Die equine rezidivierende Uveitis (ERU) ist eine seit der Antike bekannte progrediente Augenerkrankung. Das Geschehen am Auge ist dabei als Spätfolge einer systemischen Leptospiren-Infektion zu verstehen und tritt erst Monate bis Jahre nach der akuten Infektion in Erscheinung.
Eine neue Publikation aus München stellt in einem eindrucksvollen und spannend geschriebenen Review neueste Forschungsergebnisse im Kontext der langen wissenschaftlichen Vorgeschichte dar. Nach einer einleitenden Begriffsklärung und Würdigung der bisherigen Forschungs- und Erklärungsansätze widmet sich der Text den verschiedenen Uveitiden beim Pferd und fasst die differenzialdiagnostisch wesentlichen Aspekte prägnant zusammen. Darauf folgt eine Abhandlung der verschiedenen therapeutischen Ansätze. Auch hier darf sich der Leser über deutliche Aussagen und Orientierungshilfen freuen.
Diagnostik: Kammerwasser und Glaskörpermaterial
Weiter geht es mit der Diagnostik, die sich – nach kurzem Seitenblick auf das Blutserum – auf intraokulares Probenmaterial wie Kammerwasser und Glaskörpermaterial konzentriert. Ausführlich werden die Untersuchungsmöglichkeiten und der daraus gewonnene Wissenszuwachs dargestellt. Das seit Etablierung der Vitrektomie vermehrt zur Verfügung stehende Glaskörpermaterial hat im Lauf der Jahrzehnte grundlegende Erkenntnisse über das Infektionsgeschehen ermöglicht.
Top Job:
Biofilm im Glaskörper
Die spannendste Neuentdeckung dürfte die Bildung von Leptospira-Biofilmen im Glaskörper von Pferden mit ERU sein. Dr. Kerstin Ackermann konnte 2021 in ihrer Dissertation an der Pferdeklinik der LMU München erstmals die Biofilmbildung für Leptospiren in vivo im Glaskörper von an ERU erkrankten Pferden nachweisen. Hierfür verglich sie die Morphologie von Leptospiren in bei der Vitrektomie gewonnenen Glaskörperproben mit der pathogener Kulturleptospieren. In den Proben konnten Leptospiren identifiziert werden, die sich zu Zellklustern zusammengelagert hatten und von amorphem Material umgeben waren, welches die Bakterien selbst produzieren.
Durch die Bildung von Biofilm sind die Leptospiren vor der Eliminierung durch das Immunsystem geschützt. Die Bakterien können im Glaskörper von an ERU erkrankten Pferdeaugen persistieren, was den chronisch progressiven Verlauf der Erkrankung erklären könnte.
Therapie der Wahl ist die Vitrektomie
Das Review stellt schlüssig dar, wie sich die chronische Infektion durch diese Biofilme etablieren kann, deren Charakteristika ausführlich beschrieben werden. Das Vorliegen eines Biofilms erklärt auch viele bis dato nicht verstandene Merkmale der ERU und den Misserfolg unterschiedlicher pharmakologischer Therapieansätze.
Gerne und mit erfrischter Einsicht folgt der Leser am Ende dem klaren, wissenschaftlich und klinisch kohärent begründeten Fazit: Zum Erhalt oder gar zur Verbesserung des Visus bei ERU ist nach derzeitigem Kenntnisstand keine andere Therapie so gut geeignet wie eine sorgfältig durchgeführte Vitrektomie.
Originalpublikation
Wollanke B, Gerhards H, Ackermann K (2022): Infectious Uveitis in Horses and New Insights in Its Leptospiral Biofilm-Related Pathogenesis. Microorganisms 10(2): 387. doi.org/10.3390/microorganisms10020387