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Der Schlüssel zum Wolfsmanagement ist guter Herdenschutz.
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Der Schlüssel zum Wolfsmanagement ist guter Herdenschutz.

Weidetiere

Wolfsgipfel – wird der Abschuss erleichtert?

Mit Beginn der Weidesaison werden wieder Forderungen nach einer Begrenzung der Wolfspopulation laut. In Bayern wird die Jagd auf Wölfe jetzt bereits vereinfacht.

  • Ende 2022 gab es in Deutschland 161 Wolfsrudel, dazu 43 Paare und 21 Einzeltiere.
  • Während sich Naturschützer über die gelungene Wiederansiedlung freuen, haben viele Halter von Weidetieren zunehmend Angst um ihre Schafe oder Pferde.
  • Die Debatte über das Zusammenleben mit den großen Raubtieren wird scharf geführt,  polarisiert und rührt an unsere Urängste. Mit Beginn der Weidesaison 2023 wird vermehrt ein erleichterter Abschuss von Wölfen gefordert.

Abschuss von Wölfen in Bayern

Am Freitag, 28. April 2023, veranstaltet der Bauernverband in Berlin einen „Wolfsgipfel“, um – mit Unterstützung der Union – auf Wolfsrisse aufmerksam zu machen und einen erleichterten Abschuss der großen Raubtiere zu fordern. Die bayrische Landesregierung hatte in derselben Woche bereits eine Verordnung beschlossen, die den Abschuss von Wölfen erleichtert. Künftig ist es in Bayern erlaubt, Wölfe zu töten,

  • wenn ein Weidetier auf einer Fläche gerissen wurde, deren Schutz mit Herdenschutzmaßnahmen „nicht möglich oder nicht zumutbar ist“ oder
  • wenn ein Wolf mehrere Tage weniger als 200 Meter entfernt von Ortschaften oder Tierställen gesichtet wird.

Top Job:



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Dabei ist es nicht notwendig, ausschließlich das Tier zu töten, das für den Riss verantwortlich ist beziehungsweise in der Nähe von Menschen gesehen wurde.

In Europa genießt der Wolf einen besonderen Schutzstatus  durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Demnach dürfen Wölfe nur dann getötet werden, wenn sie sich dem Menschen gegenüber auffällig verhalten. Bisher durften  in Deutschland daher nur in Ausnahmefällen Einzeltiere nach DNA-Nachweis getötet werden. 

Können Wolf und Mensch friedlich zusammen leben?

„Das Naturschutzgesetz in Deutschland – ebenso wie das EU-Recht – sieht vor, die Rückkehr ausgestorbener Arten zu fördern. Dahinter steht die Einsicht, dass nur ein komplettes Arteninventar die vielfältigen Ökosystemfunktionen gewährleisten kann. Wenn wir naturnahe Ökosysteme wollen, müssen wir damit umgehen lernen, dass "Natur‘ nicht immer bequem ist“, erklärt Prof. Dr. Ilse Storch, eine Expertin für Wildtierökologie und Wildtiermanagement aus Freiburg im Breisgau.

Sie hält angesichts der Erfahrungen anderer Länder eine Koexistenz für möglich: „Probleme wird es immer geben, aber eine Gesellschaft kann lernen, damit umzugehen. Gebiete wie Portugal und Nordspanien, der Balkan, die Apenninen, in denen große Fleischfresser immer vorkamen, zeigen eine entspanntere Sicht auf die großen Tiere. Auch in der Lausitz ist man heute gelassener als vor 20 Jahren, als die Wölfe noch neu waren. Wichtig ist, vielfältige Ansätze und Erfahrungen aus anderen Regionen – etwa zum Herdenschutz – anderswo zu prüfen, auszuprobieren und weiterzuentwickeln.“

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Herdenschutz ist Voraussetzung für die Koexistenz

Guten Herdenschutz und eine und eine angemessene Unterstützung der Tierhalter dabei sehen auch andere Experten als unabdingbare Voraussetzung für ein Zusammenleben. Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, sagt: „Voraussetzung für die Koexistenz ist ein funktionierender Herdenschutz und eine schnelle und unbürokratische Entnahme von Wölfen, die ein unerwünschtes Verhalten zeigen. Beim Herdenschutz brauchen wir mehr finanzielle Unterstützung der Nutztierhalter und umfangreiche Beratung.“

Hackländer, auch Leiter des Instituts für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien, plädiert dabei für eine Anpassung des Schutzstatus und eine Neuorientierung der Nutztierhaltung: „Dort, wo Herdenschutz möglich ist, muss dieser installiert werden. Dort, wo er technisch oder wirtschaftlich nicht möglich ist – etwa auf Almen und Deichen –, müssen entweder Nutztierweiden aufgegeben werden oder Zonen etabliert werden, in den Wölfe nicht geduldet werden, also durch Töten entnommen werden. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Entnahme einzelner Wölfen mit unerwünschtem Verhalten ist jetzt schon gemäß Artikel 16 der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) möglich. Die Ausweisung von ‚Wolfsfreihaltezonen‘ bedarf einer wildökologischen Raumplanung, die aktuell durch den Schutzstatus in Deutschland nach FFH-Richtlinie (Anhang IV) nicht möglich ist. Daher ist es wichtig, dass sich Deutschland dafür engagiert den Schutzstatus anzupassen, denn der Wolf gilt nach IUCN-Angaben in Europa seit 2007 als ‚nicht gefährdet‘.“

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Alarm! Neben Hunden können auch Esel zum Herdenschutz eingesetzt werden.
Foto: Harald - Fotolia.com
Alarm! Neben Hunden können auch Esel zum Herdenschutz eingesetzt werden.

Wie wird sich die Wolfspopulation entwickeln?

Prof. Hackländer denkt, dass in Deutschland schon bald ausreichend viele Wölfe leben: „Aktuell erleben wir ein exponenzielles Wachstum mit einer Zuwachsrate von jährlich 33 Prozent, das heißt eine Verdopplung der nachgewiesenen Wölfe alle drei Jahre. Wir bewegen uns aktuell in Richtung Lebensraumkapazitätsgrenze und Modellierungen der Universität für Bodenkultur Wien im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums haben ergeben, dass bis 2030 in Deutschland die für den Wolf optimalen Lebensräume besetzt sein werden. Bis dahin haben wir also den von der FFH-Richtlinie eingeforderten ‚günstigen Erhaltungszustand‘ erreicht und eine regelmäßige Entnahme zur Abschöpfung des Zuwachses wäre angebracht.“

Wildtierökologin Ilse Storch glaubt nicht, dass die Wolfsdichte viel weiter ansteigt: „Die Population wird sich weiter ausbreiten und früher oder später alle geeigneten Gebiete erschließen. Trotzdem wird die Dichte lokal nicht weiter ansteigen, dort wo eine Population flächig etabliert ist – etwa in der Lausitz –, weil Wölfe streng territorial sind. Die bisherigen Erfahrungen aus Nordostdeutschland zeigen Dichten von einem Rudel pro 200 Quadratkilometern – mehr werden es nicht werden.“

Abschüsse sind kein Ersatz für Herdenschutz

Die zukünftige Größe der Wolfspopulation ist laut Ilse Storch aber eher eine gesellschaftliche oder politische Entscheidung: „Wo beziehungsweise wie viele Wölfe vertretbar sind, also akzeptiert werden, ist keine ökologische Frage! Manche Länder versuchen es mit einer definierten Anzahl Wölfen, die nicht überschritten werden soll, etwa Schweden. Danach werden dann Abschusszahlen festgelegt. Anderswo (Frankreich) wird ein bestimmter Prozentsatz der Population zum Abschuss freigegeben. Auch das sind Versuche, sich an einen Umgang mit diesen Tierarten heranzutasten. Wichtig ist es, Ziele zu definieren: Was soll das Management bewirken? Pauschale Abschüsse werden den Herdenschutz nicht ersetzen können.“

Auch Dr. Norman Stier, Forstwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden, glaubt an einen weiteren Zuwachs der Population, dem voraussichtlich der Mensch Grenzen setzen wird:  „Wölfe stehen am Ende der Nahrungskette und sind deshalb entscheidend im Ökosystem. Dazu gibt es gute Untersuchungen und auch sehr gute Dokumentarfilme, zum Beispiel aus dem Yellow Stone Nationalpark. Allein deshalb lohnen sich Anstrengungen, Wölfen in Deutschland eine dauerhafte, natürliche Wiederbesiedlung zu ermöglichen. Nach einem neuen Habitateignungsmodell des Bundesamtes für Naturschutz können in Deutschland über 1.000 Wolfsrudel leben. Der Lebensraum gibt diese Populationsgröße her. Wie viele Tiere aber aus gesellschaftspolitischer Sicht ‚vertretbar sind/akzeptiert werden‘ wird die Zukunft zeigen und hängt stark vom Erfolg im Wolfsmanagement ab.“

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Noch ein großes Raubtier: Bären in Deutschland

Der Wolf ist nicht das einzige große Raubtier in Europa, mit dem Wege des Zusammenlebens gefunden werden müssen. Mitte April 2023 wurde ein Mann in Italien beim Joggen von einem Bären getötet, kurze Zeit später wurden in Bayern drei Schafe von einem anderen Bären gerissen. Braunbären wurden 1835 in Deutschland ausgerottet, geeignete Lebensräume gibt es aber durchaus.

Ilse Storch meint dazu: „Es ist erklärtes Ziel des Naturschutzes in Deutschland und der EU, ausgestorbene beziehungsweise ausgerottete Arten zurückzubringen. Das heißt aber nicht, dass sie aktiv ausgesetzt werden müssen. Viele Arten kommen von allein zurück, wenn man sie nicht mehr verfolgt und geeigneter Lebensraum vorhanden ist. […] Dementsprechend werden Bären in Deutschland in den Alpen gelegentlich von Österreich einwandern oder sich im Grenzbereich ansiedeln. “ Storch plädiert auch hier für eine unbürokratische Unterstützung beim Herdenschutz: „„Natürlich wird zum Beispiel für einen Alm-Bauern das Wirtschaften aufwändiger, wenn sich im Gebiet Wölfe oder Bären ansiedeln.“ Tödliche Unfälle wie in Italien lassen sich laut der Wildtierökologin nie zu 100 Prozent ausschließen, seien aber auch in Gebieten mit flächigem Vorkommen von Wolf und Bär Einzelfälle. 

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