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Alkoholkranke Ärzte? Natürlich gibt es sie. Trotzdem bleibt die Substanzabhängigkeit von Medizinern ein Tabuthema.
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Wie viel Alkohol trinken Sie pro Woche?

Sucht

Alkohol – bin ich abhängig? 

Eine Alkoholabhängigkeit kann sich schleichend entwickeln und jeden treffen. Auch Tierärzte sind eine gefährdete Berufsgruppe.

Wir leben in Deutschland in einer sogenannten Permissivkultur. Der Konsum von Alkohol und Zigaretten ist ausdrücklich erlaubt und wird sozial nicht geächtet. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Alkohol ist ein großes Problem. Denn obwohl Wein, Bier und Schnaps psychisch sowie körperlich abhängig machen und psychotrop, also auf das zentrale Nervensystem (ZNS), wirken, ist Alkohol nicht nur legal und günstig, er steht in vielen Familien auch ganz selbstverständlich auf dem Tisch und organisiert  das Familienleben.

Ob private Krise oder Ärger auf der Arbeit: Jeder Mensch kann in eine Abhängigkeit geraten. Auch bei Tierärzten besteht die potenzielle Gefahr, dass sie ihre Sorgen in Hochprozentigem ertränken: Sie arbeiten viel und trennen sich häufig, geraten im Alltag in ethische sowie zwischenmenschliche Konflikte und tragen zudem viel Verantwortung. Sie leiden häufig an psychischen Erkrankungen wie Depressionen und diese sind wiederum mit Suchterkrankungen assoziiert.

Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich in der Regel schleichend und hat viele Gesichter. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert folgende Kriterien der Abhängigkeit:

  • Suchtdruck: starker Wunsch oder Zwang, die Substanz zu konsumieren 
  • Kontrollverlust: verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf Beginn oder Ende der Substanzeinnahme 
  • körperliche Entzugssymptome:  körperliche Entzugssymptome beim Absetzen der Substanz (Zittern, Schwitzen, Tachykardie)
  • Toleranz:  Für die gleiche Wirkung muss die Substanzmenge kontinuierlich ehöht werden.
  • Interessensverlust: zunehmende Vernachlässigung anderer Vergnügungen, Interessen und Pflichten
  • Trotz eindeutiger schädlicher Folgen (sozial, gesundheitlich, psychisch) kann der Substanzkonsum nicht beendet werden oder es liegt keine Motivation zu einer Beendigung vor.

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Wenn drei der obigen Kriterien erfüllt sind, liegt laut WHO eine Abhängigkeit vor. Von einer Alkoholkrankheit sprechen Experten, wenn der Substanzmissbrauch körperliche Veränderungen bewirkt hat, die diagnostisch nachweisbar sind.

Bin ich von Alkohol abhängig? 

„Ich habe alles unter Kontrolle und könnte jederzeit aufhören!“ „Es bereitet mir keine Probleme, auch mal zwei Tage nichts zu trinken!“ „Körperliche Entzugssymptome habe ich nie, dann bin ich auch nicht abhängig.“ Viele alkoholkranke Menschen belügen nicht nur ihr Umfeld, sondern auch sich selbst. Sie glauben die Substanz kontrollieren zu können, was sich häufig als Illusion erweist. Dadurch entstehen Schuld- und Versagensgefühle.

Alkoholabhängigkeit hat wie bereits beschrieben viele Gesichter, die über das Bild eines körperlich verwahrlosten Menschen hinausgehen, der bereits am Morgen zu Schnaps greift. Wenn jeden Abend nach der Praxis der Wein entkorkt wird oder die Gedanken schon früh um das Feierabendbier kreisen, wenn Sie sich jeden Tag vornehmen nur ein Glas zu trinken und dann vier trinken, kann das ebenso bedenklich sein.

Wer das eigene Trinkverhalten überprüfen will, wird online fündig. Der sogenannte AUDIT-Fragebogen der Ärztekammer oder der Alkoholismus-Selbsteinschätzungsbogen der WHO ist ein erster Schritt in Richtung Eingeständnis und Krankheitseinsicht. Auch Suchtberatungsstellen bieten kostenlose Gespräche im an.  Sie sind nicht allein! Hier erzählt ein alkoholabhängiger Arzt von seiner Sucht. 

Welcher Weg aus der Sucht der Richtige ist, ist individuell verschieden und führt nicht nur über die Anonymen Alkoholikern (AA), es gibt auch andere Selbsthilfegruppen, Suchtberatungsstellen oder Online-Programme. Wenn eine körperliche Abhängigkeit besteht, ist jedoch oftmals eine stationäre körperliche Entgiftung notwendig. 

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Wie helfe ich einem abhängigen Freund/Kollegen/Angehörigen?

Es ist nicht einfach Menschen zu helfen, die alkoholabhängig sind. Schuld und Scham der Betroffenen führen zu konsequentem Leugnen jeglichen Problems und Schuldzuweisung (“wenn Du nicht so viel streiten würdest, würde ich nicht so viel trinken!“), ebenso verstricken sich Angehörige schnell in ein Spiel aus Kontrolle, Macht und Schuld. Wenn Sie z. B. das Verhalten ihres Partners/Freundes in der Öffentlichkeit entschuldigen oder Alkohol kaufen, damit er/sie erträglicher ist, befeuert das eher die Sucht, Experten sprechen dann von Co-Abhängigkeit. Es hilft dem Betroffenen nicht, wenn das Umfeld mittrinkt (zusammen nur ein Glas!) oder ihm/ihr immer wieder aus der Patsche hilft. Stattdessen sollten die Konsequenzen des Trinkverhaltens aufgezeigt und klare Grenzen gesetzt werden. Im Gespräch kann es helfen, bestimmte Kommunikationsregeln zu achten: Verwenden Sie „Ich-Botschaften“, um Ihr Anliegen vorzubringen, zum Beispiel: „Ich finde es schade, dass wir gar nichts mehr unternehmen“.  Vermeiden Sie das Wort Alkoholiker und versuchen Sie nicht belehrend oder erzieherisch zu wirken. Signalisieren Sie dem Betroffenen, dass Sie ihn unterstützen/begleiten, wenn er sich Hilfe suchen möchte. Wichtig ist, dass Angehörige für sich selbst sorgen, sich abgrenzen und die eigenen Bedürfnisse achten. Hilfreich können hierbei Selbsthilfegruppen für Angehörige sein.

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