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bpt-Umfrage zeigt Potentiale

Was Angestellte wollen...

Von März bis Mai 2020 hat der bpt-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte eine Online-Umfrage unter angestellten Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Es wurden Arbeitsbedingungen und damit verbundene Zufriedenheit erfragt.

vom bpt und dem bpt-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte

Die neuen Umfrageergebnisse geben ein klares Bild zur Stimmungslage und den Arbeitsbedingungen der Teilnehmer. Die Arbeitszeiten haben sich im Vergleich zu vergangenen Umfragen etwas gebessert, trotzdem liegen noch immer gravierende Verstöße gegen das geltende Gesetz vor. Besonders unzufrieden waren die Teilnehmer mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsangeboten ist essenziell, um dem Tierärztemangel in Zukunft entgegenzuwirken. Das Gehalt wird besonders im Vergleich zu anderen Berufen als nicht angemessen empfunden. Unbezahlte Überstunden oder Rufbereitschaftsdienste verschärfen das Problem. Strukturelle postgraduale Weiterbildungsprogramme könnten Arbeitgeber in Zukunft noch mehr nutzen, um Angestellte zu motivieren und langfristig zu binden. Die deutschlandweite Harmonisierung der Fachtierarztausbildung sollte weiter vorangetrieben werden. Falls im eigenen Betrieb keine Weiterbildungsermächtigung vorliegt, können alternative Angebote wie z.B. Masterstudiengänge genutzt werden. Der bpt-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte setzt sich auf Grundlage dieser Daten weiterhin für ein harmonisches und faires Miteinander zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein.


Die Umfrage 
Das diesjährige Schwerpunktthema der Umfrage waren Fragen zu strukturierten postgradualen Weiterbildungsprogrammen. 480 vollständige Antworten praktizierender angestellter Tierärztinnen und Tierärzte wurden ausgewertet. Von diesen waren 90% Frauen und 39% bpt-Mitglied. Die Teilnahmequote von 5% aller in Deutschland praktizierenden angestellten Tierärzten kann als zufriedenstellend betrachtet werden.

Knapp drei Viertel der Teilnehmer arbeiteten in einer Praxis, die Übrigen in einer Klinik bzw. eine Person arbeitete im Tierheim. Im Median waren die Teilnehmer 34 Jahre alt und besaßen 5 Jahre Berufserfahrung. Die jeweiligen Arbeitgeber waren zu 85% tierärztliche Inhaberinnen oder Inhaber, zu 10% Praxisketten bzw. „Corporate“-Kliniken, zu 5% Universitätskliniken. Im Kleintiersektor arbeiteten 58%, mit Nutztieren 17%, in der Gemischtpraxis 13% und in der Pferdepraxis 12% der Umfrageteilnehmer.


Top Job:



Der Mehrheit fehlt strukturierte Weiterbildung
Gefragt nach ihrer Teilnahme an strukturierten Weiterbildungsprogrammen (z.B. eine Fachtierarztausbildung), verneinten dies 60% der Teilnehmer. Von den übrigen gaben 68% an, eine solche zum Zeitpunkt der Umfrage gerade zu durchlaufen, weitere 29% hatten sie schon erfolgreich abgeschlossen. Gründe für die Teilnahme an einer strukturierten Weiterbildung waren die Verbesserung des Gehalts, die persönliche Wertsteigerung, das Erlangen von Qualifikationen, Fachkompetenzen und einer Spezialisierung. Der Fachtierarzttitel war mit Abstand der beliebteste Abschluss, 62% aller Teilnehmer mit strukturierter postgradualer Weiterbildung strebten diesen Titel an.

Im Median wurden die Teilnehmer in 20% ihrer Arbeitszeit durch einen erfahrenen Kollegen weitergebildet. Die Teilnehmer wünschten sich mehrfach eine bessere Unterstützung des Weiterbildungsermächtigten während der Fachtierarztausbildung. Einige Teilnehmer thematisierten ein Verbesserungspotenzial bei den Arbeitsbedingungen während ihrer Ausbildung sowie eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Weiterbildung und Arbeit. Darüber hinaus wurde der Wunsch nach einem deutschlandweit einheitlichen Anforderungskatalog in der Fachtierarztausbildung geäußert. Deshalb möchte der bpt-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte noch einmal dringend an die Kammern appellieren, den Harmonisierungsprozess der Fachtierarztausbildung weiter voranzutreiben.
Außerdem bekundeten 46% aller Teilnehmer Interesse an einer zwei Jahre langen postgradualen Weiterbildung mit einem Abschluss „Allgemeinmedizin“. Eine Fachtierarztausbildung sei nicht in jeder Praxis möglich und dauere für manche Teilnehmer auch zu lang. Ein solcher Abschluss müsse jedoch gut mit der Arbeit und der Familie vereinbar sein. Der Arbeitskreis Angestellte Tierärzte sieht hier eine große Chance für Arbeitgeber ohne Weiterbildungsermächtigung, seine Angestellten zu motivieren und langfristig zu binden. Es gibt schon jetzt Angebote für berufsbegleitende strukturierte Weiterbildungsprogramme, wie z.B. an den Universitäten (Master of Science für Kleintiermedizin und Pferdemedizin, in Zukunft ggf. auch für Rindermedizin) oder bei Weiterbildungsinstitutionen und Weiterbildungsfirmen (Improve International, European School for Advanced Veterinary Studies und vieles mehr). Nach Meinung des Arbeitskreises werden in Zukunft immer mehr berufsbegleitende Online-Angebote in Kombination mit einigen Praxis-Präsenzterminen an Bedeutung gewinnen. Zu COVID-19-Pandemie-Zeiten geht hier der digitale Praktikerkongress vom bpt mit gutem Beispiel voran. So ist es nach Auffassung des Arbeitskreises wünschenswert, dass dieses Format auch bei strukturierten Weiterbildungsprogrammen an Bedeutung gewinnt, um eine bessere Vereinbarkeit mit dem Berufsalltag und der Familie zu gewährleisten.

Tiermedizin bleibt zeitintensiv
Die Teilnehmerinnen der Umfrage arbeiteten im Median 45 Stunden wöchentlich und an fünf Tagen in der Woche. In Vollzeit (≥40h/Woche) arbeiteten zwei Drittel und in Teilzeit ein Drittel der Teilnehmer. Der Frauenanteil der in Teilzeit tätigen Teilnehmer war deutlich höher (98%) als bei den in Vollzeit tätigen Teilnehmer (86%). Insgesamt gaben 72% der Teilnehmer an, nachts zu arbeiten, im Median waren es vier Nächte im Monat. Außerdem gaben 85% der Teilnehmer an, an Sonntagen zu arbeiten, hier war es im Median ein Sonntag im Monat.
Die gute Nachricht: Die diesjährige Umfrage zeigt, dass sich die Arbeitszeiten angestellter Tierärzte seit 2016 verbessert haben könnten. Aktuell gaben 62% der Umfrageteilnehmer an, maximal zehn Stunden täglich und maximal 48 Stunden wöchentlich zu arbeiten. In einer gleich angelegten Umfrage von 2016 waren es nur 53% der Teilnehmer (Abb.1, Legende siehe unten). Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch auch, dass noch immer 38% der Teilnehmer von 2020 länger als gesetzlich erlaubt arbeiten.
Die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit war durchwachsen (Abb. 2). Individuelle Arbeitszeitmodelle mit dem Arbeitgeber wurden gelobt, Verbesserungspotenzial gibt es noch bei der Bezahlung von Überstunden, Feiertagsdiensten und Rufbereitschaftsdiensten. Deshalb möchte der Arbeitskreis Angestellte Tierärzte demnächst einen Flyer mit praktikablen Lösungen für die Vergütung von Rufbereitschaftsdiensten veröffentlichen.


Leistung muss sich lohnen
Der Bruttojahresverdienst aller Teilnehmer betrug im Median 36.000 € bei einem medianem Bruttostundenlohn von 17,30 €. Wie auch schon in vorherigen Umfragen war das Gehalt positiv mit der Berufserfahrung korreliert. So verdienten in Teilzeit angestellte Tierärztinnen mit einer medianen Berufserfahrung von 8 Jahren 20 € brutto pro Arbeitsstunde, in Teilzeit tätige Tierärzte mit einer medianen Berufserfahrung von nur einem Jahr 15,40 € brutto in der Stunde (Tabelle 1).

Die Zufriedenheit mit dem Gehalt war durchwachsen (Abb. 2). Häufig wurde eine Verbesserung des Gehalts gefordert, darüber hinaus wurde eine finanzielle Diskrepanz zu anderen Berufen unterstrichen. Der Arbeitskreis Angestellte Tierärzte hat bereits Ende Februar eine Anhebung der bpt-Gehaltsempfehlungen angestoßen. Die Abstimmung steht im November in der Delegiertenversammlung auf dem digitalen Praktikerkongress aus.


Arbeitsbedingungen optimieren – Zufriedenheit steigern!
Insgesamt gaben 33% der Teilnehmer an, ihren jetzigen Arbeitsplatz nicht erneut wählen zu wollen, außerdem gaben 29% der Teilnehmer dies für ihren Beruf an. Kein Ergebnis, auf das die Tierärzteschaft stolz sein kann!

Die besten Zufriedenheitswerte erreichte die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten (Abb. 2). Die Teilnehmerinnen betonten, dass ein gutes Verhältnis zum Chef und ein respektvoller und fairer Umgang essenziell sei. Darüber hinaus äußerten die Teilnehmer jedoch auch Verbesserungspotenziale bei der Kommunikation untereinander. Wünschenswert sei ein wertschätzender Umgang und eine gute Führung. In einer vergangenen Studie wurde statistisch belegt, dass die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten den größten Einfluss bei angestellten Tierärztinnen auf die Arbeitszufriedenheit nimmt (Kersebohm 2018). Fortbildungsangebote für Führungskräfte wie z.B. die bpt Praxismanager-Seminarreihe können sicher zu einer Verbesserung der Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten beitragen.

Die meisten Teilnehmer (39%) waren unzufrieden mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Abb. 2). Gründe waren zum einen das Arbeiten im Notdienst und an Feiertagen, was sich mit den Familienzeiten nur schlecht vereinbaren ließe. Außerdem wurde die unzureichende Kinderbetreuung durch öffentliche Einrichtungen bemängelt – diese würden die Arbeitszeit nicht ausreichend abdecken. Eine externe Kinderbetreuung (z. B. durch Au-pairs oder Eltern) sei zwingend zusätzlich erforderlich. Solche Leistungen müssten jedoch auch mit dem verdienten Geld aus tierärztlicher Tätigkeit bezahlt werden können. Sobald dies nicht möglich ist, wird sich der Tierärztemangel aus Sicht des bpt Arbeitskreises Angestellte Tierärzte langfristig verschärfen.


Diskussion
Wie bei vielen Online-Umfragen muss stets bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden, dass es sich um keine vollkommen repräsentativen Werte handelt. Denn zum einen erreicht man mit der Bitte um Teilnahme nie alle aus der anvisierten Teilnehmerzielgruppe. Und zum anderen ist die Bereitschaft zur Teilnahme an Umfragen in der Regel bei jenen höher, die eine Veränderung der Verhältnisse wünschen. Trotzdem kann eine Teilnahmequote von 5% der Grundgesamtheit als sehr zufriedenstellend betrachtet werden.

Wir bedanken uns hiermit herzlich bei allen Teilnehmern für ihre Unterstützung!

Bilder:
Abbildung 1: Vergleich der tatsächlichen Arbeitszeiten von angestellten Tiermedizinern von 2016 (links im Bild, Dissertation Kersebohm) und 2020 (rechts im Bild, bpt Angestellten Umfrage 2020.

Tabelle 1: Bruttojahresverdienst und Bruttostunden-lohn von in Vollzeit und Teilzeit tätigen Tierärztinnen und Tierärzten.

Abbildung 2: Zufriedenheiten der Umfrageteilnehmer im Vergleich (bpt Angestellten Umfrage 2020). 


Literatur
Kersebohm, JC (2018): Praktiker im Wandel: Untersuchung der Arbeitsbedingungen und Zufriedenheiten praktizierender Tiermediziner in Deutschland (2016) Berlin, Freie Univ., Diss., 2018.
Kontakt: Dr. Johanna Kersebohm bpt-Arbeitskreis Angestellte Tierärzte
johanna.kersebohm@hotmail.de

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