Diversity

Vielfalt in der Tiermedizin willkommen heißen

Die Tiermedizin braucht mehr Diversität! Nur wer akzeptiert und mit den eigenen Bedürfnissen gesehen wird, kann sich im Beruf wohlfühlen.

„Zu viele Kolleginnen und Kollegen geben die Tiermedizin zu früh auf – einen Beruf, den die meisten von uns aus Leidenschaft gewählt haben“, so fasst Rens van Dobbenburgh, der Präsident des Europäischen Tierärzteverbandes FVE, ein großes Problem in Zeiten des Tierärztemangels zusammen. Lange Arbeitszeiten, vergleichsweise schlechte Bezahlung und die oft herausfordernde Kommunikation mit Patientenbesitzern sind nur einige der Faktoren, die Praktiker belasten. Auf der ganzen Welt scheinen Tiermediziner besonders anfällig für Burn out und Erschöpfung zu sein – bis hin zu einer erhöhten Suizidalität. Zu viele Tierärztinnen und Tierärzte geben die Praxis schon nach wenigen Jahren auf.

Das Problem ist bekannt – was wird dagegen unternommen? Dobbenburgh eröffnete ein FVE-Webinar im Dezember 2022, in dem zum Thema Mental Health und Diversität diskutiert und die Ergebnisse einer aktuellen Studie vorgestellt wurden. Der FVE hatte gemeinsam mit Zoetis untersucht, was internationale Tierärzteorganisationen tun, um die psychische Gesundheit sowie Diversität, Fairness und Integration von Minderheiten zu stärken. Dazu wurden Kolleginnen und Kollegen sowohl online als auch in kleinen Gruppen befragt sowie Webinare durchgeführt. Die Ergebnisse stellte Erstautorin Florentine Timmenga vor.

Foto: Andrey Popov - stock.adobe.com Akzeptanz für Diversität hat einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit im Beruf.

Wer „anders“ ist, hat es in der Tiermedizin schwer

Die Studie setzte einen Fokus bewusst auf einen weiteren Stressor, der häufig in Umfragen genannt wird: Das Gefühl, im Beruf nicht willkommen zu sein. In den USA ist die Tiermedizin die Berufsgruppe mit der geringsten ethnischen Vielfalt, 93,8 % der Kolleginnen und Kollegen sind weiß und nicht-lateinamerikanisch. Obwohl der Frauenanteil in Europa bei 58 % liegt werden Frauen im Schnitt nach wie vor schlechter bezahlt als männliche Kollegen. Mitglieder der LGBTQI+-Community kämpfen in der Tiermedizin vermehrt mit Mental-Health-Problemen und sind häufiger selbstmordgefährdet.

Fast allen von der FVE befragten Tiermedizinern waren Unterstützungsprogramme für die psychische Gesundheit im eigenen Land bekannt, auch wenn noch lange nicht jeder die Hilfe bekommt, die er bräuchte. Unterstützungsprogramme für mehr Vielfalt in der Profession und gegen Diskriminierung sind hingegen weit weniger verbreitet und stecken häufig noch in den Kinderschuhen.

Akzeptanz für Diversität hat einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit im Beruf, der nicht unterschätzt werden sollte, betonen Timmenga und die FVE. Die Tiermedizin braucht Veränderung! Für eine zukunftsfähige Profession sind mehr Offenheit und ein erhöhtes Bewusstsein für die Bedürfnisse der vielfältigen Gruppen von Tiermedizinern entscheidend. Diversität umfasst dabei nicht nur die der LGBTQI+-Community und unterrepräsentierte Ethnien, sondern eine Vielfalt von Minderheiten wie Menschen mit Behinderung oder solche aus armen oder bildungsfernen Familien. Spezifische Gruppen wie Jung und Alt, Teilzeit und Vollzeit, Spezialist und Generalist oder Tierarzt in der Stadt und auf dem Land dürfen nicht diskriminiert oder gegeneinander ausgespielt werden.

Sich stark machen für mehr Vielfalt

Tierärztliche Kliniken und Praxen werden ermuntert, Mental Health sowie Diversität und Toleranz in das eigene Leitbild und das interne Regelwerk aufzunehmen. Praxen sollten für ein sicheres und vorurteilsfreies Arbeitsklima einstehen und die Bedürfnisse spezifischer Gruppen zum Beispiel durch Arbeitsgruppen stärken, die sich für Diversität einsetzen. Mentoring-Programme und Vorbilder aus der eigenen Gruppe, die bereits mitten im Berufsleben stehen, können ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln. Tierärzteorganisationen sollten das Bewusstsein für Vielfalt fördern und unterrepräsentierte Gruppen unterstützen, indem sie  Webinare und Fortbildungen anbieten oder praktische Unterstützung leisten, beispielsweise über Ombudspersonen, Telefonhotlines oder eine Rechtsberatung. Beginnend an den Universitäten kann die Tiermedizin so offener werden für eine vielfältige junge Generation.

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