Bislang galt eine unpassende Diät mit fehlender Abnutzung als hauptverantwortlich für die beim Meerschweinchen häufigen Zahnprobleme. Die als funktionelle Einheit mahlenden Backenzähne müssten demzufolge jedoch allesamt überlang und ungenügend abgenutzt werden. Dass dies nicht der Fall ist, sondern in den meisten Fällen ein einzelner Zahn Überlänge und Strukturveränderungen aufweist, fiel Tierärzten der Tierärztlichen Hochschule in Hannover auf. Sie nahmen dies zum Anlass für eine entsprechende Forschungsarbeit.
Makrodontie als extrem häufiger Befund beim Meerschweinchen
Dabei untersuchten die Wissenschaftler die röntgenologischen Untersuchungsbefunde von insgesamt 131 Meerschweinchen in einem retrospektiven Ansatz. Im Gegensatz zur äußerst spärlichen Erwähnung in der Literatur, fanden sie eine Makrodontie von mindestens einem Zahn bei deutlich über 80 Prozent der Meerschweinchen. Am häufigsten davon betroffen waren die Schneidezähne des Unterkiefers und die hintersten Backenzähne. Bis jetzt fehlte eine eindeutige Definition des Krankheitsbildes der Makrodontie. Dieser krankhafte Prozess wurde einzig als fortschreitende Verdickung des betroffenen Zahnes beschrieben. Aufgrund ihrer Erkenntnisse beim Meerschweinchen schlagen die Autoren vor, Makrodontie nicht nur über die zunehmende Dickenzunahme, sondern auch anhand von strukturellen Veränderungen des Zahnes und sekundär des Zahnhalteapparates inklusive des alveolären Knochens zu definieren. Diese Veränderungen können am verlässlichsten per Darstellung im Röntgenbild erkannt werden. Infolge der Zahnverdickung kann es zu Schmerzen und einer mangelhaften Okklusion kommen, welche schlussendlich die klinische Symptomatik verursachen.
Röntgenologische Abklärung empfehlenswert
Die Autoren der Publikation stützen ihre Definition für Makrodontie unter anderem auf radiologisch feststellbare Veränderungen. Insofern erscheint eine Strahlendiagnostik bei Zahnproblemen definitiv ratsam und empfehlenswert. Weshalb die Makrodontie bei Meerschweinchen derart häufig zu sein scheint und ob dabei genetische Faktoren eine Rolle spielen, bedarf weiterer Untersuchungen. Angesichts der vermuteten Pathogenese dürfte eine Extraktion der betroffenen Zähne die einzige sinnvolle Therapie darstellen. Auch dieser Aspekt erfordert jedoch weitere Studien, welche dem Praktiker als Handlungsempfehlung dienen können.
Originalpublikation
Köstlinger S, Witt S, Fehr M (2021): Macrodontia in Guinea pigs (Cavia porcellus) radiological findings and localisation in 131 patients. J Exot Pet Med, DOI 10.1053/j.jepm.2021.08.002.