Politik

In der Diskussion: Korporativ-Vertrag zwischen bpt und AniCura

Der bpt und die AniCura Germany Holding GmbH haben einen Korporativ-Vertrag verhandelt. Der Verbund unabhängiger Kleintierkliniken (VUK) und der Bund angestellter Tierärzte (BaT) kritisieren dies.

Worum geht es?

2017 hat die bpt-Mitgliederversammlung in einem Grundsatzprogramm dem Präsidium einstimmig den Auftrag erteilt, die „Intensivierung der Zusammenarbeit mit nicht-tierärztlich geführten Praxen und Kliniken“ anzugehen. Gleichzeitig wurde die Grundlage geschaffen, um Korporativ-Organisationen als bpt-Mitglieder (ohne Stimmrecht) aufzunehmen. Vereinfacht gesagt wurde damit eine organisatorische Möglichkeit für Praxen und Unternehmen eröffnet, um für die dort tätigen Tierärzte eine bpt-Mitgliedschaft zu erwerben.

Im April hat das bpt-Präsidium im Einvernehmen mit dem Bundesvorstand einen entsprechenden Vertragsentwurf mit AniCura abgestimmt. Mit diesem Vertrag würde erstmalig die Möglichkeit einer ‚Praxismitgliedschaft‘ umgesetzt. Aufgrund der Tragweite dieser Entscheidung soll der Vertragsentwurf im Herbst noch einmal der Delegiertenversammlung 2021 vorgestellt werden. Nun ist aber bereits im Vorfeld eine Diskussion über das Vorgehen entbrannt.

Inhalte und Ziele des Korporativvertrags

Bei der Vereinbarung geht es um einen konkreten Vertrag und nicht (mehr) um eine grundsätzliche Corporate-Diskussion. Gemäß Korporativ-Vertrag soll AniCura künftig bei seinen angestellten Tierärzten für einen bpt-Beitritt werben und auf Wunsch die Mitgliedsbeiträge übernehmen. Der Beitritt ist laut bpt freiwillig, doch jeder AniCura-Tierarzt, der möchte, könnte dann persönliches, vollwertiges bpt-Mitglied mit den daraus resultierenden Rechten und Pflichten werden. Diese umfassen z.B. den Zugang zu Beratungsleistungen, Fortbildungsrabatte, das aktive und passive Wahlrecht. Der Korporativ-Vertrag stellt gleichzeitig sicher, dass AniCura-Tierärzte ihre Mitgliedschaft weisungsfrei ausüben können.

Ziel des Korporativ-Vertrages des Verbandes mit der Tierarztkette ist unter anderem, den bpt-Organisationsgrad, vor allem unter den jüngeren Kollegen zu erhöhen. In einer Stellungnahme des bpt heißt es: „Je mehr Mitglieder der Verband hat, desto größer ist das berufspolitische Gewicht und die Schlagkraft des bpt gegenüber Politik, Öffentlichkeit und Wirtschaftspartnern.“ Weitere Ziele sind die Stärkung des Beitragsaufkommens und der Angebote der bpt Akademie GmbH. Hier gilt es laut bpt, das Dienstleistungsangebot für alle Mitglieder auszubauen (z. B. Entwicklung der Digitalstrategie, Ausbau von Beratungsleistungen etc.) und im hart umkämpften Fortbildungsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben.

Kritik von BaT und VUK

Sowohl der Bund angestellter Tierärzte (BaT) als auch der Verbund unabhängiger Kleintierkliniken (VUK) haben den Korporativ-Vertrag kritisiert. Zwar halten die Interessensvertretungen eine Kooperation von Bündnispartnern mit gleichen Interessen für sinnvoll und erkennen die bisherigen Leistungen der berufspolitischen Standesvertretung an, gleichzeitig fürchten sie jedoch eine mögliche berufspolitische Einflussnahme durch finanzstarke Corporates und wünschen sich für alle Tierärzte Entscheidungsfreiheit bezüglich der Wahl ihrer Interessensvertretung.

Der VUK äußert sich enttäuscht über mangelnde Transparenz und die Tatsache, dass ihm entgegen anderslautender Aussagen die Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit bislang nicht angeboten wurde. Als Vertreter unabhängiger Tierkliniken betrachte der Verbund die Unterstützung der Corporates und damit des Strukturwandels mit Sorge. In einigen Regionen sieht der Verbund den Status des freien und unabhängigen Tierarztes bereits gefährdet. Für beide Organisationen stellt sich die Frage, welches Mitspracherecht künftig inhabergeführte Praxen und Kliniken im bpt haben werden und ob sie in den Genuss gleichwertiger Verträge kommen, damit die Kräfte ausbalanciert bleiben. Der BaT äußert sich zudem bezüglich Fortbildungen. Er befürwortet grundsätzlich die Vergünstigung von Fortbildungen für angestellte Tierärzte, ist aber darüber hinaus der Meinung, dass Arbeitgeber hier noch stärker in die Pflicht genommen werden sollten. So schreibt der Verein in einem Kommentar:

„Sicher, für angestellte Tierärzt: innen sind ermäßigte Fortbildungsstunden immer ein gutes Argument, da der Verdienst häufig zu wünschen übrig lässt. Aber wäre es nicht wünschenswerter, der Arbeitgebende trüge ohnehin die Fortbildungskosten?“

Faktencheck und Kommentar

In einem Faktencheck hat der bpt inzwischen zu den Fragen von BaT und VUK Stellung bezogen. Ausräumen konnte der bpt die Bedenken der anderen Organisationen damit jedoch noch nicht. Vor allem der BaT sieht seine Sorgen eher bestätigt und wünscht sich eine Stellungnahme seitens AniCura.

Der bpt stellte in einem Kommentar daraufhin nochmals klar, dass

  • der Korporativvertrag nicht gegen die in 2017 beschlossene Satzung verstößt,
  • jeder im Verband willkommen sei,
  • berufspolitische Entscheidungen nur von weisungsunabhängig agierenden bpt-Mitgliedern initiiert werden können, die in den bpt-Landesverbänden eine Mehrheit finden.
  • bpt-Geschäftsführer Heiko Färber ergänzt: „Bei ei der Vereinbarung zwischen bpt und AniCura geht es um einen konkreten Vertrag und nicht mehr um eine grundsätzliche Corporate-Diskussion.“ Diese hätte von Kritikern schon vor Jahren und auf Kammerebene geführt werden müssen. Es sei doch nicht von der Hand zu weisen, dass Corporates sich auf dem Markt etablieren konnten, weil inzwischen viele Tierärzte die Selbstständigkeit scheuen. „Studien zeigen, dass sich die Tiermedizin wandelt und in Zukunft ‚angestellt‘ und stärker ‚corporatisiert‘ sein wird.“ Die Interessen inhabergeführter Praxen und Corporates seien in vielen Punkten deckungsgleich. Dementsprechend ist die Einbindung der Corporates und ihrer Mitarbeiter ein logischer Schritt, den andere europäische Tierärzteverbände bereits vollzogen haben.

    Ganz vom Tisch ist das Thema sicher noch nicht. Aber spätestens auf der bpt Delegiertenversammlung im Herbst können bpt-Mitglieder Fragen stellen, wenn Bedarf besteht.

    .

    Zum vollständigen Artikel: hier