Tierschutzgesetz

Ab wann empfinden Hühnerembryonen Schmerz?

Das Tierschutzgesetz schreibt ab 2024 eine Geschlechtsbestimmung im Ei vor dem 7. Bebrütungstag vor. Doch Schmerzen spüren die Embryonen erst einige Tage später.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) kündigte Ende März 2023  eine Änderung des Tierschutzgesetzes an. Eine vom BMEL in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass Hühnerembryonen erst ab Bebrütungstag 13 die Fähigkeit zur Weiterleitung von Schmerzreizen und ihrer Verarbeitung im Gehirn entwickeln – deutlich später als bisher angenommen. 

Geschlechtsbestimmung vor Tag 7 noch nicht praxisreif

Im Sommer 2021 wurde das routinemäßige Töten männlicher Küken von Legerassen verboten. Alternativ kommen Verfahren zum Einsatz, die eine Geschlechtsbestimmung im Hühnerei erlauben. Derzeit werden die Bruteier zwischen Tag 9 und 14 selektiert – obwohl bei der Änderung des Tierschutzgesetzes 2021 davon ausgegangen wurde, dass Hühnerembryonen bereits ab Bebrütungstag 7 Schmerzen empfinden können. Ab Januar 2024 ist deshalb eine Änderung im Gesetz vorgesehen: Dann soll eine Selektion weiblicher Bruteier nur bis Bebrütungstag 6 möglich sein. 

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass bis Ende 2023 alternative Verfahren zur frühen Geschlechtsbestimmung im Ei praxisreif sein würden. Das Gesetz sah für Ende März 2023 einen Bericht zum Stand der Entwicklung vor, dem nun zu entnehmen ist: Eine Geschlechtsbestimmung im Ei vor Bebrütungstag 7 wird Anfang 2024 noch nicht in der Praxis möglich sein.

Ohne eine Änderung des Tierschutzgesetzes müssten männliche Hühnerküken ab Januar 2024 ausgebrütet und aufgezogen werden. Das ist ein Problem, weil als Lebensmittel verwendete Hühner-Eier nach wie vor nur selten von Zweinutzungsrassen gelegt werden. Männliche Küken der Legerassen setzen aber deutlich langsamer und weniger Fleisch an als solche der Mastrassen. 

Kein Schmerzempfinden vor Bebrütungstag 13

Jetzt liegen die Ergebnisse einer Studie zum Schmerzempfinden von Hühnerembryonen vor, die das BMEL in Auftrag gegeben hat. Forschende von der TU München untersuchten bei Hühnerembryonen im Ei die Reaktion auf einen Schmerzreiz: Blutdruck und Herzfrequenz wurden mit einem Mikrokatheter aufgezeichnet, Bewegungen aufgenommen und die elektrische Hirnaktivität mittels  Elektroenzephalogramm aufgezeichnet.

Eine kardiovaskuläre Reaktion und Bewegung wurden ab Bebrütungstag 15 beobachtet, elektrische Hirnaktivität war ab Tag 13 messbar. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass bis einschließlich Bebrütungstag 12 eine Verarbeitung von Schmerzreizen im Gehirn höchstwahrscheinlich nicht möglich ist.

Für das BMEL fehlt damit die wissenschaftliche Grundlage, um ab 2024 auf eine Selektion von Bruteiern vor Tag 7 zu bestehen, wie es das Tierschutzgesetz derzeit vorsieht. Das Gesetz soll geändert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. 

Praxistaugliche Verfahren zur Geschlechtsbestimmung

  • Flüssigkeitsbasierte Verfahren: Ab Tag 9, seit 2019/2020 kommerziell angewendet. Embryonale Harnflüssigkeit (Allantoisflüssigkeit) wird entnommen. Aus der Probe kann das Geschlecht mittels ELISA (Nachweis von Östradiol), PCR (Nachweis Erbinformation) oder Massen-Spektrometrie (Nachweis geschlechtsspezifischer Biomarker) bestimmt werden.
  • Magnetresonanz-Tomografie (MRT): Ab Tag 13, seit 2023 erstmals kommerziell im Einsatz. Ein MRT-Scan der Geschlechtsorgane verrät das Geschlecht.
  • Verfahren zur früheren Geschlechtsbestimmung

  • Spektroskopische Verfahren: Ab Tag 3–6, noch nicht kommerziell im Einsatz. Gemessen wird mittels Raman- oder Fluoreszenz-Spektroskopie, wie die Hühnerembryonen Licht streuen. 
  • Gentechnik: Ab Tag 0. Noch in der Entwicklung. Z.B wird an einem Verfahren gearbeitet, bei dem männliche Hühnerembryonen gentechnisch so verändert werden, dass sie bereits vor der Bebrütung fluoreszieren. 
  • Geschlechtsumkehr: Ab Tag 1–16, noch in Entwicklung, erster Piloteinsatz 2023 geplant. Eine Kombination aus Schallwellen, Temperatur und rel. Luftfeuchtigkeit soll dazu führen, dass eine phänotypische Geschlechtsumkehr erfolgt. Nach derzeitigem Verfahrensstand schlüpfen dann 65% weibliche Küken, das Unternehmen gibt an, das eine Steigerung auf über 80% möglich sei.
  • Für Mast und Eier: Das Zweinutzungshuhn

    Auf eine Geschlechtsbestimmung im Ei kann gänzlich verzichtet werden, wenn sogenannte Zweinutzungshühner eingesetzt werden, bei denen die weiblichen Tiere als Legehennen und die männlichen als Masttiere dienen. Weibliche Tiere legen jedoch weniger Eier als reine Legerassen, männliche müssen länger gemästet werden. Männliche Küken müssen nicht getötet werden und das Tierwohl soll durch Entschleunigen der Leistung verbessert werden.

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