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Erster Termin als FVE-Präsident mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel
Foto: bpt
Erster Termin als FVE-Präsident mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel

bpt | Interview

„Was man in Brüssel verhindern kann, das kann in Berlin nicht mehr anbrennen“

FVE-Präsident Dr. Siegfried Moder im Interview. Inhaltliche Schwerpunkte seiner Präsidentschaft werden Tierärztemangel und Therapiefreiheit sein. 

Herr Dr. Moder, am 16. Juni wurden Sie zum neuen Präsidenten des Europäischen Tierärzteverbandes FVE gewählt. Ein großer Erfolg für Sie?

Moder: In erster Linie ist das ein Erfolg für den bpt. Ich habe zwar kandidiert, aber entscheidend für den Erfolg war, dass sich der bpt seit Jahren stark in der FVE engagiert. Seit vielen Jahrzehnten sind wir eines der aktivsten FVE-Mitglieder. Und ohne zuletzt die erfolgreiche bpt-Antibiotikakampagne in 2021 hätte es die FVE glaube ich nicht geschafft, die Meinung im Europäischen Parlament zum Verbot von bestimmten Antibiotika noch zu drehen. Das wäre ein schwerer Schlag für unsere Therapiefreiheit gewesen! Der Erfolg hat bei den europäischen Kolleginnen und Kollegen Eindruck gemacht. Ich glaube, das hat sich jetzt ausgezahlt.

Was steht jetzt für Sie als erstes auf dem Programm?

Moder: Als erstes müssen wir uns im FVE-Board (Vorstand) organisieren und die Arbeitsweise mit der FVE-Geschäftsstelle in Brüssel klären. Drei von fünf Vorstandsmitgliedern sind ja neu, meine Kollegin Mette Uldahl aus Dänemark und ich haben neue Funktionen. In der ersten Board-Sitzung Ende August haben wir die Ressorts verteilt. Als Nutztierpraktiker weiß ich, was Teamarbeit bedeutet. Damit ich mich vor allem auf die Interessenvertretung gegenüber EU-Kommission, Parlament und Rat konzentrieren kann, ist eine klare Aufgabenteilung wichtig.


Top Job:


Mette Uldahl wird als 1. Vizepräsidentin meine Stellvertreterin, sie kümmert sich um die Themen Tierschutz und Mental Health und wird mich auch häufiger bei repräsentativen Anlässen vertreten. Piotr Kwicienski aus Polen ist mein Nachfolger als Schatzmeister und widmet sich um den für uns als bpt wichtigen FVE-Arzneimittelausschuss, dem übrigens auch, die Entscheidung ist ganz frisch, Dr. Torsten Pabst (Vorsitzender bpt-Fachgruppe Schwein) und Präsidiumsmitglied PD Dr. Andreas Palzer (als WHO-Experte) angehören werden. Jane Clark aus Großbritannien ist zuständig für Tiergesundheit, Massenzio Fornasier aus Italien bearbeitet die Themen Ausbildung, berufliche Angelegenheiten und Digitalisierung.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie als FVE-Präsident setzen?

Moder: Da steht an oberster Stelle der Tierärztemangel. Das ist für alle FVE-Mitglieder das drängendste Problem. Wir müssen der Politik hier noch mehr erklären, dass sich etwas ändern muss bei der tierärztlichen Ausbildung, bei der Bürokratie etc. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Standards in der EU bei der Tiergesundheit, beim Tierschutz und bei der Lebensmittelsicherheit Schaden nehmen, dann ist hier Eile geboten.

Weiterer Schwerpunkt ist der Erhalt der Therapiefreiheit! Das EU-Tierarzneimittelrecht steht zwar und wird sicherlich auch in den nächsten Jahren nicht wieder angefasst, es gibt aber noch eine ganze Reihe von Umsetzungs-Rechtsakten, z.B. zur Oralen Medikation, zur Umwidmung oder zur Reziprozität, die in jedem einzelnen Fall zu erheblichen Problemen und zusätzlicher Bürokratie in der Praxis führen können. Da hier der Teufel bekanntlich im Detail steckt, gilt es hier aufzupassen. Und da bei der nationalen Umsetzung immer nochmal was obendrauf gesetzt wird, gilt für mich der Grundsatz: Was man in Brüssel verhindern kann, das kann später in Berlin nicht mehr anbrennen. Brüssel stellt immer mehr die Weichen für Berlin. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, mit dem ich zusammen im BFB-Vorstand sitze und zu dem ich ein gutes Verhältnis aufgebaut habe, will ich auch versuchen, den One-Health-Dialog auf Brüsseler Ebene anzuschieben, nicht zuletzt um etwaigen Antibiotikadiskussionen vorzubauen, die nach der Europawahl im nächsten Jahr ganz sicher wieder aufleben.

Wichtige Themen werden auch die einheitliche Umsetzung des EU-Tiergesundheitsrechts und der Tierschutz sein. Ich hoffe sehr, dass die neue EU-Kommission in Bälde Vorschläge für verbesserte Tierschutzvorschriften vorlegt, die dann einheitlich für die ganze EU gelten und nationale Alleingänge beenden.

Und was mir auch ganz wichtig ist, ist die stärkere Einbindung der jungen Tierärztinnen und Tierärzte in die Meinungsbildung der FVE. Denn seien wir doch mal ehrlich, alles, was wir hier heute tun, das machen wir doch nicht für uns selbst, sondern machen wir für unseren Nachwuchs. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass unser Tierarztberuf vielfältig bleibt, Chancen bietet und Spaß macht und mit dem es sich, egal ob als Selbständiger oder Angestellter, gutes Geld verdienen lässt.

Hört sich gut an, die junge Generation stärker einbinden. Was haben Sie da konkret vor?

Moder: Mit dem ‚Netzwerk Junger bpt‘ ist schon ein großer Schritt getan. Ich bin ganz begeistert, wie die jungen Tierärztinnen und Tierärzte, die sich da bei uns engagieren, das Verbandsleben bereichern. So etwas ähnliches würde ich gerne auch auf der europäischen Ebene ins Leben rufen. Erstens, weil es das in einigen anderen FVE-Mitgliedsländern auch schon gibt, und zweitens, weil ich glaube, dass durch diesen europäischen Austausch die jungen Leute auch wirklich viel voneinander lernen können. Und drittens hoffe ich, dass wir dadurch auch besser Tierärztinnen und Tierärzte gewinnen, die auf FVE-Ebene mitarbeiten, sei es als Delegierte der Mitgliedsverbände oder als Mitglieder in FVE-Arbeitsgruppen. Als erste Maßnahme habe ich durchgesetzt, dass sich bei der anstehenden Herbst-Delegiertenversammlung im November in Brüssel alle ‚Jungen Netzwerke‘ vorstellen können, dann sehen wir weiter.

Das Thema Corporates haben Sie noch nicht erwähnt. Werden Sie sich auch mit der Entscheidung des obersten französischen Gerichtshofs und der Einleitung eines Prüfverfahrens der britischen Wettbewerbsbehörde zur Preisexplosion im britischen Tierärztemarkt befassen?

Moder: Ganz sicher ja! Im November treffen wir uns mit den Chefs der Corporates in Brüssel. Seien Sie sicher, dass ich hier kein Blatt vor den Mund nehmen werde, schon gar nicht vor dem Hintergrund, was das NRC Handelsblad aus Amsterdam Anfang September ans Licht gebracht hat, dass hier angeblich mit Steuertricks gearbeitet wird und es in einigen Ländern offenbar zu regelrechten Preisexplosionen für tierärztliche Leistungen gekommen ist. Weil das mehrere Länder betrifft, müssen wir das im Blick halten. Mein Ziel ist eine FVE-Strategie, in der es klare Grundsätze gibt, wie die tierärztliche Berufsausübung zu erfolgen hat. Da gehört für mich Transparenz genauso dazu wie glasklar sein muss, dass medizinische Entscheidungen nicht durch ökonomische Vorgaben beeinflusst sein dürfen. Ich will den Tierarztberuf als freien Beruf erhalten und ich will keine Entwicklung wie wir sie teilweise leider in der Humanmedizin sehen.

Was hat eigentlich der bpt davon, dass Sie jetzt FVE-Präsident sind?

Moder: Freuen würde mich, wenn unsere Mitglieder nach Ablauf meines Mandats sagen würden, der hat was vorangebracht, der hat was für uns erreicht. (Interview: bpt)