pudel fiel mit elf Bissvorfällen gegenüber Menschen häufiger auf als die unter ‚Pitbull‘ aufgeführten Hunde. Der Deutsche Schäferhund war mit 56 gemeldeten Bissvorfällen die am häufigsten vertretene Hunderasse (Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung). Vergleichszahlen der Hundepopulationsverteilung nach Rassen liegen nur im Bereich der Welpenstatistik vor: In der bundesweiten Welpenstatistik veröffentlichte der Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. (VDH), dass es im Jahr 2017 genau 9766 Deutsche Schäferhundewelpen, 1858 Pudelwelpen und keinen ‚Pitbull‘ gab (VDH 2019). In einer Studie, die von 1998–2003 u. a. die Berliner Statistiken der auffällig gewordenen Hunde untersuchte, konnte festgestellt werden, dass ca. 1 % der Gesamthundepopulation durch Bissvorfälle oder Anspringen auffällig geworden sind (Struwe und Kuhne 2005).
Trotz eines fehlenden Nachweises eines Zusammenhangs zwischen Hunderassen und einer Gefährlichkeit (Feddersen-Petersen 2001, Hettwer 2017, Struwe und Kuhne 2005) ist im Jahr 2016 mit der Verordnung zum Berliner Hundegesetz (Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung 2016) abermals eine sogenannte ‚Rasseliste‘ in Kraft getreten. Die Verordnung umfasst die Rassen ‚Pitbull-Terrier‘, American Staffordshire Terrier und Bullterrier sowie Mischlinge aus diesen (Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz 2016). Bereits im Jahre 2000 wurde die mangelhafte Verhältnismäßigkeit zwischen den eigentlichen Gefahren und den juristischen Resultaten, wie der Rasseliste, kritisiert. Der Faktor Mensch und nach welchen Kriterien das Tier gezüchtet und sozialisiert wurde, werden im Gegensatz zu der Rasse des Hundes als Hauptaspekte für eine Entwicklung der Gefährlichkeit genannt (Eichelberg 2000).
Zu Beginn unserer Untersuchung im Jahr 2012 sind in dem Berliner Tierheim 144 American Staffordshire Terrier Mischlingshunde untergebracht gewesen. Das entsprach etwa der Hälfte des gesamten Hundebestandes. In dieser Studie wurden diese Hunderassen nicht signifikant häufiger wegen aggressiven Verhaltens abgegeben. Die Vermittlungschancen der ‚Listenhunde‘ und der gefährlichen Hunde sind gering. Die Verweildauer von Hunden im untersuchten Tierheim lag im Jahre 2016 bei nicht als gefährlich gelisteten Hundetypen bei 148 Tagen und bei sogenannten ‚Listenhunden‘ bei 448 Tagen. Die durchschnittliche Verweildauer für ‚Listenhunde‘ ist demnach etwa dreimal so lang (Tierschutzverein für Berlin und Umgebung e.V. 2016).
Zu den Hauptabgabegründen in Tierheime gehört aggressives Verhalten (Salman et al. 2000). Damit diese als gefährlich eingeschätzten Hunde überhaupt wieder vermittelt werden können, reicht ein einfaches Verwahren der Tiere keinesfalls aus. Tierheime stehen vor der Herausforderung tierschutzgerechte Möglichkeiten zu entwickeln, wie mit aggressiven Hunden zu verfahren ist. Tendenziell steigt die Anzahl schwer vermittelbarer Hunde in Tierheimen (Tierschutzverein für Berlin und Umgebung e.V. 2016). Das untersuchte Tierheim hat im Jahr 2010 ein Trainingszentrum errichtet, um diesen Tieren die Möglichkeit zu geben, durch die Mitarbeiter therapiert und trainiert zu werden. Im Berliner Tierheim sind gefährliche Hunde durch geschulte Tierpfleger gut händelbar: Das Personal, welches in Theorie und Praxis im Umgang mit diesen Hunden unterwiesen ist, ist auch mit Hunden, die schwerste Bissvorfälle verursacht haben, täglich in direktem Umgang. In den Jahren 2013–2016 kam es zu keiner Krankschreibung aufgrund eines Bissvorfalls mit Hunden gegenüber Tierpflegern (Tierschutzverein für Berlin und Umgebung e.V. 2016). In sachkundigen Händen relativiert sich daher die Gefährlichkeit derartiger Hunde (Mikus 2006). Im untersuchten Tierheim werden aggressive und gefährliche Hunde nicht isoliert oder nach einem „Hands-off“-Prinzip (ohne direkten Kontakt zum Tier), wie es bei manchen Zootieren noch üblich ist, gehalten. Jeder Hund hat direkten Kontakt zum Menschen. Sie werden in potenziell riskanten Situationen und in der Öffentlichkeit durch einen Maulkorb gesichert durch Mitarbeiter geführt. Wenn diese Hunde nach einer erfolgreichen Verhaltenstherapie vermittelbar sind, so liegt das Hindernis oft darin, dass qualifizierte Halter bereits auffällig gewordene Hunde nicht adoptieren möchten. Eine ‚Nicht-Vermittelbarkeit‘ oder ein sehr langer Aufenthalt in einem Tierheim stellt weder ethisch (Binder 2011) noch rechtlich (Bartels und Struve 2015) einen vernünftigen Grund für eine Euthanasie dar.
In diesem Kontext wurde eine Fragebogenerhebung im Tierheim Berlin durchgeführt mit dem Ziel, die Gründe, die zur Abgabe von Hunden aufgrund aggressiven Verhaltens führen, systematisch zu untersuchen. In der Studie wurden diejenigen Hunde untersucht, die von ihren Besitzern als gefährlich und zu aggressiv für ihr soziales Umfeld eingeschätzt wurden. Neben dem Faktor Mensch wurden Angaben zu den Bissvorfällen selbst, die Lebensumstände des Tieres und individuelle Eigenschaften des Hundes untersucht. Aus den Ergebnissen sollen Handlungsempfehlungen zum Umgang mit diesen Hunden abgeleitet werden mit dem Ziel, künftig einen Halterverlust durch nicht regulierbares Aggressionsverhalten zu verhindern.

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Methodik


Top Job:


Vom 13.04.2012 bis zum 01.09.2017 wurden insgesamt 253 Fragebögen von den Besitzern ausgefüllt, die ihren Hund wegen einer Aggressionsproblematik im Tierheim in Berlin abgaben.
Eingeschlossen in die Studie wurden nur Hunde, die durch Privatbesitzer im Tierheim wegen einer Aggressionsproblematik abgegeben wurden. Bei den privaten Abgabetieren hat der Besitzer bereits erkannt, dass er überfordert ist, und den Schritt gewählt, einen Tierschutzverein aufzusuchen. Darin sind auch solche Tiere enthalten, die vom Tierheim bereits vermittelt wurden und wieder zurückgegeben wurden, sogenannte ‚Rückgaben‘. Ausgeschlossen wurden Tiere, die schwerste oder gar tödliche Verletzungen verursacht haben. Schwere Level-5- oder Level-6-Verletzungen nach Dunbar (Dunbar 2012) gelangen nicht als Abgaben, sondern über den behördlichen Weg ins Tierheim und gingen in die Erhebung nicht ein.

Fragebogen

Die Fragen wurden an die in der verhaltensmedizinischen, tierärztlichen Tätigkeit üblichen Anamnesebögen angelehnt. Der Fragebogen enthielt Fragen nach dem Single- und auch nach dem Multiple-Choice-Verfahren. Einige Fragen wurden durch die Möglichkeit einer eigenen Antwortformulierung (freies Textfeld) ergänzt. Insgesamt enthält der Fragebogen 19 Fragen (ab April 2016 eine zusätzliche 20. Frage) und wurde von den abgebenden Personen ausgefüllt. Abgeber sind die Halter des Tieres. Im Falle von mehreren anwesenden Bezugspersonen, welche bei der Abgabe anwesend waren, wurde der Bogen gemeinschaftlich ausgefüllt. Im Anschluss wurde der Bogen bei dem regulären Abgabegespräch mit der Tierärztin im Tierheim herangezogen und gegebenenfalls bei Unklarheiten korrigiert. Es wurden Fragen zu vier Kategorien abgefragt:

Faktor Hund

Anhand des Fragebogens wurden allgemeine Angaben zum Tier wie der Kastrationsstatus, der Grund der Kastration (Verhinderung der Fortpflanzung, um ruhiger zu werden oder Sonstiges), die Rasse, das Alter und Geschlecht erhoben. Jeder Hund wurde phänotypisch von der Erstautorin beurteilt. Hunde, welche sich phänotypisch von der angegebenen Rasse unterschieden, wurden anhand des Phänotyps gegebenenfalls einer entsprechenden Rasse zugeordnet. Spezifische Angaben zu Verhaltensweisen des Hundes wie Jagdverhalten, ressourcenverteidigendes Verhalten („Verteidigt Ihr Hund gelegentlich Futter, Spielzeug, Kauknochen?“), Territorialverhalten („Bedroht Ihr Hund Leute, die Ihre Wohnung/Grundstück betreten wollen?“) und Bellen (bei Antwort „Ja“ konnte weiterhin ausgewählt werden: Fahrradfahrer, Jogger, Passanten, Kinder, Sonstiges) wurden abgefragt. Als kleine Hunde gelten in der Studie Hunde bis zur Größe eines Cocker Spaniels (Stockmaß bis ca. 40 cm), mittelgroße Hunde bis zur Größe eines Deutschen Schäferhundes (Stockmaß bis ca. 60 cm) und große Hunde mit höherem Stockmaß (> 60 cm).

Besitzerfaktoren

Um einschätzen zu können, wie sachkundig der Halter ist, wurden Fragen zum Übernahmealter des Hundes (z. B. unter acht Wochen), zur Erziehung (Hundeschule inklusive Hundetrainer, private Übungen, Spezialausbildung inklusive tierärztliche Verhaltenstherapie) und zu Erziehungsmitteln gestellt. Bei der Reaktion der Halter auf unerwünschte Verhaltensweisen des Hundes wurde ein Ranking von eskalierenden physischen Strafmaßnahmen bis hin zu deeskalierenden Verhaltensweisen des Besitzers erstellt. Es wurde abgefragt, wie die Reaktion des Menschen bei einem Fehlverhalten des Hundes ist. Zur Auswahl standen Meckern, Ignorieren, Klaps geben, Ablenken, Runterdrücken, Schnauzengriff, Leckerli geben und Sonstiges.

Lebensumstände

Alle Hunde kamen aus einem städtischen Umfeld, da ausschließlich Hunde aus Berlin aufgenommen werden. Abgefragt wurde, wie häufig (einmal, zweimal, dreimal und häufiger als dreimal täglich) ein Hund durchschnittlich pro Tag ausgeführt wurde und ob sich der Hund über längere Zeit frei bewegen konnte oder einem ausschließlichen Leinenzwang unterlag. Die Frage „Wie lange kann Ihr Hund pro Tag ohne Leine spazieren gehen?“ umfasste die Antwortmöglichkeiten „nie, weniger als 20 Minuten täglich, weniger als eine Stunde täglich, ein bis drei Stunden täglich oder mehr als drei Stunden täglich“. Aus der Tierdatenbank des Tierheims konnten anhand der dem Bogen zugeordneten Tiernummer Angaben gemacht werden, ob das abgegebene Tier erstmalig im Tierheim eintraf, bereits ein Rückgabetier ohne vorherige Angaben zu aggressiven Verhaltensweisen war oder sogar bereits zuvor wegen ‚Aggression‘ abgegeben wurde.

Angaben zu Bissvorfällen

Die Halter wurden befragt, ob das Tier bereits eine Verletzung verursacht hat und ob das Opfer des Bissvorfalls ein Hund oder ein Mensch war. Besitzer konnten in einer offenen Frage die Situation des Bissvorfalls beschreiben. Bei mehreren Verletzungen wurden die Daten zu der schlimmsten Verletzung erhoben und ausgewertet. In Bezug auf die Qualität der verursachten Bissverletzungen, wurden der Schweregrad und seit April 2016 auch noch zusätzlich der Bereich (Kopf, Rumpf, Gliedmaßen) erfragt. Die Schwere des Bissvorfalls reicht von unbeschädigter Haut („kaputte Kleidung“) über eine Verletzung durch einen gehemmten Biss („blauer Fleck“) über leicht verletzte Haut bis hin zu ungehemmten Beißwunden mit schweren Verletzungen, welche blutig waren.

Auswertung

Die Daten wurden mit dem Statistikprogramm IBM SPSS (SPSS Inc., Chicago, Illinois, USA; Version 24) ausgewertet. Für die kategorialen Variablen wurden die Häufigkeiten bestimmt. Mehrfachantworten waren bei wenigen Fragen möglich, und die einzelnen Antwortmöglichkeiten wurden separat ausgewertet.
Bei der Auswertung wurde untersucht, welche Faktoren Einfluss darauf nehmen, ob der Hund schon einmal eine Verletzung verursacht hat. Dabei wurden die Einflussfaktoren unterteilt in Faktoren, die dem Hund selbst zuzuordnen sind, und Faktoren, die vom Tierhalter ausgehen. Auch die Einflüsse der Haltungsbedingungen des Hundes auf aggressives Verhalten sowie Faktoren, die mit Bissvorfällen assoziiert sind, wurden untersucht.
Für die deskriptive Betrachtung zweier kategorialer Einflussfaktoren wurden Kreuztabellen angefertigt. Zur Auswertung unabhängiger kategorialer Beobachtungen wurde der Chi-Quadrat-Test oder der exakte Fisher-Test (bei einer erwarteten Zellhäufigkeit kleiner 5 in mind. 25 % der Zellen) verwendet. Zur Interpretation wurden die beobachteten Werte mit den erwarteten Werten (wenn die Nullhypothese zutreffen würde) verglichen. Mit der Odds Ratio und dem dazugehörigen 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) wurden im Fall von Vierfelder-Tabellen dargestellt, wie viel größer die Chance auf ein Ereignis in einer Gruppe im Vergleich zur anderen Gruppe ist. Ein McNemar-Test wurde verwendet, um zu testen, ob mehr Hunde nach Menschen als nach anderen Hunden schnappten.
Im Anschluss wurden logistische Regressionsanalysen vorgenommen. Dabei wurden die Einflussfaktoren, die in den Chi-Quadrat-Tests signifikant waren (bei einem Signifikanzniveau von 5 %) und deren Confounder (Veränderung des Regressionskoeffizienten der anderen Variablen um mehr als 15 %), in ein gemeinsames Regressionsmodell aufgenommen und manuell schrittweise rückwärts selektiert. Als Beurteilungskriterien wurde die Veränderung der Regressionskoeffizienten der übrigen Variablen (nicht mehr als 15 % Veränderung) sowie die Minimierung von -2 Log-Likelihood herangezogen.
In das multivariable logistische Regressionsmodell wurden folgende Faktoren aufgenommen:

  • Handelt es sich um ein Rückgabetier aus dem Tierschutz?
  • Beißt oder schnappt der Hund nach Menschen?
  • Bellt der Hund bei Erwachsenen (Joggern, Radfahrern oder Passanten)?
  • Wurde der Hund kastriert, um die Fortpflanzung zu verhindern?
  • Haben Sie zuvor professionelle Hilfe durch einen Trainer erhalten?
  • Reagieren alle Personen im Haushalt auf die gleiche Weise auf Fehlverhalten?

Ergebnisse

Die Auswertung ist in die entsprechenden Faktoren unterteilt. Die Häufigkeiten, p-Werte und Odds Ratios einschließlich des 95%-Konfidenzintervalls (95%-KI) sind in Tabelle 1 zusammengefasst (Chi-Quadrat-Tests bzw. exakte Tests nach Fisher).

Faktor Hund

Von den n = 253 Hunden waren 77 % männliche Tiere, die wegen aggressiven Verhaltens abgegeben wurden.
Das Geschlecht des Hundes hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Vorkommen von Verletzungen (p = 0,622, Chi-Quadrat-Test). Kastration nahm ebenfalls keinen signifikanten Einfluss auf die Verursachung von Verletzungen (p = 0,398, Chi-Quadrat-Test). Wurden Hunde zur Verhinderung der Fortpflanzung kastriert (Angabe der Besitzer), wurden signifikant seltener Verletzungen verursacht (p = 0,002, Chi-Quadrat-Test) als bei Hunden, die nicht wegen dieses Grundes kastriert wurden. Die übrigen Kastrationsgründe („um ruhiger zu werden“ etc.) wurden jedoch aufgrund geringer Häufigkeiten nicht statistisch untersucht.
Die Auswertung der Frage, ob der Hund schon einmal eine Verletzung verursacht hat, zeigte einen signifikanten Zusammenhang zu Bissvorfällen mit Menschen (p  0,0001, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 5,224; 95%-KI: 2,665–10,241). Jagen oder Verfolgen konnte nicht in einen signifikanten Zusammenhang mit dem Verursachen von Verletzungen gebracht werden (p = 0,290, Chi-Quadrat-Test). Eine Diskrepanz gab es bei 25 Besitzern (9,9 %), die zwar angaben, dass ihr Hund noch nie eine Verletzung verursacht hätte, machten jedoch bei der Frage nach der schlimmsten Verletzung durch den Hund Angaben. Aus dieser Gruppe berichteten vier Besitzer von kaputter Kleidung, zehn von blauen Flecken, acht von leicht und drei sogar von schwer verletzter Haut. Dennoch traten im Gesamten kaputte Kleidung und blaue Flecken signifikant seltener bzw. schwere Verletzungen signifikant häufiger auf als bei Hunden, die nach Besitzerangaben schon einmal eine Verletzung verursacht hatten (p  0,0001, Chi-Quadrat-Test). Schwere Verletzungen traten häufiger als erwartet an Kopf und Hals auf, während leicht verletzte Haut häufiger an den Extremitäten vorkam. Blaue Flecke traten vorwiegend an Oberkörper oder Bauch auf (p = 0,021, Fisher-Test). Die Körpergröße der Hunde hatte keinen signifikanten Einfluss auf die generelle Verursachung von Verletzungen (p = 0,648, Chi-Quadrat-Test). Auch die Auswertung der Rassen (kategorisiert in 16 verschiedene Gruppen) konnte keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zum Vorkommen von Verletzungen feststellen (p = 0,818, Fisher-Test). Weniger Beißvorfälle als erwartet wurde bei den sog. Listenhunden (American Staffordshire Terrier, American Staffordshire Terrier Mischlinge, Bullterrier) beobachtet; von 12 der 18 Hunde wurden Verletzungen verursacht. Dies liegt unter dem Erwartungswert (die Zahl, welche durch die Zufallsvariable im Mittel angenommen wird), welche mit 14 höher errechnet wurde. Mehr Beißvorfälle als erwartet wurden bei Doggenartigen (11 Tiere statt 9,3) und von Terriern (21 Tiere statt 18,6) beobachtet. Zu den doggenartigen Hunden wurden in der Studie, angelehnt an die Nomenklatur der Fédération Cynologique Internationale (FCI), neben den Molossern auch der Rottweiler inkludiert. Bei den Terriern waren Hunde wie Parson Russel, Jack Russel Terrier und Terrier-Mischlinge (der ‚Nicht-Listenhunde‘) vertreten.
Wie zu erwarten war, hatten die Tiere, die wieder an das Tierheim zurückgegeben wurden, signifikant häufiger schon einmal eine Verletzung verursacht (p = 0,004, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 2,644, 95%-KI: 1,3417–5,193).

Faktor Mensch

Die Besitzer wurden gefragt, wie sie auf Fehlverhalten des Hundes reagierten. Die Reaktionen der Besitzer bei einem Fehlverhalten ein Leckerli anzubieten, hat einen Einfluss auf den Grad der Verletzung (p = 0,001, exakter Test nach Fisher). Verletzungen traten kaum auf, wenn der Besitzer bei Fehlverhalten Futter gab. Wenn kein Futter gegeben wurde, waren 46,5 % der Verletzungen schwer und 32,2 % leicht.
Dort, wo alle Personen im Haushalt auf die gleiche Weise reagierten, war die Chance auf Verletzungen tendenziell kleiner als in anderen Haushalten, auch wenn diese Beobachtung nicht statistisch signifikant war (p = 0,070, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 0,470, 95%-KI: 0,205–1,077). Für einzelne Reaktionen (z. B. Ignorieren oder Meckern) konnten ebenfalls nicht immer signifikante Zusammenhänge festgestellt werden. Bei einem Fehlverhalten wurden Rüden signifikant häufiger als Hündinnen durch den Besitzer zu Boden gedrückt (p = 0,019, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 2,70, 95%-KI: 1,15–6,33).
Hunde, deren Halter Hilfe durch einen Hundetrainer in Anspruch genommen haben, verursachten 2,4-mal so häufig eine Verletzung (p = 0,010, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 2,388, 95%-KI: 1,216–4,689) als Hunde ohne Trainer.
Fünfzehn von 241 Besitzern haben bei der Frage bezüglich des Alters bei Erwerb des Hundes angegeben, dass das Übernahmealter unter acht Wochen war, was allgemein als zu früh betrachtet wird.
Basierend auf dem p-Wert und der Veränderung von -2 Log-Likelihood (-2LL) sowie der Regressionskoeffizienten der anderen Variablen wurde die Frage nach der Kastration entfernt. Die übrigen Variablen verblieben im Modell, und es konnte gezeigt werden, dass das Beißen nach Menschen (p  0,0001) und das Anbellen von Erwachsenen (p = 0,001) einen statistisch signifikanten Zusammenhang zum Verursachen einer Verletzung aufwies (Tab. 2). Auch die Tatsache, dass vermittelte Hunde aus dem Tierheim als ‚Rückgaben‘ wieder eingehen, (p = 0,057) und die gleiche Reaktion aller Bezugspersonen (p = 0,074) hatten Einfluss auf eine grundsätzliche Verursachung von Verletzungen. Die Unterstützung durch einen Hundetrainer war mit p = 0,185 zwar formal nicht signifikant, konnte jedoch nicht ohne Verschlechterung der Modellparameter entfernt werden. Während Beißen, die Rückgabe in den Tierschutz und auch der Hundetrainer die Wahrscheinlichkeit für das Verursachen einer Verletzung erhöhten, konnte gezeigt werden, dass Hunde, die bei Fehlverhalten von allen Personen im Haushalt auf die gleiche Weise behandelt wurden, und solche, die Erwachsene anbellen, eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für die Verursachung von Verletzungen hatten.

Lebensumstände des Hundes

Die Anzahl der Spaziergänge pro Tag und auch die Frage, ob die Tiere am Tag über 20 Minuten ohne Leine gehen dürfen, hatten keinen signifikanten Einfluss auf das Vorkommen von Verletzungen (p = 0,332 bzw. p = 0,790, Chi-Quadrat-Tests). Ebenso die Verwendung von Hilfsmitteln beim Ausführen wie z. B. Flexi-Roll-Leinen, Geschirr, Halsband oder Kopfhalfter. Bei den untersuchten Hunden gab es keinen signifikanten Zusammenhang (p = 0,074, Chi-Quadrat-Test) zwischen einem generellen Auftreten von Verletzungen und einem ausnahmslosen Führen an der Leine. Einhundertsiebenunddreißig Hunde (59,9 %) wurden nie ohne Leine, im Sinne von freilaufend, ausgeführt. Allerdings hatte dies einen signifikanten Einfluss auf den Grad der durch einen Biss entstandenen Verletzung (p = 0,030, exakter Test nach Fisher). Hunde, die nie ohne Leine gehen konnten, verursachten häufiger kaputte Kleidung oder leicht verletzte Haut, während Hunde, die ohne Leine freilaufend gehen konnten, häufiger blaue Flecken oder schwer verletzte Haut verursachten (p = 0,028, Chi-Quadrat-Test).
Kleine Hunde wurden signifikant häufiger mehr als dreimal täglich spazieren geführt als mittelgroße und große Hunde (p  0,001, Chi-Quadrat-Test).
Die Größe des Tieres hatte Einfluss auf die Vermittlungschancen (p = 0,004, Chi-Quadrat-Test). Im Laufe der Studie wurde der größte Teil (77,5 %) der Hunde an neue Tierhalter vermittelt. An Privatpersonen gingen 108 Tiere (42,7 %) und 54 Tiere an andere mit dem Tierheim kooperierende, dem Deutschen Tierschutzbund angehörende, Tierschutzvereine. An Privatpersonen wurden am häufigsten kleine Hunde vermittelt. Von anderen ko­operierenden Tierheimen wurden ebenfalls kleine Hunde bevorzugt aufgenommen. Im Laufe der fünfjährigen Studie sind 8,1 % der Hunde natürlich verstorben oder mussten euthanasiert werden, wobei es sich hierbei zu 76,5 % um große Hunde (n = 13) handelte.
Ob ein Tier erstmalig in ein Tierheim gelangte oder wiederholt ins Tierheim kam (Rückgabetier), hatte einen signifikanten Einfluss auf den schweregrad der Verletzung (p = 0,022, exakter Test nach Fischer). Rückgabetiere bissen schwerer als erwartet.

Bissvorfälle

Hunde, die Menschen gebissen haben, hatten eine 5,22-mal so hohe Wahrscheinlichkeit, auch Verletzungen zu verursachen (p = 0,001, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 5,224, 95%-KI: 2,665–10,241). Häufiger als erwartet bissen kleine Hunde Menschen (p = 0,031, Chi-Quadrat-Test). In der Gruppe der kleinen Hunde bissen 76 Hunde (88,4 %) Menschen, bei der Gruppe der mittelgroßen waren es 72,5 % und bei den großen waren es 75,9 %.
Zu Bissvorfällen zwischen Hunden konnte festgestellt werden, dass Hunde, die älter als ein Jahr bei Übernahme waren, signifikant häufiger nach anderen Hunden schnappten als Hunde, die bei Übernahme jünger waren (p = 0,029, Chi-Quadrat-Test; Odds Ratio 1,828, 95%-KI: 1,059–3,154). Bissvorfälle mit Hunden und zugleich mit Menschen hatten in der Studie keinen signifikanten Zusammenhang (p = 0,988, Chi-Quadrat-Test), aber es gab signifikant mehr Hunde, die nur nach Menschen schnappten (n = 69), als solche, die nur nach Hunden schnappten (n = 31, p 0,0001 im McNemar-Test).
Die im April 2016 neu hinzugefügte Frage, in welchen Bereich die Hunde gebissen hatten, ergab signifikante Werte. Die Körpergröße des Hundes hatte einen signifikanten Einfluss auf den Ort der Bissverletzung (p = 0,007, Fisher-Test). Kleine Hunde (n = 26) bissen mit 53,8 % am häufigsten im Bereich Hände und Füße und nur selten Kopf- und Halsbereich. Große Hunde (n = 22) bissen mit 54,5 % am häufigsten in Arme und Beine, am zweithäufigsten in Kopf und Hals (22,7 %). Die meisten Bissvorfälle richteten sich bei mittelgroßen Hunden (n  = 17) gegen Hände und Füße (41,2 %), gefolgt von Kopf und Hals (23,5 %). Der Ort der Verletzung hat einen Einfluss auf deren Schweregrad (p = 0,021, Fisher-Test). Bisse, die sich gegen den Kopf-Hals Bereich richteten (n = 10) waren zu 90 % schwere und blutige Verletzungen. Im Oberkörper und Bauchbereich (n = 8) waren die Verletzungen zu 50 % blaue Flecken. In der Arm- und Beinregion (n = 24) waren die Verletzungen mit 45,8 % vorwiegend leicht, gefolgt von schweren Verletzungen (29,1 %). Hände und Füße (n = 22) wurden zu je 40,1 % sowohl leicht als auch schwer verletzt.
Mehr als die Hälfte (59,6 %, n = 245) der Hunde verteidigten ihre Ressourcen wie beispielsweise Futter, Spielzeug oder Kauknochen. Am häufigsten verteidigten kleine Hunde Ressourcen und deutlich seltener große Hunde (p  0,001, Fisher-Test). Kleine Hunde knurrten auch signifikant häufiger Familienmitglieder an als größere (p  0,001, Chi-Quadrat-Test). Im Fragebogen wurde nach dem Anschaffungsalter der Tiere gefragt. Fast die Hälfte der Hunde war jünger als ein Jahr, 51 % waren älter. Ein signifikanter Zusammenhang zu einem Auftreten von Verletzungen konnte nicht nachgewiesen werden (p = 0,776, Chi-Quadrat-Test).
In der logistischen Regression wurden die Variablen Größe, Verursachung von Verletzungen und Alter des Hundes bei Übernahme als Einflussfaktoren auf Bissvorfälle beim Hund untersucht (Tab. 3). Alle Faktoren wurden als relevant identifiziert und verblieben im Modell. Die verursachten Verletzungen waren mit p  0,0001 der wichtigste Einflussfaktor, das Odds Ratio lag bei 5,613 (95%-KI: 2,761–11,412). Auch die Größe des Hundes war mit p = 0,029 ein signifikanter Einflussfaktor, wobei mittelgroße und große Hunde jeweils eine signifikant niedrigere Wahrscheinlichkeit für Bissvorfälle hatten. Hunde, die bei der Übernahme älter als ein Jahr waren, hatten ebenfalls eine niedrigere Wahrscheinlichkeit für Bissvorfälle, dies war jedoch nicht statistisch signifikant (p = 0,311).

Diskussion

Jeder Hund hat das Potenzial gefährlich zu sein (Schöning 2006). Häufig wird ‚Gefahr‘ durch Hunde mit dem Zeigen eines offensiven Aggressionsverhaltens gleichgesetzt. Doch Aggression ist eher ein störendes Verhalten für Menschen als etwa eine Verhaltensstörung des Hundes (Gieser 2006). Wann ein Hund eine Gefahr darstellt, ist sie jedoch niemals alleinig von dem Faktor Hund abhängig (Overall und Love 2001). Als Signalwort wird ‚gefährlicher Hund‘ in den Medien häufig verwendet. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Es richtet sich nach einer individuellen Wahrnehmung des Menschen. Eine Untersuchung von Artikeln in Berliner Zeitungen ergab, dass besonders in den Straßenverkaufszeitungen die Berichterstattungen oft sehr reißerisch und wenig sachlich beschrieben sind. Dadurch werden Ängste in der Bevölkerung genutzt (Große Lefert 2003). Unterschiedliche gesetzliche Regelungen wurden geschaffen. Im Niedersächsischen Raum sind in einer Studie von 2017 Rüden mit ca. 72 % häufiger wegen aggressiven Verhaltens auffällig und somit zum Wesenstest vorstellig geworden (Hettwer 2017). Diese Zahl deckt sich in etwa mit dem Anteil an Rüden (77 %) in dieser Studie, die wegen Aggression im Tierheim Berlin abgegeben wurden. Signifikante geschlechterspezifische Unterschiede in Bezug auf die Bissvorfälle oder deren Qualität zeigten sich jedoch nicht. Bei einer Untersuchung von Hundebissverletzungen in der Schweiz waren Rüden 2,9 mal häufiger an Bissvorfällen gegenüber Menschen beteiligt (Horisberger 2002).
Im Rahmen dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass Menschen Rüden gegenüber häufiger stark eskalierende Strafmaßnahmen zeigen. Dies könnte aus einer Hilflosigkeit der Halter oder aus einem Bedürfnis nach Autorität gegenüber dem Hund entstanden sein. Der Kausalzusammenhang dieser beiden Ergebnisse ist aber unklar. Klar ist, dass derartig ausgeführte Strafmaßnahmen auch im Sinne des Tierschutzes unterlassen werden sollten (Schöning 2011). Reagieren Halter eher deeskalierend auf unerwünschte Verhaltensweisen, zeigen auch die Hunde eine geringere Tendenz, schwere Verletzungen zu verursachen. Eskalierendes Verhalten geht immer mit einer Gefährdung aller Beteiligten einher (Jones 2009). Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Belohnen eines Verhaltens (z. B. durch Futter) dazu führt, dass das Verhalten des Hundes verstärkt und häufiger gezeigt wird im Sinne einer operanten Konditionierung. Im Gegensatz dazu zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass die Reaktion bei Fehlverhalten mit einer fälschlichen Bestärkung durch Futtergabe zu reagieren deeskalierend wirkt und in weniger Verletzungen resultiert. Die verbreitete Annahme, man müsse sich dem Hund gegenüber in Konfliktsituation auch körperlich behaupten, führt häufiger zu aggressiven Reaktionen des Hundes (Jones 2009). Daher sollten sachkundige Menschen geschult werden, nicht massiv durch körperliche Strafmaßnahmen auf Hunde einzuwirken, um Bissverletzungen zu vermeiden. Das Erkennen von Drohverhalten und eine adäquate Reaktion scheinen in diesem Zusammenhang als wichtigster Ansatzpunkt für die Prävention von Bissverletzungen. Diese Erkenntnis könnte in die Sachkundeprüfung des Berliner Hundegesetzes integriert werden, bspw. in dem dort ein Foto mit einem drohenden Hund gegenüber einem Menschen ergänzt wird (Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung 2019). Das gewaltsame Unterbinden dieses Verhaltens durch z. B. Hinunterdrücken könnte als falsche Antwortmöglichkeit genannt werden. In einer Studie von 2001 konnte festgestellt werden, dass Besitzer, die ihre Hunde stark eingeschränkt und mit kaum Freilauf führen, auch häufiger aversive Strafmaßnahmen im Umgang mit ihrem Hund wählen (Olsen 2008).
Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass ein generelles Führen an der Leine nicht vor Verletzungen durch Bissvorfälle schützt. Die im Tierheim abgegebenen, untersuchten Hunde zeigten durch das Führen an der Leine im Vergleich weniger schwere Verletzungen. Doch aus Sicht der Autorinnen ist dies keines Falls eine Grundlage der Schaffung eines grundsätzlichen Leinenzwanges. Ein gesetzlicher Leinenzwang soll als Mittel zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit dienen. Tatsächlich dient er aber nicht der Gefahrenprävention zur Verhinderung von Verletzungen durch Hunde an Menschen. Die häufigsten Bissvorfälle treten im direkten Umfeld und nicht in der allgemeinen Öffentlichkeit auf (Horisberger 2002). Als Mittel der Gefahrenprävention ist ein genereller Leinenzwang ungeeignet und tierschutzrelevant (Döring et al. 2008), da das Bewegungs- und Explorationsverhalten eingeschränkt wird.
Die Möglichkeit zu freiem Kontakt und Spielverhalten mit Artgenossen ist nicht möglich. Für das Sozialverhalten des Hundes ist dies jedoch von größter Bedeutung. In Berlin sind nicht ausreichend viele und große Freilaufflächen vorhanden, um den Hunden dieses Verhalten adäquat zu gewährleisten. Können die tiergerechten Bedürfnisse nicht erfüllt werden, so treten vermehrt Verhaltensstörungen auf. Wenn Hunde dauerhaft an der Leine geführt werden, können sie vor allem ihr Sozialverhalten nur eingeschränkt ausleben. Kommt es zu einer Reizarmut, entstehen im schlimmsten Fall bereits in der Sozialisationsphase irreparable Schäden (Schöning 2001). Alle Fehlentwicklungen und Verhaltensstörungen, die wegen einer Isolation in Bezug auf das Sozialverhalten auftreten, werden unter dem Sammelbegriff der „sozialen Deprivation“ zusammengefasst (Feddersen-Petersen 2004).
Frau Olsen hat in einer Untersuchung von Berliner Stadthunden beschrieben, dass Hunde, die weniger an der Leine geführt werden (Leinenklasse „wenig eingeschränkt“), seltener gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten zeigen als die Hunde, die häufiger an der Leine geführt werden (den anderen Leinenklassen zuzuordnen sind) (Olsen 2008). Ein allgemeiner Leinenzwang als Hilfsmittel zur Prävention von Bissvorfällen wäre nur umsetzbar, wenn durch den Halter und das Lebensumfeld ausreichend Möglichkeiten bestehen, Hunde entsprechend auszulasten und den tiergerechten Bedürfnissen nachkommen zu lassen.
Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie scheint es für Besitzer leichter zu sein, einen kleinen Hund regelmäßig auszuführen oder gar die Bedürfnisse des Hundes in ihren Alltag zu integrieren. Ein Mangel an Auslastung durch das Spazierenführen scheint bei kleinen Hunden keine primäre Ursache für die Entstehung der Gefährlichkeit zu sein. In einer Studie von 2010 wurde im Vergleich zu größeren Hunden (> 20 kg) festgestellt, dass kleine Hunde aggressiver und aufgeregter sind. Besitzer gaben an, weniger konsequent mit ihnen umzugehen und diese weniger zu erziehen (Arhant et al. 2010). Kleine Hunde, die gefährlich sind, erfüllen evtl. den voraussichtlichen Anschaffungszweck als Familienhund nicht mehr. Vermutlich werden diese deswegen eher abgegeben und sind in der Untersuchung häufiger repräsentiert.
Hunde, die wegen aggressiven Verhaltens abgegeben werden, sind vorwiegend Hunde, die gefährlich für den Menschen sind (signifikant mehr Hunde, die nur Menschen bissen, p  0,0001). Diese Verhaltensweisen überfordern Menschen eher, als die intraspezifische Aggression. In der Studie konnte kein Zusammenhang zwischen Bissvorfällen aufgrund einer innerartlichen Aggression und einer vermehrten Gefährlichkeit durch das Auftreten von Beißunfällen bei Menschen festgestellt werden. Doch es waren auch Halter in der Studie vertreten, die mit dem Aggressionsverhalten überfordert waren, ohne dass es einmal zu einer Verletzung durch den Hund kam.
Da die Frage, ob der Hund bereits eine Verletzung verursacht hat, erst deutlich mit ja beantwortet wurde, wenn schwere Verletzungen auftraten, sollte der besondere Fokus auch hier in der Prävention liegen. Besonders relevant erscheint dabei, dass auch drei Halter angaben, dass der Hund keine Verletzung verursacht hat, obwohl der Hund die Haut schwer verletzt hat. Halter sollten geschult werden, Gefahren, die von ihrem eigenen Hund ausgehen, zu erkennen und bewusst wahrzunehmen. Nur dann kann verantwortungsbewusstes und eigenverantwortliches Handeln in Bezug auf die Gefahrenprävention beispielsweise durch einen Maulkorb gewährleistet werden. Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass es innerhalb einer Familie besonders wichtig ist, einheitliche Erziehungsmethoden anzuwenden, darüber sollten Hundebesitzer informiert werden. Allgemein sollten in Bezug auf die Sachkunde nicht nur der Halter, sondern auch der ‚Nicht-Halter‘ geschult werden. Werden Kinder ( 18 Jahre alt) in Theorie und Praxis geschult, so hat dies einen positiven Effekt vor allem auf das adäquate Verhalten im Umgang mit Hunden (Shen et al. 2017) und dient darüber hinaus der Gefahrenprävention.
Besonders überraschend war, dass die Inanspruchnahme eines Hundetrainers zu keiner Verbesserung geführt hat, im Sinne eines weniger häufigen Auftretens von Verletzungen durch den Hund. Die Kausalität ist jedoch unklar. Die Hunde könnten entweder so auffällig gewesen sein, dass auch ein Trainer keine ausreichende Abhilfe schaffen konnte, oder die theoretischen und praktischen Fähigkeiten des Trainers nicht ausreichten. Derzeit gibt es keine einheitlichen Kriterien, um die Sachkunde der Hundetrainer zu überprüfen. Die Fähigkeiten gefährliche Hunde entsprechend zu therapieren und Besitzer entsprechend anzuleiten, sollte aus Sicht der Autorinnen bei allen Experten verbessert werden. Schadensfälle lassen sich vermeiden, wenn Aggressionsprobleme rechtzeitig erkannt und adäquat therapiert werden. Ein Weg Bissvorfälle zu verhindern und Abgaben von Hunden wegen aggressiven Verhaltens zu minimieren, könnte das Einbeziehen der Tierärzteschaft sein (Döring und Erhard 2006). Colleen S. Koch empfiehlt, bei Verhaltensproblemen mit dem Haustier als ersten Ansprechpartner den verhaltenstherapeutisch ausgebildeten Tierarzt aufzusuchen (Koch 2018). Studierende der Veterinärmedizin sollten zudem besser in diesem Themenfeld vorbereitet werden. Janet M. Scarlett beschreibt, dass Hunde, welche im Tierheim abgegeben werden, in der Regel im vorangegangenen Jahr einen (Haus-)Tierarzt sahen (Scarlett et al. 2002). Dieser wäre als Kontrollinstanz zur frühzeitigen Erkennung von gefährlichen Verhaltensweisen des Hundes geeignet, welche die Besitzer überfordern. Mit entsprechender Überweisung an einen qualifizierten Spezialisten könnte dies sowohl der Gefahrenprävention, als auch dem Tierschutz dienlich sein (Döring und Erhard 2006).
Hunde, die in das Tierheim gelangten, vermittelt wurden und wieder zurück ins Tierheim gegeben wurden (Rückgabetiere), verursachen schwerere Verletzungen (p = 0,022, exakter Test nach Fischer). Darüber hinaus ist es schwieriger einen Hund adäquat zu vermitteln, der bereits auffällig geworden ist. Das Risiko eines schweren Vorfalls (blutende Bissverletzung) muss für Tierheime einkalkuliert werden. Hier müssen Überlegungen angestrebt werden, wie Halterwechsel auf ein Minimum reduziert werden können.
In dieser Studie konnten keine Zusammenhänge zwischen einer Gefährlichkeit und einer bestimmten Rasse festgestellt werden. Dies bestätigt bereits vorherige Studien (Hettwer 2017, Mittmann und Angela 2002, Riedel 2014). Ein Hund der Rasse ‚Pitbull oder Pitbull Terrier‘ ist nicht definierbar und erscheint daher nicht in dieser Studie.
Obwohl die verschiedenen Listenhunderassen in eine gemeinsame Gruppe (Listenhunde) zusammengefasst wurden, konnte kein Zusammenhang zu Bissvorfällen oder einem Schweregrad festgestellt werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine aktuelle Studie von 2018 (Thiesen-Moussa 2018). Dennoch werden Hunde aufgrund ihres Phänotyps fälschlich als gefährliche Rassen in Gesetzestexten erwähnt und beauflagt, um eine vermeintliche Gefahr abzuwenden. Der American Staffordshire Terrier und der Bullterrier sind zwar als Rassen anerkannt, der Pitbull, welcher auch in der HundVerbrEinfG (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2001) genannt wird, ist jedoch keine anerkannte Hunderasse. ‚Pitbull‘ bezeichnet, wie in anderen Bundesländern bereits beschrieben, eine Übergruppierung eines nicht definierten Hundetypus (Sächsisches Staatsministerium des Innern). Hunde der Rasse ‚American Pitbull Terrier‘ sind zwar in einigen ausländischen Verbänden (z. B. United Kennel Club, American Dog Breeders Association) anerkannt, jedoch ist dieser Hund nicht in der entsprechenden Verordnung zu dem Berliner Hundegesetz aufgeführt. Auch der ‚American Pitbull Terrier‘ ist weder vom VDH (Verband für das deutsche Hundewesen e.V.), noch von der FCI (Fédération Cynologique Internationale) oder von dem AKC (American Kennel Club) als Rasse anerkannt. Eine objektive Bestimmung einer Rasse ist ohne Zuchtnachweis kaum möglich und Mischlinge werden eventuell fälschlicherweise auch in wissenschaftlichen Studien unter einer anderen Rasse geführt. Manche Wissenschaftler sprechen sich für eine validierte Identifikation der einzelnen Hunderassen aus (Ozanne-Smith et al. 2001). Außerdem können statistisch fundierte Aussagen zu Beißvorfällen ohne eine Angabe zu bestimmten Rassepopulationen nicht getroffen werden (Roiner 2016).
In einer österreichischen Studie, welche von 1994–2003 aufgetretene Hundebissverletzungen von Kindern bis 17 Jahren untersuchte, waren Mischlinge überrepräsentiert. Im Verhältnis zur Hundepopulation war der Deutsche Schäferhund, gefolgt vom Dobermann am häufigsten an Bissvorfällen beteiligt. Insgesamt bissen diese beiden Hunderassen demnach fünfmal so häufig wie Mischlinge (Schalamon et al. 2006). Der Schutz der Bevölkerung vor Hundebissen wird durch eine Rasse­liste nicht gegeben, sondern fördert eher die Angst der Menschen (Patronek et al. 2010). Die Entstehung von gefährlichen Gegebenheiten mit Hunden ist nicht auf eine Rasse zurückzuführen (Patronek 2013). Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist die Schaffung besonderer Richtlinien für Hunde eines bestimmten Phänotypus kein probates Mittel zur Gefahrenprävention (Roiner 2016). Eine Abschaffung der Gefährlichkeitseinstufung von Hunden aufgrund phänotypischer Merkmale (Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz 2016) sollte auch in Bezug auf das Berliner Hundegesetz vorgenommen werden. Dennoch konnten Zusammenhänge zwischen gefährlichen Hunden und bestimmten Menschen in der Vergangenheit festgestellt werden. Beispielsweise konnte ein niedriger Bildungsstand und ein kriminelles Umfeld der Halter bei Hunden mit Bissvorfällen dargelegt werden (Shuler et al. 2008). In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Menschen, die ihre Tiere im Tierheim abgegeben haben, bereit waren, Verantwortung für ihr Tier zu übernehmen.
Um die unkontrollierte Fortpflanzung von sogenannten Listenhunden zu verhindern, kann eine Kastration des Tieres dienlich sein. In dieser Studie sind Hunde, die außer der Begründung zur Fortpflanzungsverhinderung kastriert wurden, häufiger auffällig geworden. Laut § 6, Abs. 1 des Tierschutzgesetzes ist die Entnahme von Organen ohne eine medizinische Indikation verboten. Neben klassischen medizinischen Indikationen (z. B. einer Pyometra) bedarf es einer exakten tierverhaltenstherapeutischen Indikation für eine Kastration. Ohne Indikation wird mit der Kastration gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Daher ist davon auszugehen, dass künftig vermehrt intakte Hunde vor allem in städtischem Umfeld wie Berlin aufeinander treffen. Damit Menschen in diesem Punkt ausreichend geschult sind, sollte man in der Sachkundeprüfung für Berlin auf das Verhalten von Rüden und läufigen Hündinnen vermehrt eingehen. Besonders wichtig sollte es gerade für Halter von Hündinnen sein, dass sie nicht nur auf blutigen Ausfluss achten, sondern auch Kenntnis über beispielsweise eine stille Läufigkeit haben.
Die in dieser Studie untersuchten Hunde sind keine Hunde, die über einen behördlichen Weg in das Tierheim kamen. Bei diesen Hunden ist davon auszugehen, dass die Besitzer durchaus gewissenhaft mit dem Tier als Mitgeschöpf umgehen und sich auch ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst sind. Denn diese Hunde wurden einem Tierschutzverein übergeben, eine Abgabegebühr wurde entrichtet und das Tier wurde nicht etwa einfach ausgesetzt. Dieser Umstand stellt gleichzeitig auch eine Limitation der Studie dar, denn es handelt sich um eine bestimmte Gruppe von Besitzern, die bereit sind, Verantwortung zu tragen. Alle Hunde sind bereits von den Besitzern als zu aggressiv eingestuft worden und kommen aus einer Großstadt, in welcher es einen begrenzten Raum für Mensch und Tier gibt. Künftig wäre es interessant, die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe von Besitzern nicht aggressiver Hunde zu vergleichen.
Der Zusammenhang zwischen dem Bellen und einer verminderten Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Bissvorfällen könnte unterschiedliche Ursachen haben. Wird das Bellen hier zu dem Drohverhalten gezählt, ist es ein sehr deutliches Signal gegenüber Menschen. Es ist wichtig jegliches Drohverhalten wahrzunehmen und entsprechend zu regieren. Drohverhalten sollte nicht so lange unterbunden werden, ohne den Konflikt des Hundes zu bearbeiten, bis die Tiere die Eskalationsstufen überspringen und ohne Vorwarnung beißen. Dieser Zusammenhang sollte weitergehend untersucht werden. Wenn Menschen im Umkehrschluss weniger gebissen werden, weil sie unscheinbarere Signale deutlicher wahrnehmen, könnte dies ein besonderer Schwerpunkt in Bezug auf die Sachkunde und Gefahrenprävention sein.
Die Limitationen der Studie liegen zum einen darin, dass die Umstände und der Vorgang, welcher zu einem Bissvorfall geführt hat, nicht weiter untersucht wurden, jedoch von besonderer Relevanz sind. Ob ein Hund sich in einer bestimmten Situation bedroht gefühlt hat, lässt sich nicht anhand des Fragebogens ableiten. Die Studie umfasst ausschließlich Hunde, die wegen ihres aggressiven Verhaltens in der Großstadt Berlin abgegeben wurden.
Künftig wäre es interessant, die Fragen mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen und die Studie auf das gesamte Bundesgebiet auszuweiten. Dabei wäre es interessant, die genauen Umstände zu erfragen, die zu Beißvorfällen geführt haben.
Um Gefahren möglichst präventiv zu bearbeiten, sollten Irrtümer in Bezug auf vermeintliche Rassen vermieden werden und Halter und Experten in ihrer theoretischen und vor allem in ihrer praktischen Sachkunde in bedrohlichen Situationen geschult werden. Kommt es dennoch zu einer Abgabe in ein Tierheim, so sollte diesem die Möglichkeiten gegeben werden, die Hunde nach aktuellem Stand der Wissenschaft und tierschutzkonform zu therapieren. Denn nur mit dem nötigen Sachverstand und den finanziellen Mitteln lassen sich die Tiere wieder in die Gesellschaft erfolgreich integrieren.

Conflict of interest

Es bestehen keine geschützten, finanziellen, beruflichen oder anderen persönlichen Interessen an einem Produkt, Service und/oder einer Firma, welche die im oben genannten Manuskript dargestellten Inhalte oder Meinungen beeinflussen könnten.

Ethische Anerkennung

Es wurden keine Tiere verwendet und während des Entstehens der vorliegenden Arbeit sind die allgemeingültigen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis befolgt worden.

Funding

Die vorliegende Arbeit wurde nicht finanziell unterstützt.

Autorenbeitrag

Konzeption oder Design der Arbeit: XK. Manuskriptentwurf: XK. Kritische Revision des Artikels: CT-R, RM. Endgültige Zustimmung der für die Veröffentlichung vorgesehenen Version: XK, CT-R, RM.

Korrespondenzadresse

Xenia Katzurke
Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corporation e.V.
Hausvaterweg 39
13057 Berlin
Xenia.katzurke@tierschutz-berlin.de

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