Liebe Eva, jetzt traue ich mich einfach mal, hier eine Frage zu stellen, und hoffe auf Inspiration … Ich leite eine Kleintierklinik und habe 17 Angestellte. Leider gibt es unter den Mitarbeitern zwei Tierärzte, die sich sehr offensichtlich nicht leiden können. Hier kommt es immer wieder zu Konflikten – ohne dass etwas Konkretes vorgefallen ist. Diese dicke Luft färbt auch auf die anderen Kollegen ab und alle sind genervt. Ich schätze beide Kollegen fachlich sehr und möchte sie nicht verlieren. Habe schon versucht, den Streit zu schlichten, aber so richtig gefruchtet hat das nicht. Hast Du einen neuen Denkanstoß? Dein ratloser Chef
EVA: Lieber Kollege, hört sich alles nach einem „typischen“ Konflikt unter Kollegen an. Immer wieder kommt es vor, dass zwei einfach nicht gut miteinander können und ständig Streitereien entstehen. Oft ist das für Außenstehende kaum nachvollziehbar, beschrieben wird dann: „Eigentlich sind beide total nett, aber die können sich einfach nicht riechen.“ Häufig spielt dann zumindest einer von beiden mit dem Gedanken, die Praxis zu verlassen. Was steckt dahinter? Wir glauben als Tierärzte und Tierärztinnen, dass wir uns alle sehr ähnlich sind, und verstehen daher nicht, wenn einer so ganz anders tickt als wir.
In der Psychologie beschreibt man verschiedene Persönlichkeitstypen; jeder Typ hat seine ganz eigenen Bedürfnisse, Stärken und Schwächen. Der eine ist introvertiert und benötigt mehr Zeit mit sich allein, der andere ist eher in Gesellschaft zufrieden. Mancher von uns ist sehr faktenaffin, ein anderer mag es lieber kreativ und freigeistig usw. Diese Typen sind im Erwachsenenalter stark verfestigt – grundlegend ändern werden wir uns nicht mehr. Was hat das mit Deinen beiden Mitarbeitern zu tun? Wahrscheinlich haben die beiden ein sehr unterschiedliches Persönlichkeitsprofil, was dazu führt, dass man glaubt, „nicht miteinander zu können“. Jeder wirft dem anderen seine Andersartigkeit durch alle möglichen Beispiele vor und versucht, ihn von seiner Art, Dinge anzugehen, zu überzeugen.
Zwangsläufig führt das zu Stress, denn selbst die besten Argumente werden nicht bewirken, dass sich das Gegenüber dem eigenen Typ anpasst. Stellt man dann also besser nur Mitarbeiter vom gleichen Typ ein? Der große Nachteil liegt dann darin, dass man ein Riesenpotenzial verschenken würde. Diversität ist eben nicht nur bei Alter, Gender, Herkunft etc. sehr bereichernd, auch verschiedene Persönlichkeitstypen sind wichtig, um ein wirklich starkes Team aufzubauen.
Idealerweise geht man dieses Thema mit allen Klinikkollegen zusammen an, denn es betrifft ja auch, wie Du schreibst, alle. Es lohnt sich, einmal gemeinsam zu erarbeiten, welche Persönlichkeitsprofile sich hinter den Kollegen verbergen und was das für das Miteinander bedeutet. Erst wenn man wertfrei versteht, wie die anderen ticken und was daraus resultiert, entwickeln sich mehr Akzeptanz und Toleranz. Meist fällt es deutlich leichter, etwas abstrakter über die unterschiedlichen Typen zu sprechen, als den individuellen Konflikt in den Fokus zu stellen. Ziel ist es dann auch, nicht nur den Konflikt zu befrieden, sondern das volle Potenzial des gesamten Teams noch besser zu nutzen. Wenn Du weitere Informationen benötigst, wie man so einen Teamaustausch gestalten könnte, melde Dich gerne und wir sprechen weiter … (RED)
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EVA (Engagiert Veterinärmedizinisch Arbeiten) steht für eine Tierärztin, die seit mehr als zwei Jahrzehnten als Führungskraft und Coach in der Veterinärbranche arbeitet. In Der Praktische Tierarzt beantwortet Sie Ihre Fragen.
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