Wir haben mit dem Start-up-Unternehmer Jonathan Loesing gesprochen. Gemeinsam mit Julian Lechner hat er die Berliner Tierarztkette „Rex“ gegründet.
Sie konnten für die „Praxen der Zukunft“ 5 Mio. Euro einsammeln. Was planen Sie?
Jonathan Loesing: Wir haben beobachtet, dass in der Tiermedizin viele Abläufe, gerade im Kontakt zu den Patientenbesitzern, wenig modern und digital sind. Millennials sind das aus ihrem Alltag anders gewohnt und sie sind inzwischen die größte Gruppe von Tierbesitzern. Wir haben uns das große Ziel gesetzt, ein bisschen frischen Wind in die Veterinärbranche zu bringen.
Ganz konkret haben wir drei eigene Praxen in Berlin gegründet und bauen gleichzeitig mit In-house-Softwareentwicklern unsere eigene Onlineplattform auf. Diese Plattform ist schon life und ermöglicht im ersten Schritt Terminbuchungen und Telemedizin.
Top Job:
Reine Telemedizinanbieter gibt es ja bereits, auch in der Tiermedizin. Was uns besonders macht, ist die Kombination mit den Praxen vor Ort. Telemedizin-Interaktionen mit den Kunden haben wir momentan vor allem in zwei Fällen. Zum einen: „Ich bin nicht sicher, ob ich reinkommen muss, und frag mal nach.“ Das ist auch gut für uns, so geht für Dinge, die man nicht vor Ort klären muss, keine Zeit in der Praxis verloren. Das andere ist Nachsorge. Da sind in manchen Fällen Telemedizintermine ausreichend.
Welchen Service bieten Ihre Praxen digital affinen Patientenbesitzern?
Loesing: Bereits jetzt kann man über unsere Webseite online Nutzerkonten erstellen und Besuchsgründe angeben. So wird vorab geklärt, wie lange ein Termin dauern sollte. Die Termine kann man in Echtzeit buchen, das heißt, der Kunde bekommt online die Verfügbarkeit angezeigt. Man kann über das Nutzerkonto Termine verschieben, absagen, zu einem anderen Arzt wechseln usw.
Telemedizin geht auch schon. Man kann online einen Termin buchen, zahlt dafür vorab, das Videogespräch ist in unsere Plattform eingebunden. In Zukunft soll man über diese Webseite noch mehr machen können, zum Beispiel die Medikamentenabholung online organisieren.
Wir arbeiten auch an digitalen Patientenakten. Man kennt ja die Leute mit einem alten Aktenordner voller Ausdrucke … Unsere Vision ist: Alles soll auf einem System laufen. Geht ein Kunde zu einer anderen unserer Praxen – vielleicht irgendwann mal auch in einer anderen Stadt –, haben die Mitarbeiter auf das gleiche zentrale Onlinesystem Zugriff und können zum Beispiel die alten Röntgenbilder sofort ansehen. Wir wollen die Patientenakte auch für die Endkunden verfügbar machen. So muss niemand mehr den riesigen Aktenordner herumtragen, sondern kann zum Beispiel unter seinem Nutzerkonto auch die Patientenakte managen.
Erleichtert die Digitalisierung auch den Tierärzten die Arbeit?
Loesing: Die Mitarbeiter in den Praxen sind oft total überlastet. Das ist ein super harter Job, die Belastung können wir auch nicht komplett wegnehmen. Aber wir können zumindest versuchen, den Teil, der so ein bisschen nervt, der mit Administration zu tun hat und oft noch oben drauf kommt auf den stressigen Job, ein bisschen einfacher zu machen.
Manches kann man über digitale Technologie einfacher und effektiver machen. Anderes lösen wir dadurch, wie wir als Unternehmen aufgestellt sind. Sehr viele administrative Prozesse, die nicht digital abbildbar sind, bearbeitet unser Büroteam: Bestellungen, Recruiting, Marketing, das alles machen wir zentral. Das tiermedizinische Personal soll sich auf die Medizin und auf unsere Kunden konzentrieren können und möglichst wenig mit den Dingen zu tun haben, die eigentlich keiner machen will in der Branche.
Wie nutzen Praktiker den Trend zur Telemedizin? Das möchte ein Positionspapier des bpt klären.