Journal Club

ACTH-Messung beim Pferd: Sichere Diagnose trotz Schmerzen?

Interferiert die schmerzbedingte Ausschüttung von Stresshormonen mit der Diagnose von equinem Cushing-Syndrom?

Überlagernde Effekte gefährden die Diagnose

Die vorliegende Studie untersuchte den Einfluss von verschiedenen Arten und Intensitäten von Schmerzen beim Pferd auf die basalen Blutkonzentrationen von adrenocorticotropem Hormon (ACTH) und Cortisol sowie auf den Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH)-Test. Ausgangspunkt war die Frage, ob bei Vorliegen von Schmerzen, die zu einer Ausschüttung der Stresshormone ACTH und Cortisol führen können, die labordiagnostische Abklärung einer hypophysären Pars-intermedia-Dysfunktion mittels Hormontests zuverlässige Ergebnisse liefert. Ein klassischer Anwendungsfall ist der Verdacht auf equines Cushing-Syndrom bei einem älteren Pferd mit Hufrehe. Das unterstellte Risiko wäre hier eine falsch-positive Cushing-Diagnose aufgrund einer erhöhten ACTH-Konzentration, die tatsächlich durch die Schmerzen verursacht wurde.

Studiendurchführung

Es wurden 15 Klinikpatienten untersucht, die wegen gering- bis mittelgradiger Schmerzen behandelt wurden. Die Schmerzbeurteilung erfolgte anhand einer Schmerzskala unter Berücksichtigung der jeweils zugrunde liegenden Erkrankung (Kolik, Hufrehe oder orthopädische Probleme). Jedes Pferd untersucht, während es Schmerzen hatte; für neun Pferde fand eine zweite Untersuchung nach Behandlungsende (schmerzfrei) statt. Zu beiden Zeitpunkten wurden vor und nach der intravenösen Applikation von 1 mg TRH Blutproben entnommen und auf ACTH und Cortisol untersucht.

Ergebnis und Fazit

Weder für basale noch für stimulierte ACTH-Konzentrationen war ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Pferden mit Schmerzen und schmerzfreien Kontrollen feststellbar. Auch die Schmerzintensität oder die Art der Grunderkrankung führten zu keinem statistisch signifikanten Unterschied zwischen den jeweiligen Vergleichsgruppen.

Die Aussagekraft von ACTH-Messungen und TRH-Stimulationstest war also durch gering- bis mittelgradige Schmerzen unterschiedlicher Genese in dieser Studie nicht beeinträchtigt. Nicht untersucht wurde die Zuverlässigkeit dieser Messungen bei hochgradigen Schmerzen. Es ist auch fraglich, ob die Einschätzung der Schmerzintensität auf andere Praxisbedingungen übertragbar ist, da sie zahlreichen Störfaktoren unterworfen ist. In Zweifelsfällen (wie gerade auch dem als klassischen Anwendungsfall benannten älteren Pferd mit Hufrehe) ist daher weiterhin eine vorsichtige Interpretation der Laborbefunde anzuraten. 

Originalpublikation

Gehlen H, Jaburg N, Merle R, Winter J (2020): Can Endocrine Dysfunction Be Reliably Tested in Aged Horses That Are Experiencing Pain? Animals (Basel). 10(8): 1426. DOI 10.3390/ani10081426

Zum vollständigen Artikel: hier