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Inhaltsverzeichnis

Kleintierpraxis

Zahnerkrankungen und Erkrankungen der Maulhöhle bei Hunden und Katzen

Auf Grundlage der World Small Animal Veterinary Association Global Dental Guidelines gibt dieser Artikel einen Überblick über die wichtigsten Zahn- und Maulhöhlenerkrankungen, Therapien und das Schmerzmanagement dieser Erkrankungen.

Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen sind ein häufiges Problem in der Kleintierpraxis. Diese Erkrankungen können starke Schmerzen sowie lokalisierte und systemische Infektionen verursachen. Daher ist die World Small Animal Veterinary Association (WSAVA) der Ansicht, dass nicht und unzureichend behandelte Zahnerkrankungen ein erhebliches Problem für den Tierschutz darstellen. Aus diesem Grund hat die WSAVA die World Small Animal Veterinary Association Global Dental Guidelines erstellt. Dieser Artikel erläutert die wichtigsten Inhalte dieser Richtlinien einschließlich einer Diskussion über die schädlichen Wirkungen der anästhesiefreien Zahnmedizin, die bestenfalls unwirksam und schlimmstenfalls schädlich sein kann.

Anatomie der Maulhöhle und Untersuchung der Zähne

Hunde und Katzen haben zwei Zahngenerationen (diphyodont), wobei die Wurzeln länger als die Kronen sind. Der Hauptbestandteil bleibender Zähne ist Dentin. Am sichtbaren Teil des Zahnes umgibt Zahnschmelz das Dentin. Im Inneren des Zahns befindet sich die Pulpahöhle mit Blutgefäßen, Nerven, Lymphgefäßen, Bindegewebe und Odontoblasten. Der Zahnhalteapparat, das Parodont, besteht aus Gingiva, Parodontalfasern, Zahnzement und Alveolarknochen. Das Periodontium in Gestalt der Parodontalfasern verbindet Zement und Alveolarknochen und sorgt so dafür, dass der Zahn fest in der Alveole verankert ist. Inzisivi und Canini haben eine Wurzel, die Prämolaren hingegen variieren in ihrer Größe und der Anzahl der Wurzeln; die Molaren haben zwei bis drei Wurzeln. Genaue Kenntnisse der oralen und dentalen Anatomie (. Abb. 1) sowie der Physiologie sind wichtig, um Krankheitsprozesse zu verstehen und Anomalien zu erkennen. Auch für die Diagnostik und Behandlungen sind sie essenziell. Grundkenntnisse umfassen Wissen über die Struktur und Funktion der maxillofazialen Knochen, Kaumuskeln, Nerven, Blut- und Lymphgefäße, Speicheldrüsen, Maulhöhle und des Gebisses.


Top Job:


Bei Zahnerkrankungen sollte zunächst die Maulhöhle in wachem Zustand untersucht werden. Zur genauen Beurteilung der Zähne und der Maulhöhle ist jedoch eine Allgemeinanästhesie erforderlich. Während der Anästhesie sollte die Maulhöhle sorgfältig begutachtet werden. Alle Zähne sollten mit einer Sonde untersucht werden, beginnend mit dem ersten Schneidezahn jedes Quadranten und fortschreitend Zahn für Zahn nach kaudal. Die Befunde sollten in einem Befundbogen notiert werden. Zahnoberfläche und Farbe werden beurteilt. Die parodontale Untersuchung umfasst die Sondierungstiefe, die Beurteilung des Zahnfleischs, die Furkationsbeteiligung (Verlust von Knochen zwischen den Wurzeln mehrwurzeliger Zähne) und die Beweglichkeit. Dentale Röntgenaufnahmen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil der Untersuchung. Verschiedene Techniken (Paralleltechnik und Halbwinkeltechnik) sind notwendig, um Röntgenaufnahmen des gesamten Mauls bei Kleintierpatienten zu erhalten.

Parodontale Erkrankungen

Parodontale Erkrankungen gehören zu den häufigsten Zahnerkrankungen bei Kleintierpatienten. Die meisten Katzen und Hunde sind in irgendeiner Form davon betroffen. Da oft äußerlich keine klinischen Symptome zu erkennen sind, werden die Erkrankungen meist erst spät im Krankheitsverlauf behandelt.

Zu den parodontalen Erkrankungen gehören Gingivitis und Parodontitis. Die Gingivitis ist das anfängliche, reversible Stadium, in dem die Entzündung auf das Zahnfleisch beschränkt ist. Im weiteren Krankheitsverlauf kann sich eine fortgeschrittene Parodontitis entwickeln. Diese Form der Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung der tieferen Stützstrukturen des Zahns (Parodontalfasern, Zement und Alveolarknochen). Durch die Entzündung wird zunehmend Parodontalgewebe zerstört. Dies kann sich klinisch als gingivale Rezession oder parodontale Taschenbildung zeigen. Ein parodontaler Attachmentverlust kann mit oder ohne aktive Entzündung vorliegen. Eine Gingivitis wird durch Bakterien im Zahnbelag (Plaque) verursacht. Plaque ist ein Biofilm, der fast ausschließlich aus oralen Bakterien besteht, die in einer Matrix aus Speichel-Glykoproteinen und extrazellulären Polysacchariden enthalten sind. Wird der Zahnbelag entfernt, kann die Gingivitis innerhalb von wenigen Tagen wieder abklingen. Es ist wichtig zu wissen, dass Bakterien innerhalb des Biofilms 1.000- bis 1.500-mal resistenter gegen Antibiotika und Antiseptika als gewöhnlich sind. Zuerst bildet sich Plaque an der supragingivalen Zahnoberfläche und breitet sich dann in den gingivalen Sulkus aus. Eine Änderung der Bakterienspezies verursacht die Gingivitis (Abb. 2). Plaque in gesunden Bereichen besteht fast ausschließlich aus aeroben Arten, wobei anaerobe Arten die Mehrheit der Population bei Parodontitis ausmachen. Parodontalerkrankungen werden daher nicht durch eine zunehmende Anzahl von Bakterien ausgelöst, sondern durch eine Veränderung des oralen Mikrobioms.

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Abb. 2: Es gibt verschiedenste Ursachen für eine Zahnfleischentzündung bei Katzen. Neben Bakterien im Zahnbelag können Infektionen mit Viren (z. B. Herpes, Caliciviren, FeLV, FIV) eine Gingivitis verursachen. Eine Zahnfleischentzündung kann auch in Zusammenhang mit resorptiven Läsionen auftreten.
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Abb. 2: Es gibt verschiedenste Ursachen für eine Zahnfleischentzündung bei Katzen. Neben Bakterien im Zahnbelag können Infektionen mit Viren (z. B. Herpes, Caliciviren, FeLV, FIV) eine Gingivitis verursachen. Eine Zahnfleischentzündung kann auch in Zusammenhang mit resorptiven Läsionen auftreten.

Physiologisches Zahnfleischgewebe ist rosa mit einem dünnen, glatten und regelmäßigen Rand. Das erste klinische Zeichen einer Gingivitis ist ein gingivales Erythem, gefolgt von Ödemen und Mundgeruch. Eine verstärkte Zahnfleischblutung kann beim Sondieren, Zähneputzen oder Kauen festgestellt werden. Gingivitis wird oft von Zahnstein begleitet. Ein supragingivaler Zahnstein kann aber auch ohne Gingivitis vorkommen, denn Zahnstein selbst ist im Wesentlichen nicht pathogen. Er entsteht sekundär aus Plaque durch Mineralisierung. Daher sollte nicht der Zahnstein, sondern der Grad der Gingivitis ausschlaggebend für die Therapie sein. Wenn die Gingivitis zu einer Parodontitis fortschreitet, verstärken sich die entzündlichen Veränderungen. Das charakteristische Merkmal einer etablierten Parodontitis ist ein fortschreitender Attachmentverlust (Abb. 3). Sind die Zahnwurzeln zum Teil exponiert, können sie bereits bei der klinischen Untersuchung als solche erkannt werden. Bei parodontaler Taschenbildung ist für die Diagnose jedoch üblicherweise eine Vollnarkose notwendig, um eine gründliche parodontale Sondierung zu ermöglichen. Mögliche Folgen parodontaler Erkrankungen sind oronasale Fisteln und Rhinitiden. Beim Hund liegt zwischen den maxillaren Canini und der Nasenhöhle nur ein dünner Knochen, daher sind hier häufig oronasale Fisteln lokalisiert. Für die Diagnose ist meist eine Sondierung in Allgemeinanästhesie nötig. Interessanterweise kann eine oronasale Fistel auch auftreten, wenn das parodontale Gewebe des Patienten relativ gesund aussieht. Bei einer oronasalen Fistel muss der Zahn extrahiert und der Defekt mit einem mukogingivalen Flap verschlossen werden. Als Folge einer chronischen Parodontitis können auch pathologische Frakturen entstehen. In schweren Fällen kann sich die Entzündung bis zur Orbita ausbreiten und zu einer Erblindung führen. Weiterhin ist die Parodontitis die häufigste Ursache für eine Osteomyelitis der Kieferknochen. Ist der Knochen nekrotisch, ist im Allgemeinen ein aggressives chirurgisches Débridement notwendig. Auch die Entstehung von oralen Neoplasien wird mit einer chronischen Parodontitis in Verbindung gebracht. Zudem können eine orale Bakterieninvasion und die Aktivierung patienteneigener Entzündungsmediatoren (z. B. IL-1 und -6, PGE2, CRP) zu schweren systemischen Folgen, wie kardiovaskulären, hepatischen und renalen Erkrankungen, führen.

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Abb. 3: Parodontitis im Unterkiefer mit freiliegender Furkation des Backenzahns
Foto: Stefan Grundmann
Abb. 3: Parodontitis im Unterkiefer mit freiliegender Furkation des Backenzahns

Häufige Erkrankungen der Zähne

Schmelzhypoplasie

Trauma, Vererbung, schlechter Ernährungszustand oder entzündliche Krankheiten wie Staupe, die während der Entwicklung auftreten, können zu Unregelmäßigkeiten in der Schmelzbildung führen. Traumatisch bedingte Zahnschmelzhypoplasien betreffen meist nur einzelne Zähne. Der Schmelz löst sich stellenweise und es entstehen braune Flecken. Daneben ist auch eine Hypomineralisierung des Zahnschmelzes zu beobachten. Die Zahnoberfläche ist dann fleckenförmig verfärbt und der Zahnschmelz wirkt dünner und schwächer.

Zahnabnutzung (Abrasion/Attrition)

Ein physiologischer Verschleiß (Attrition) durch Kauen kann zu einem Verlust von Zahnschmelz, Dentin und in fortgeschrittenen Fällen zur Freilegung der Pulpa führen. Eine Abrasion hingegen erfolgt durch externe Faktoren, wie beispielsweise exzessives Ballspielen oder Käfigbeißen.

Zahnfrakturen

Frakturen der Zahnkrone und/oder der Zahnwurzel kommen bei Hunden und Katzen häufig vor. Sie können durch Kauen an Knochen und Stöcken oder durch Stürze sowie Unfälle entstehen. Je nach Schwere des Zahntraumas können unterschiedliche Zahnstrukturen freigelegt werden. Eine Verletzung, die die Pulpa nicht freilegt, wird als unkompliziert bezeichnet, während Frakturen mit Pulpafreilegung als kompliziert eingestuft werden. Ein Zahn, der ein Trauma ohne Fraktur erlitten hat, kann eine schmerzhafte Pulpitis und eine Pulpanekrose zur Folge haben. Meist ist dann eine Wurzelkanalbehandlung oder Zahnextraktion nötig, ähnlich wie bei einer Fraktur mit Pulpafreilegung. Alle vitalen Zähne mit direkter Pulpafreilegung sind extrem schmerzhaft und auch Zahnfrakturen ohne direkte Pulpafreilegung können ziemlich schmerzhaft sein. Im Laufe der Zeit werden fast alle Zähne mit direkter Pulpafreilegung devital. Devitale Zähne sind selten schmerzhaft, aber in den meisten Fällen infiziert sich ein devitaler Zahn, der nicht angemessen behandelt wird, durch Einwandern von Bakterien über die Pulpa Richtung Apex. Diese lokale Entzündung kann auf Röntgenbildern als peri­apikale Aufhellung gesehen werden. Bei jeder Zahnfraktur sollte eine Röntgenaufnahme angefertigt werden, um eine Pulpafreilegung zu bestätigen oder auszuschließen und um den Grad der periapikalen Pathologie zu beurteilen. Wenn der Defekt auf Schmelz oder Dentin beschränkt ist, ohne röntgenologische Anzeichen einer periapikalen Entzündung, reicht es, alle scharfen Kanten des Zahns zu glätten und den Zahn über eine angemessene Therapie zu sanieren. Bei Zähnen mit direkter Pulpafreilegung oder röntgenologischen Anzeichen von Avitalität oder periapikaler Entzündung ist eine Extraktion oder Wurzelkanalbehandlung erforderlich.

Zahnresorption

Unter einer Zahnresorption versteht man den Verlust von Zahnhartgewebe aufgrund von odontoklastischer Aktivität. Eine Zahnresorption kann physiologisch (Resorption der Milchzahnwurzel) oder pathologisch sein. Die pathologische Zahnresorption kommt besonders bei Katzen häufig vor. Vor allem erwachsene Katzen sind davon betroffen. Am häufigsten ist die Zahnresorption an den dritten Prämolaren des Unterkiefers zu finden. Die Zahnresorption ist ein aktiver Prozess, bei dem Odontoklasten Zahnhartsubstanzgewebe abbauen. Dieser Substanzverlust kann dazu führen, dass der Zahnschmelz kollabiert oder abbricht. Es scheint zwei verschiedene Formen der Zahnresorption zu geben, die idiopathische und die entzündliche. Entzündungen (beispielsweise Stomatitis, Parodontitis) erzeugen Typ-1-Läsionen, während die idiopathische Variante Resorptionen des Typ 2 erzeugt. Bei den Typ-1-Resorptionen wird resorbiertes Gewebe nicht ersetzt. Bei idiopathischen Typ-2-­Läsionen werden resorbierte Bereiche durch zement- oder knochenähnliches Material ersetzt. Eine Resorption kann auch innerhalb des endodontischen Systems beginnen und ist dann meistens auf eine Pulpitis zurückzuführen. Idiopathische und entzündliche Zahnresorption werden zunehmend auch bei Hunden beobachtet. Die Ätiologie ist unbekannt. Aus der Humanmedizin ist bekannt, dass der Prozess nicht schmerzhaft zu sein scheint, solange er unterhalb des Zahnfleischrandes bleibt. Wenn die Läsionen bis in die Maulhöhle reichen oder der Schmelz über dem resorbierten Raum zusammenbricht, kann dies erhebliche Schmerzen verursachen und zu Entzündungen führen.

Erste sichtbare Anzeichen einer Zahnresorption sind ein entzündeter Zahnfleischrand oder kleinere Schmelz- und Dentindefekte, die von stark vaskularisiertem Gewebe bedeckt werden. Bei fortschreitender Resorption ist ein teilweiser oder sogar vollständiger Verlust der Zahnkrone möglich. Manche Katzen zeigen Anzeichen von Zahnschmerzen wie verminderte Körperpflege, Fallenlassen von Futter, Reiben des Mauls oder sie ziehen sich zurück. Die Mehrheit der betroffenen Katzen zeigt jedoch keine äußerlichen Anzeichen von Beschwerden. Um das Ausmaß der Läsion richtig einschätzen zu können und die Behandlung zu planen, sind Röntgenaufnahmen erforderlich (Abb. 4). Wenn die Zahnresorption radiologisch diagnostiziert wurde, aber nicht in die Maulhöhle fortgeschritten und/oder nicht mit Knochenverlust verbunden ist, ist bei Belassen des betroffenen Zahnes eine klinische und radiologische Überwachung alle sechs bis zwölf Monate angezeigt. Wenn die Läsionen bis in die Maulhöhle reichen, ist eine Zahnextraktion erforderlich. Dabei müssen alle Wurzeln der betroffenen Zähne vollständig entfernt werden. Bei einer Typ-2-Resorption, bei der die Wurzel ganz oder teilweise durch Knochengewebe ersetzt wurde, kann die Extraktion sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein. Es kann in diesen Fällen bei Katzen eine Kronenamputation durchgeführt werden, wenn röntgenologisch kein endodontisches System sowie kein Paro­dontalspalt mehr zu erkennen sind und es keinen Hinweis auf eine Entzündung in der Maulhöhle gibt.

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Abb. 4: Zahnresorption des Caninus im Oberkiefer einer Katze
Foto: Tierklinik Germersheim GmbH
Abb. 4: Zahnresorption des Caninus im Oberkiefer einer Katze

Maxillofaziales Trauma

Bei einem maxillofazialen Trauma sind Weich- und Hartgewebe (Knochen und Zähne) betroffen. Erstbehandelnde Tierärzte sollten sich bewusst sein, dass neben dem offensichtlichen maxillofazialen Trauma auch nicht sichtbare Schäden, beispielsweise ein Hirnödem, Pneumothorax, oder weitere Verletzungen vorliegen könnten. Da diese Erkrankungen lebensbedrohlich sein können, sollten sie vor der Versorgung des maxillofazialen Traumas abgeklärt werden. Die häufigsten durch ein Trauma verursachten Weichteilverletzungen im Maul sind Ablederungsverletzungen, Zusammenhangstrennungen im Bereich von Lippen, Zunge, Zahnfleisch und/oder Gaumen. Unter einer Ablederung versteht man eine Verletzung, bei der Haut großflächig von dem darunterliegenden Gewebe abgelöst wurde.

Operationen sollten erst durchgeführt werden, sobald der Patient stabil ist. Die Maulhöhle hat zwei Vorteile im Vergleich zu anderen Weichgeweben: das Vorhandensein von Speichel und eine starke Vaskularisation. Speichel bietet immunologische Barrieren gegen Infektionen und die starke Vaskularisation unterstützt die Heilung in der Maulhöhle. Stark geschädigtes und nicht vitales Gewebe sollte entfernt werden. Anliegende Gingiva sollte, wo immer möglich, erhalten werden, sodass alle Zähne von mindestens 2 mm Gingiva umgeben sind. Einfache Nähte mit resorbierbarem Nahtmaterial werden mit einem Abstand von 2–3 mm platziert.

Zur Diagnose von maxillofazialen Frakturen sollten idealerweise ein CT-Scan und/oder dentale Röntgenaufnahmen angefertigt werden. Bei der chirurgischen Versorgung von maxillofazialen Frakturen muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Zahnwurzeln und die neurovaskulären Strukturen im Kiefer nicht verletzt werden. Wenn möglich sollten nichtinvasive Methoden der Frakturstabilisierung gewählt werden. Hierzu zählen die Fixierungen mit interdentalen oder zirkummandibulären Drähten und/oder mit Acrylaten. Diese Techniken sind leicht zu erlernen. Invasive Methoden (interfragmentäre Drähte, externe Fixateure und Miniplatte) sollten nur in sorgfältig ausgewählten Fällen genutzt werden. Bei jeder Fixation ist auf eine korrekte Okklusion zu achten. Eine sehr einfache Notfallbehandlung ist das Anlegen eines Maulhalfters aus Klebeband oder Nylon.

Bei einem Trauma kann es auch vorkommen, dass ein Zahn ganz oder teilweise aus der Alveole (Avulsion/Luxation) gerissen wird. Am häufigsten sind die Canini von dieser Verletzung betroffen. Die Zähne können von einem spezialisierten Tierarzt fixiert werden, es ist jedoch anschließend eine Wurzelkanalbehandlung durchzuführen. Alternativ kann eine Zahnextraktion erfolgen.

Orale Tumoren

Benigne orale Tumoren

Gingivale Wucherungen gehören zu den gutartigen Tumoren. Sie entstehen durch eine Gingivahyperplasie, die das Zahnfleisch überwuchert. Die Zubildungen können genetisch begingt oder durch bestimmte Medikamente oder durch Plaque hervorgerufen worden sein. Eine genetisch bedingte gingivale Wucherung wird am besten durch eine Gingivoplastie behandelt, sie kann allerdings wieder nachwachsen. Periphere odontogene Fibrome kommen sehr oft bei Hunden vor. Diese oralen Wucherungen entstehen aus dem Zahnhalteapparat. Während eine marginale Exzision zur Kontrolle ausreichen kann, ist für eine Heilung eine Extraktion des Zahns nötig. Odontome bestehen aus Zahngewebe. Eine marginale Exzision ist als Therapie ausreichend, häufig entstehen bei der Entfernung jedoch große Defekte. Zahnzysten kommen besonders bei retinierten, also nicht durchgebrochenen Prämolaren von brachyzephalen Rassen vor. Ein impaktierter Zahn ist dagegen ein Zahn, der aufgrund einer Behinderung durch einen anderen Zahn oder andere Struktur nicht durchgebrochen ist. Die Zysten können von variabler Größe sein und werden auf Zahnröntgenaufnahmen festgestellt. Zahn und Zyste sollten vollständig entfernt und der Hohlraum verschlossen werden. Nach zwei bis drei Monaten füllt neuer Knochen den Hohlraum aus. Ein akanthomatöses Amelo­blastom ist ein gutartiger Tumor, der lokal invasiv wächst und typischerweise Zahnverschiebungen verursacht. Die Zubildungen haben oft ein fleischiges Aussehen und sind am häufigsten an Eck- und Schneidezähne zu sehen. Die Therapie besteht aus einer Exzision mit einem 5–10 mm breiten Sicherheitsabstand. Inoperable Tumoren können auch mit einer Strahlentherapie oder mit intraläsionalem Bleomycin behandelt werden. Papillome können in der Maulhöhle und auf den Lippen von Jungtieren auftreten. Sie sind meist viralen Ursprungs, können aber auch idiopathisch vorkommen. Die weißen, grauen oder fleischfarbenen Zubildungen sind meist gestielt und treten sowohl einzeln als auch in Gruppen auf. Die Läsionen sind normalerweise selbstlimitierend. In ausgeprägten Fällen können sie chirurgisch entfernt werden. Therapeutische Alternativen sind eine Azythromycin-Behandlung und eine autogene Impfung. Die Wirksamkeit dieser Methoden kann jedoch variieren. Läsionen des eosinophilen Granulomkomplexes kommen vor allem bei Katzen vor, können aber auch bei Hunden auftreten. Am häufigsten ist das sogenannte indolente Ulkus an der Oberlippe oder am Philtrum. Lineare Granulome können überall im Maul vorkommen und sind aggressiver. Sie können Unterkieferfrakturen oder oronasale Fisteln verursachen. Trotz des oft typischen Aussehens wird immer eine Histopathologie empfohlen, um die Läsionen von anderen oralen Tumoren zu unterscheiden. Der erste Schritt jeder Therapie ist der Ausschluss einer möglichen allergischen Ursache und die Zusammenarbeit mit einem Dermatologen wird empfohlen. Eine Behandlung der eosinophilen Granulome ist mit Antibiotika, Kortikosteroiden und Cyclosporin möglich.

Maligne orale Tumoren

30–40 % der malignen oralen Tumoren bei Hunden sind maligne Melanome. Die pigmentierten oder unpigmentierten Läsionen sind anfänglich glatt, ulzerieren aber später. Der Tumor wächst lokal invasiv und breitet sich auf die lokalen Lymphknoten (70 % der Fälle) und die Lunge (66 %) aus. Die chirurgische Entfernung sollte daher mit 1–2 cm breiten Rändern erfolgen. Zusätzlich können eine Strahlentherapie und eine Immuntherapie in Betracht gezogen werden. Plattenepithelkarzinome (Abb. 5) machen 24–30 % der malignen oralen Tumoren bei Hunden aus und sind mit 64–75 % die häufigsten malignen Tumoren bei der Katze. Die Tumoren neigen dazu, ulzerativ und proliferativ zu wachsen, und können ausgedehnte Bereiche des Kiefers zerstören. Plattenepithelkarzinome können auch unter oder auf der Zunge vorkommen. Auch hier ist eine großzügige Entfernung (1–2 cm Rand) Therapie der Wahl. Die Prognose ist bei vollständiger Entfernung bei Hunden sehr gut. Bei inoperablen tonsillären und pharyngealen Plattenepithelkarzinomen kann eine akzelerierte Strahlentherapie versucht werden. Eine neue vielversprechende Behandlungsmethode in Verbindung mit einer lediglich exzisionalen Chirurgie scheint die intratumorale Injektion von radio­aktiven Holmium-Mikrokügelchen zu sein. Fibrosarkome machen 17–25 % der oralen Tumoren bei Hunden und 12–22 % der oralen Tumoren bei Katzen aus. Sie treten in der Regel am Gaumen auf und sind glatt und etwas blasser als das umgebende Gewebe. Trotz großzügiger chirurgischer Exzision kommt es sehr häufig zu einem erneuten Wachstum. Fibrosarkome können sich schnell vergrößern, auch wenn sie sich histologisch weniger maligne darstellen. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze. Eine vollständige chirurgische Entfernung in Kombination mit einer Strahlentherapie scheint die beste Prognose zu haben. Seltenere Tumoren der Maulhöhle sind Osteosarkome und Mastzelltumoren.

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Abb. 5: Plattenepithelkarzinom im Oberkiefer einer Katze
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Abb. 5: Plattenepithelkarzinom im Oberkiefer einer Katze

Malokklusionen

Die Mehrheit der Malokklusionen hat eine genetische Komponente. Im Allgemeinen gelten Malokklusionen, die durch die Kieferlänge verursacht werden (Klassen II, III und IV), als genetisch bedingt oder erblich. Diskrepanzen der Zähne (Klasse I) gelten als nicht genetisch bedingt, mit Ausnahme der Mesialokklusion der oberen Eckzähne. In einigen Fällen können Malokklusionen traumatisch bedingt sein. Malokklusionen können rein kosmetischer Natur sein oder zu einem okklusalen Trauma führen. Ein okklusales Trauma kann dem Patienten erhebliche Schmerzen bereiten. Malokklusionen können in verschiedene Klassen unterteilt werden:

Klasse-I-Malokklusion – Neutralbiss: Bei dieser Klasse liegt eine Okklusion mit normaler Kieferlänge vor, bei der ein oder mehrere Zähne nicht richtig ausgerichtet sind (Scherengebiss). An Lippen, Wangen, Gaumen oder Zunge können durch den Druck der Zähne Verletzungen entstehen. Eine Milchzahnpersistenz kann zu einer Zahnverlagerung führen und scheint durch unphysiologische Eruption der bleibenden Zähne verursacht zu werden.

Klasse-II-Malokklusion – mandibuläre Brachygnathie: Der Unterkiefer ist pathologisch kürzer als der Oberkiefer (Überbiss). Das Hauptproblem besteht darin, dass die Eckzähne des Unterkiefers typischerweise ein erhebliches okklusales Trauma am Gaumen, an der Gingiva und/oder an den oberen Eckzähnen verursachen. Daher ist fast immer ein Eingreifen erforderlich.

Klasse-III-Malokklusion – mandibuläre Prognathie: Der Oberkiefer ist kürzer als normal, dadurch entsteht ein Unterbiss. Diese Fehlstellung kommt häufig bei bestimmten Rassen vor und kann zu einem schmerzhaften Trauma an Gingiva und Zähnen führen.

Klasse-IV-Malokklusion – maxillomandibuläre Asymmetrie: Der Unterkiefer ist auf einer Seite kürzer als auf der anderen. Dies führt zu einer Verschiebung der Mittellinie des Unterkiefers. Diese Malokklusion kann ein Trauma des Gaumens oder der Gingiva verursachen.

Für rein kosmetische Fälle wird keine Therapie empfohlen. Verursacht die Malokklusion ein Trauma, sollte sie behandelt werden. Die Behandlung kann chirurgisch (Extraktion von Zähnen) oder kieferorthopädisch (Zahnspange) sein oder eine Amputation der Krone und endodontische Behandlung/Restauration des Zahnes beinhalten. Die beiden letzteren Behandlungsoptionen sind anspruchsvolle Techniken und sollten nur von spezialisierten Tierärzten durchgeführt werden.

Anzeichen von Zahnschmerzen

Zahnerkrankungen können erhebliche Schmerzen verursachen. Zahnschmerzen werden häufig nicht erkannt, denn die Schmerzanzeichen bei Hunden und Katzen sind oft vage und unspezifisch. Viele Hunde und Katzen zeigen Schmerzen nicht. Zu den Verhaltensweisen, die Zahnschmerzen zugeschrieben werden, gehören Reiben des Mauls mit der Pfote oder an Gegenständen, vermehrtes Speicheln, Fallenlassen des Futters und ein leicht verminderter Appetit. Die Meinung, dass Tiere mit Zahnschmerzen nicht fressen, ist weitverbreitet. Appetitlosigkeit kommt jedoch nur bei extremen Schmerzen vor. Tierärzte müssen daher bei der Untersuchung sorgfältig auf Schmerzanzeichen achten. Schmerzen müssen auch angenommen werden, wenn diese aufgrund der Schwere der Erkrankung vermutet werden können, selbst wenn das Tier keine Schmerzen zeigt. Die Aufgabe der Tierärzte ist es, die Schmerzen zu lindern – vorübergehend mit Medikamenten und zeitnah mit geeigneten zahnärztlichen Maßnahmen. Unbehandelte Zahnerkrankungen können zu chronischen Entzündungen und Infektionen führen. Eine ungehemmte Infektion ist ein ethisch nicht akzeptabler Zustand, der nicht ohne angemessene Therapie belassen werden sollte.

Anästhesie bei Zahnerkrankungen

Für eine angemessene klinische und röntgenologische Untersuchung und Behandlung von Zahnerkrankungen ist eine Allgemein­anästhesie erforderlich. Eine Zahnreinigung ist in der Regel weniger schmerzhaft. Invasivere zahnärztliche Eingriffe wie Zahnextraktionen, Wurzelkanalbehandlungen und chirurgische Eingriffe sind typischerweise mit mäßigen bis starken Schmerzen verbunden. Eine Sedation ist oft nicht ausreichend und nicht immer sicherer als eine Vollnarkose. Sie wird daher nicht empfohlen. Zu den Schwierigkeiten bei einer Sedation gehören die kardiopulmonäre Überwachung und das Risiko einer Aspiration von Blut, Speichel und Debris aufgrund des fehlenden Schutzes der Atemwege. Die Anästhesie und Analgesie sollten individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden.

Eine endotracheale Intubation ist für zahnärztliche Eingriffe obligatorisch. Zur Intubation sollten wegen des erhöhten Aspirationsrisikos Endotrachealtuben mit Cuff verwendet werden, wobei darauf geachtet werden muss, dass die Manschette nicht übermäßig aufgeblasen wird. Dies kann, besonders bei Katzen, zu Schäden oder Nekrosen der Luftröhre führen. Eine oropharyngeale Tamponade wird empfohlen. Patienten sollten beim Drehen von einer Seite zur anderen immer vom Beatmungsschlauchsystem getrennt werden. Bei der Verwendung von Maulspreizern ist bei Katzen darauf zu achten, dass das Maul nicht übermäßig geöffnet wird. Maulspreizer können starke Kräfte auf Ober- und Unterkiefer ausüben und die Arteria maxillaris komprimieren, die die Netzhaut und das Gehirn mit Blut versorgt. Maulspreizer mit Feder sollten daher nicht verwendet werden, besser eignen sich zum Beispiel abgeschnittene Spritzen.

Bei allen Patienten sollte zudem ein venöser Zugang gelegt und eine Flüssigkeitstherapie mit kristalloider Lösung während der Anästhesie durchgeführt werden. Bei Zahneingriffen ist im Allgemeinen eine niedrigere Rate als bei anderen chirurgischen Eingriffen erforderlich, da der Flüssigkeitsverlust geringer ist. Während der Anästhesie sollte ein sorgfältiges Monitoring (Sauerstoffsättigung, Blutdruck, Atmung und Körpertemperatur) durchgeführt werden, denn dies kann die Morbidität und Mortalität während der Anästhesie signifikant verringern.

Schmerzmanagement bei Zahnerkrankungen

Während der perioperativen Phase und für einige Tage nach der Behandlung sollte ein analgetischer Plan vorliegen. Hierfür eignet sich am besten ein präventiver und multimodaler analgetischer Ansatz. Das „Basis“-Analgetikaprotokoll umfasst Opioide, Lokal­anästhesie und NSAIDs. Sofern nicht kontraindiziert, werden die NSAIDs üblicherweise für etwa drei bis sieben Tage verabreicht, je nach Art der oralen Erkrankung oder des Eingriffs. Maxillofaziale Traumata und invasive Eingriffe können starke Schmerzen verursachen. In diesen Fällen werden Infusionen mit Analgetika wie Opioiden, Lidocain oder Ketamin während der frühen postoperativen Phase (24–48 Stunden) in Kombination mit NSAIDs empfohlen.

Lokalanästhetika blockieren Natrium- und Kaliumkanäle reversibel und verhindern so eine Übertragung von nozizeptivem Input. Die dadurch erreichte perioperative und unmittelbar postoperative Analgesie reduziert den Bedarf an Inhalationsanästhetika während der Behandlung. Die nötige Technik ist mit minimalem Training gut zu erlernen und kann bei vielen zahnärztlichen Eingriffen verwendet werden. Leider werden diese Techniken aufgrund mangelnder Kenntnisse selten eingesetzt. Das WSAVA Dental Standardization Committee empfiehlt den Einsatz von Lokalanästhetika ausdrücklich. Beschreibungen und Diagramme verschiedener Anästhesietechniken wurden in den WSAVA-Richtlinien zur Erkennung, Bewertung und Behandlung von Schmerzen beschrieben (Mathews et al. 2014).

Parodontale Therapie

Die parodontale Therapie besteht aus mehreren Komponenten: der professionellen Zahnreinigung, der Zahnpflege zu Hause und gegebenenfalls der parodontalen Chirurgie und der Zahnextraktion. Eine professionelle Zahnreinigung ist ein aufwendiger Vorgang mit zahlreichen Arbeitsschritten. Hierfür muss ausreichend Zeit eingeplant werden. Vor der Zahnreinigung sollte die Bakterienlast mit einer Chlorhexidin-Spülung reduziert werden. Sehr große Zahnstein­ansammlungen können mit einer Zahnsteinzange entfernt werden. Allerdings ist dabei sehr sorgfältig vorzugehen, um Zahn- und Zahnfleischschäden zu vermeiden. Die supragingivale Zahnreinigung kann mechanisch (meistens wird ein Ultraschall-Modell verwendet) oder manuell durchgeführt werden. Der wichtigste Schritt der Zahnreinigung ist die subgingivale Zahnsteinentfernung. Diese wurde klassischerweise von Hand mit einer Kürette durchgeführt, aber es gibt auch moderne Geräte, die spezielle Aufsätze zur Verwendung unter dem Zahnfleischsaum haben. Es wird empfohlen, eine Kombination aus Ultraschall-Scalern und manueller Reinigung zu verwenden. Herkömmliche Ultraschall-Scaler sollten nicht subgingival verwendet werden, um Schäden an der Gingiva, dem parodontalen Gewebe und der Pulpa zu vermeiden. Die Zahnsteinentfernung führt zu einem Mikroabrieb und einer Aufrauung der Zahnoberfläche. Dies kann zu einer erhöhten Plaque-Anhaftung führen. Deshalb sollten die Zähne nach der Zahnsteinentfernung poliert werden. Während der Reinigungs- und Polierschritte sammeln sich Reste von Zahnstein und Polierpaste im gingivalen Sulkus. Eine Spülung des Sulkus mit einer stumpfen Kanüle und Chlorhexidin-Lösung kann diese Reste beseitigen. Plaque kann sich innerhalb von 24 Stunden wieder ansammeln, deshalb wird eine tägliche häusliche Zahnpflege empfohlen. Dies beinhaltet die Mitarbeit des Tierhalters, wie z. B. Zähneputzen oder Spülen, wobei Zähneputzen der Goldstandard ist. Passive Methoden wie Kauknochen oder Diäten können auch wirksam sein, vor allem bei den Backenzähnen. Herkömmliches Trockenfutter für Hunde und Katzen unterstützt die Zahngesundheit nicht. Eine Kombination aus aktiven und passiven Methoden ist wahrscheinlich die beste Wahl.

Zahnextraktion und Kronenamputation

Zahnextraktionen sind sehr häufig durchgeführte Eingriffe in den meisten Tierarztpraxen, aber sie sind kein einfaches Unterfangen. Es sollte niemals ein Zahn ohne das Einverständnis des Besitzers gezogen werden. Vor der Zahnextraktion sollten Röntgenaufnahmen angefertigt und die Patienten so positioniert werden, dass der betreffende Zahn gut sicht- und erreichbar ist. Man unterscheidet geschlossene und offene Extraktionen. Zunächst wird die Gingiva gelöst. Hierfür wird eine Skalpellklinge oder ein Zahnheber in den gingivalen Sulkus platziert und dann apikal bis zur Höhe des Alveolarknochens vorgeschoben. Es wird sorgfältig um den gesamten Zahn herum gearbeitet. Anschließend wird mit einem Zahnheber (klassischer Zahnheber oder luxierender Zahnheber) in einer Einführ- und Drehbewegung vorsichtig versucht, die Parodontalfasern zu zerreißen. Wenn der Zahn beweglich und locker ist, wird er mit der Extraktionszange langsam aus der Alveole gezogen. Eine sanfte Drehbewegung bei der Extraktion ist möglich, es sollte aber kein übermäßiger Druck ausgeübt werden, da dies zu einer Wurzelfraktur führen kann. Wenn der Zahn sich nicht leicht herausziehen lässt, sollte der Zahn weiter mit dem Zahnheber gelockert werden. Nach der Extraktion kann verbliebenes, erkranktes Gewebe von Hand mit einer Kürette entfernt werden. Knochenentfernung und Glättung werden am besten mit einem groben Diamantschleifer durchgeführt. Meist wird empfohlen, die Extraktionsstelle zu nähen. Der Verschluss der Extraktionsstelle fördert die Blutstillung und verbessert das postoperative Wohlbefinden. Mehrwurzelige Zähne sollten vor der Extraktion in einzelne Wurzelstücke zerteilt werden. Die Wurzeln fast aller mehrwurzeligen Zähne sind divergierend, was dazu führt, dass die Wurzelspitzen abbrechen, wenn versucht wird, sie in einem Stück zu extrahieren. Für mehrwurzelige Zähne und schwierig zu extrahierende Zähne wie den mandibulären Fangzahn wird die offene Extraktionstechnik unter Präparation eines Mukoperiostflaps (oder -lappens) empfohlen. Das beste Werkzeug zum Schneiden von Zähnen ist ein Bohrer mit Hochgeschwindigkeits-Handstück, der über eine Luft- und Wasserkühlung verfügt. Bei Zähnen mit fortgeschrittener Typ-2-Ersatzresorption kann statt einer Zahnextraktion eine Kronenamputation durchgeführt werden. Zuerst wird ein Taschenflap um den Zahn herum angelegt. Mit einem Bohrer mit Hochgeschwindigkeits-Handstück wird die gesamte Krone mindestens bis auf Höhe des Alveolarknochens entfernt. Knochen und Zahn sollten dann mit einem groben Diamantbohrer geglättet werden. Nach einer Röntgen-Kontrolle wird die Gingiva über dem Defekt vernäht.

Take Home Messages

  • Zahnerkrankungen und parodontale Erkrankungen kommen bei Hunden und Katzen sehr häufig vor und können erhebliche Schmerzen verursachen, auch wenn die Tiere diese nicht offensichtlich zeigen.
  • Für eine exakte Diagnose sind eine Untersuchung und Sondierung in Vollnarkose sowie eine radiologische Untersuchung erforderlich.
  • Die häufigsten Erkrankungen sind parodontale Erkrankungen (Gingivitis und Parodontitis). Vor allem die nicht sichtbare subgingivale Plaque ist pathogen, daher kann eine effektive Therapie nicht ohne Allgemeinanästhesie erfolgen. Unbehandelt können parodontale Erkrankungen schwerwiegende lokale und systemische Folgen haben.
  • Neben der professionellen Zahnreinigung ist die tägliche häusliche Zahnpflege, besonders das Zähneputzen, ein wichtiger Bestandteil der parodontalen Therapie.
  • Zahnresorptionen kommen vor allem bei Katzen vor. Sie beginnen meist an der Wurzeloberfläche. Wenn die Läsionen bis in die Maulhöhle reichen, ist die Erkrankung bereits weit fortgeschritten. Therapie der Wahl ist dann meist eine Zahnextraktion.
  • Bei Zahnfrakturen mit Pulpafreilegung ist eine Extraktion oder Wurzelbehandlung erforderlich. Wurzelbehandlungen sollten spezialisierten Tierärzten vorbehalten bleiben.
  • Bei maxillofazialen Traumata sind oft sowohl weiche als auch harte Gewebe (Knochen und Zähne) betroffen. Operationen sollten durchgeführt werden, sobald der Patient stabil ist. Wenn möglich sollten nichtinvasive Methoden zur Frakturstabilisierung gewählt werden.
  • Bei allen Eingriffen in der Maulhöhle ist auf eine geeignete Anästhesie und ein angemessenes Schmerzmanagement zu achten. 

Danksagung

Herzlicher Dank für die freundliche Genehmigung der Abbildungen an Dr. Stefan Grundmann (Vetsuisse Fakultät, Universität Zürich) und Dr. Martina van Suntum (Tierklinik Germersheim GmbH).

Literatur

Die Inhalte basieren, redaktionell erweitert, auf folgender Publikation: 

Niemiec B, Gawor J, Nemec A, Clarke D, McLeod K, Tutt C, Gioso M, Steagall PV, Chandler M, Morgenegg G, Jouppi R (2020): World Small Animal Veterinary Association Global Dental Guidelines. J Small Anim Pract 61(7): 395–403. doi: 10.1111/jsap.13113.

Weitere Literatur:

Mathews K, Kronen PW, Lascelles D, Nolan A, Robertson S, Steagall PV, Wright B, Yamashita K (2014): Guidelines for recognition, assessment and treatment of pain: WSAVA Global Pain Council members and coauthors of this document. J Small Anim Pract 55(6): E10–68. 
doi: 10.1111/jsap.12200.

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