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Derzeit werden allein in Baden-Württemberg über 20.000 überschüssige Kälber geboren.
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Derzeit werden allein in Baden-Württemberg über 20.000 überschüssige Kälber jährlich geboren.

Ökologische Fleischerzeugung

Wann Bio zum Tierwohlproblem wird

Die hohe Nachfrage nach Biomilch „produziert“ immer mehr Kälber. Gerade für die männlichen Tiere gibt es bisher kaum eine Verwendung. Im Projekt WertKalb wurden Lösungsansätze entwickelt.

Kuhmilch hat im Zuge der veganen Bewegung und im Hinblick auf den Klimawandel einen zunehmend schweren Stand: Noch nie waren pflanzliche Alternativen wie Hafer- oder Mandelmilch so gefragt wie heutzutage. Wer das tierische Produkt weiter trinkt, kauft gern Biomilch, denn die ist bezahlbar und tut dem Gewissen gut: So glauben Verbraucher, dass sie mit dem Kauf eines Bioproduktes das Tierwohl unterstützen.

Entkopplung von Fleisch- und Milchmarkt

Das dieser Zusammenhang nicht zwangsläufig der Realität entspricht, hat nun die Universität Hohenheim aufgezeigt. In Folge der höheren Nachfrage von Biomilch werden immer mehr Kälber in biologischer Haltung geboren, für die es dann keine Verwendung gibt. Nach einer schnellen Trennung von der Mutterkuh, die ihre Milch ja an den Menschen abtreten soll, werden vor allem männliche Tiere häufig ins Ausland oder an konventionelle Betriebe verkauft – zur Mast. Denn die Nachfrage nach biologischem Kalbsfleisch hält mit der von Biomilch nicht Schritt, da es viele nicht kennen und weil es auch teurer ist. „Diese Kälber erfahren weder unter ethischen noch ökonomischen Aspekten eine Wertschätzung“, bedauert Prof. Dr. Mizeck Chagunda vom Fachgebiet Tierhaltung und Tierzüchtung in den Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim.

Nach den Erkenntnissen der Forschenden hat die Spezialisierung der Milchviehbetriebe zu einer Entkopplung des riesigen Milchmarkts und des vergleichsweise winzigen Fleischmarkts geführt: „Die Nachfrage nach Bio-Milch ist ungleich höher als nach Bio-Kalb- und -Rindfleisch“, erklärt Josephine Gresham, Koordinatorin der Projektes „Innovative Strategien für eine ethische Wertschöpfung der Kälber aus der ökologischen Milchviehhaltung“, kurz „WertKalb“.


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Verbraucher besser über Biokalbfleisch informieren

Verbraucher sollten noch besser aufgeklärt werden, das zeigt eine für Süddeutschland repräsentative Online-Umfrage unter 918 Teilnehmenden: Zwar wussten 63 Prozent der Befragten, dass Kuh und Kalb oft unmittelbar nach der Geburt voneinander getrennt und junge Kälber häufig über lange Strecken transportiert werden. Jedoch kannten das Problem des geringen Marktwertes überschüssiger Bio-Milchviehkälber sowie die geringe Nachfrage nach Bio-Rindfleisch nur sechs Prozent der Teilnehmenden.

„Vielen Menschen scheint der Zusammenhang zwischen Milch und Rind- bzw. Kalbfleisch nicht bewusst zu sein“, sagt Studienautorin Mareike Herrler vom Fachgebiet Angewandte Ernährungspsychologie der Universität Hohenheim. „Eventuell verdrängen sie diese Tatsache aber auch, um Schuldgefühle beim Kauf von Milchprodukten zu vermeiden.“

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Biomilch und Kälber: Welche Lösungsideen gibt es?

Gemeinsam mit Verbänden, Landwirten sowie Fachleuten haben die Forschenden der Uni Hohenheim einen Maßnahmenkatalog mit Lösungsansätzen formuliert. Folgende Maßnahmen wären denkbar:

  • Weniger Kälber produzieren: Dies wäre möglich, wenn die Zeit zwischen den Geburten (Zwischenkalbezeit) um drei Monate erhöht und die Laktation verlängert würde.
  • Entwicklung und Förderung von artgerechten Kuh-Kalb-Systemen (z. B. durch eine Querfinanzierung über die Milch) und von Bio-Kälbermastbetrieben (z. B. durch eine Kooperation mit Mutterkuhbetrieben)
  • Stärkere Nutzung von Gebrauchs- und Kreuzungszüchtungen: Hier nehmen die Kälber schneller an Gewicht zu und haben eine bessere Fleischqualität 
  • Auf Zweinutzungsrassen setzen
  • Mehr Wissen bereitstellen: Gezielte Informationen über die Problematik sowie zu möglichen Lösungen könnte die Kaufbereitschaft für ethisch hergestellte Milch- und Fleischprodukte erhöhen, wertvermittelnde Marketingkonzepte, wie z. B. die regionale „Bruderkalb“-Vermarktung und durch das Angebot in der (Betriebs)Gastronomie fördern die Bekanntheit von Bio-Kalbfleisch.

Letztlich wird es nicht die eine Strategie geben, die für alle Betriebe funktioniert. Hier müsse laut den Projektbeteiligten jeder Landwirt individuell entscheiden und einen entsprechenden Plan für die Zukunft machen. 

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