Mental Health

Suizid und Depression: vier Warnzeichen

Eine aktuelle Studie bestätigt: Tierärzte sind eine psychisch belastete Berufsgruppe. Sie erkranken häufiger an Depressionen und entwickeln öfter suizidale Gedanken als die Allgemeinbevölkerung. Woran liegt das?

Tierarzt sein ist eine Berufung, heißt es. Hier gibt es kein Nine to five, das weiß jeder. „Viele Tierbesitzer erwarten jedoch eine 24/7-Bereitschaft“, erzählt eine Kleintierpraktikerin. Das mache auf Dauer mürbe. Eine Kollegin ergänzt: „Letztens hatte ich im Notdienst einen Epileptiker, eine Magendrehung und einen Hund mit Dyspnoe. Die konnte ich kaum alle gleichzeitig versorgen, da hätte ich mich ja dreiteilen müssen. Das hat mich enorm gestresst.“

Stress – eine Belastung für die Psyche

Dauerbereitschaft und Unterbesetzung, ungeduldige Besitzer mit steigendem Anspruchsdenken, geringe Gehälter, hohe Scheidungsraten, ethische Konflikte, die häufige Konfrontation mit dem Tod – die Liste der Stressoren im Alltag eines tierärztlichen Praktikers ist lang. Der emotionale und stressige Alltag gefährdet: Dauerhaft erhöhte Cortisol-Level können wichtige Neurotransmitter im Gehirn durcheinanderwirbeln. Ist der Botenstoff Serotonin erniedrigt, fehlt eine hemmende Komponente für autoaggressives, impulsives Verhalten, wissen Neurobiologen. So produziert das Gehirn von Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depression und Burn-Out, die nicht erst seit der Corona-Pandemie eine immer weitere Verbreitung finden, mitunter zu wenig Serotonin. Eine kranke Psyche ist gefährlich: Sie zählt neben Alkoholismus, Traumata, finanziellen sowie sozialen Schwierigkeiten zu den häufigen Ursachen für Selbstmord.

Wie stark Tierärzte gefährdet sind, zeigt die Dissertation von Kathrin Schwerdtfeger: Laut den ersten in 2020 veröffentlichten Ergebnissen einer deutschlandweiten Umfrage aus 2016 (n = 3.179) haben praktizierende Tierärzte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein dreifach erhöhtes Risiko, an Depressionen zu erkranken und entwickelten doppelt so häufig suizidale Gedanken. Eine Zusammenfassung erster Ergebnisse erschien im Tierärzteblatt. 

Weg von Tabus, hin zu professioneller Hilfe

„Es ist erschreckend, wie viele von uns gefährlich nahe am Abgrund entlang stolpern“, schrieb Tierarzt Ralph Rückert auf seinem Blog nach den Suiziden zweier Kolleginnen. Im Artikel „Dunkle Tage, dunkle Gedanken“ erinnert er daran, dass auch Tierärzte nur Menschen sind, die Fehler machen können. Jedoch führte jedes Fehlverhalten bzw. Verhalten, das als solches gedeutet wird, heute schnell zu einer Negativbewertung oder gar „Bashing“ in den sozialen Medien.

(Sie fühlen sich ausgebrannt? Mithilfe des Copenhagener Burnout Inventory können Sie einen drohenden Burnout erkennen. Hier lesen Sie wie.)

 Damit die Tiermedizin nicht noch mehr Burn-outs und Suizide produziert, sollte jeder Praktiker in sich reinhören und seine Kollegen beobachten: Wie geht es mir und meinem Team? Was macht das Stress-Level? Folgende Verhaltensweisen sollten Ihre Alarmglocken zum Klingeln bringen:

  • Fehlzeiten: Häufig haben wiederkehrende Fehlzeiten eine psychische Ursache. Vielleicht gibt es bei Ihrem Mitarbeiter private Probleme oder Mobbing im Team? Regelmäßige Mitarbeitergespräche und eine offene Kommunikation schaffen Vertrauen und helfen Betroffenen, schwierige Themen anzusprechen.
  • Reizbarkeit: Menschen mit Depressionen sind häufig dünnhäutig und leicht reizbar, vor allem wenn das Stresslevel hoch und die Überforderung groß ist. Sie kennen ein solches Verhalten gar nicht von ihren Kollegen? Dann schauen Sie genauer hin und bieten Sie Hilfe an. Vielleicht können Sie für eine Übergangszeit bestimmte Aufgaben übernehmen.
  • Antriebslosigkeit: Vielleicht ärgern Sie sich darüber, dass ihr Mitarbeiter neuerdings zu spät kommt, dauernd müde ist und seine Leistung zu wünschen übrig lässt. All das können Anzeichen einer depressiven Episode sein. So sind Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche klinische Symptome der Erkrankung. Ignorieren Sie dieses Verhalten nicht, vor allem, wenn es nicht zu dem passt, was Sie von ihrem Mitarbeiter gewohnt sind.
  • Versteckte Hilferufe: Manch ein Depressiver sendet versteckte Hilferufe. Aussagen wie "ich kann/will nicht mehr" oder "manchmal denke ich daran, wie es wäre nicht mehr zu sein" sollten unbedingt ernst genommen werden!
  • Bei Depressionen ist professionelle psychotherapeutische Hilfe und häufig auch eine medikamentöse Behandlung notwendig. Für Betroffene gibt es Notfall-Telefonnummern, die rund um die Uhr Hilfe anbieten. Entsprechende Kontakte können ihren Platz am Schwarzen Brett der Klinik finden. 

    Wenn Sie von Suizidgedanken betroffen sind, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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