Image
Foto: REDPIXEL - stock.adobe.com
Coronavirus mit Platz für Text

Interview

Eine Versicherung gegen Pandemien

Professor Albert Osterhaus, Veterinärmediziner und Virologe, hat schon seit Langem davor gewarnt, dass ein Virus die Speziesbarriere überwinden und eine Pandemie auslösen könnte. Er plädiert für mehr Investitionen in die Forschung.

Professor Dr. Albert Osterhaus ist Virologe und Leiter des Research Center for Emerging Infections and Zoonoses (RIZ) an der TiHo Hannover. Wir haben mit ihm über Viren gesprochen, die vom Tier auf den Menschen überspringen könnten - und darüber, warum angesichts zukünftiger Pandemien mehr Investitionen in die Forschung nötig wären.

Hat das Risiko für ein Spill-over zugenommen?

Osterhaus: Ja, das kann man schon daran sehen, was in den letzten Jahren passiert ist: die Corona­virusinfektion, aber auch die Influenzavirusinfektionen, die von Hühnern gekommen sind, AIDS und Ebola von Schimpansen – und das sind nur einige Beispiele ... So viel hat sich verändert in unserer Welt. Wir sind im Anthropozän: Die Welt hat sich durch humanen Einfluss so sehr geändert, dass es für Viren immer neue Möglichkeiten gibt, die Speziesbarriere zu überqueren.

Sehen Sie Möglichkeiten, gegenzusteuern?


Top Job:


Osterhaus: Natürlich müssen wir versuchen, unser Verhalten zu ändern. Der Klimawandel muss unbedingt gebremst werden. Aber es gibt so viele Änderungen, dass es sehr schwierig ist, diese Entwicklung noch zu bremsen, und wahrscheinlich nicht möglich, sie umzukehren.

Das heißt, wir sollten uns besser auf Pandemien vorbereiten?

Osterhaus: Wir könnten viel besser vorbereitet sein. Das zeigt das Beispiel Coronaviren: Ich habe lange mit Coronaviren gearbeitet, schon vor etwa 35 Jahren zum Coronavirus der Katze promoviert. Niemals hätte man gedacht, dass diese Coronaviren im Menschen wirklich ein Problem sein könnten. Dann haben wir MERS und SARS entdeckt und jetzt ein drittes gefährliches Coronavirus. Coronaviren beim Menschen hat es auch vorher gegeben, aber die haben nur einen Schnupfen verursacht. Auf diese neuen Viren waren wir nicht vorbereitet – obwohl wir schon gefährliche und eben tödliche Coronaviren von Katzen, Schweinen und Geflügel kannten.

Aber ein Risiko sind nicht nur die Coronaviren, es sind die Influenzaviren, die Paramyxoviren … Es gibt viele Virusfamilien mit Kandidaten in der Tierwelt, die die Speziesbarriere überqueren und zum Menschen kommen können. Wenn das nur einmalig geschieht, wie bei der H5N1-Influenzavirusinfektion von Hühnern – dann wird eine Person krank und kann eben sterben. Aber sie gibt das Virus nicht weiter. Wirklich gefährlich wird es, wenn es zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommt.

Was gäbe es für Möglichkeiten, besser vorbereitet zu sein? Universalimpfstoffe?

Osterhaus: Universalimpfstoffe, das ist natürlich eine Utopie. Wir arbeiten schon seit Langem an mehr universellen Influenzaimpfstoffen. Die werden niemals ganz universell sein. Aber wir können Impfstoffe entwickeln, die viel breiter schützen und auch viel länger. Es gibt Möglichkeiten, das für verschiedene Virusfamilien zu tun.

Das ist auch das, was wir bis jetzt gemacht haben: Schon vor fünf Jahren haben wir angefangen, universellere Impfstoffe gegen Coronaviren zu entwickeln. Wir haben gegen das MERS-Coronavirus einen Impfstoff gemacht, den wir zunächst in Kamelen getestet haben. Dieser Impfstoff ist jetzt in einem Humanversuch, Phase-1-Stadium. Wir haben schon versucht, uns vorzubereiten. Aber es gibt zu wenige Gruppen in der Welt, die das machen. Eigentlich sollten wir da viel mehr investieren. Wir investieren Millionen an Untersuchungsgeldern, was natürlich wichtig ist –, aber wir reden jetzt über Milliarden. Das ist wirklich wie eine Versicherung gegen Pandemien oder große Ausbrüche: Es wäre gut, wenn wir antivirale Antikörper oder Medikamente, aber auch Impfstoffe entwickeln, die breit einsetzbar sind. Das kostet natürlich viel Geld. Aber wenn wir sehen, was jetzt geschieht …

Die Pandemie, die wir jetzt sehen, ist natürlich schrecklich, aber die Spanische Grippe 1918 war eben noch schrecklicher. Das kann wieder passieren und wir müssen darauf vorbereitet sein. Wie wir Menschen uns heutzutage verhalten, das prädisponiert dafür, dass Viren die Speziesbarriere überqueren können. Wir müssen unser Verhalten ändern, aber wir müssen uns auch auf diese neuen Möglichkeiten vorbereiten. Gerade in „Friedenszeiten“ ist es sehr wichtig, in die Entwicklung von wirksamen Impfstoffen und antiviralen Medikamenten zu investieren. Wir müssen eine Versicherungsprämie gegen diese neuen Pandemien zahlen, müssen wirklich investieren, nicht nur ein paar Millionen, sondern ernsthaft investieren, um besser auf die Zukunft vorbereitet zu sein.

Image
Bei SARS-CoV-2-Infektionen im Haushalt können sich auch Tiere anstecken.
Foto: Mihailo - stock.adobe.com

Interview

SARS-CoV-2 Infektionen bei Katzen und Hunden

Katzen und Hunde können sich mit SARS-CoV-2 infizieren. Was ändert sich durch neue Varianten? Wann ist ein Test sinnvoll? Wir haben mit Virologe Prof. Albert Osterhaus über Tiere in der Pandemie gesprochen.

Image
Katzen können sich mit SARS-CoV-2 infizieren, geben das Virus aber nicht an Menschen weiter.
Foto: nitikornfotolia - stock.adobe.com

Interview

„Das Virus kommt nicht durch die Katze ins Haus.“

Prof. Dr. Albert Osterhaus hat mit uns über die Rolle von Haus- und Wildtieren in der COVID-19-Pandemie gesprochen.

Image
Foto: Patrick Daxenbichler - stock.adobe.com

Kleintierpraxis

Schmerzbeurteilung und -therapien bei Hunden und Katzen

Das Schmerzmanagement ist ein zentraler Bestandteil in der tierärztlichen Praxis. Für eine erfolgreiche Behandlung ist es essenziell, Schmerzen frühzeitig zu erkennen, korrekt zu bewerten und einen angemessenen Therapieplan zu erstellen. Dieser Artikel erläutert aktuelle Empfehlungen der American Animal Hospital Association (AAHA) zu Schmerzbeurteilung und -therapien.