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- Treten nach einer Kastration Rolligkeitssymptome auf, ist die Verwunderung groß. Von einem Ovarian-Remnant-Syndrom (ORS) ist die Rede, wenn nach der Ovarektomie Reste von Ovargewebe zurückgeblieben sind.
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- Der Verdacht besteht, wenn trotz Kastration Anzeichen von Rolligkeit auftreten. Superfizialzellen in der Vaginalzytologie oder eine erhöhte Östradiol-Konzentration im Serum erhärten den Verdacht. Abzuklären bleibt dann aber, ob exogenes Östrogen verabreicht wurde, ggf. auch durch unbeabsichtigten Kontakt mit östrogenhaltigen Cremes oder Sprays der Besitzer.
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- Die Diagnostik kann herausfordernd sein, insbesondere wenn die Katze nicht während der Rolligkeit vorgestellt wird und/oder Ovarreste sich nicht sonografisch darstellen lassen. An der Ludwig-Maximilians Universität München wurde jetzt die Bestimmung von Anti-Müller-Hormon (AMH) als diagnostisches Tool bei Verdacht auf ORS bei der Katze untersucht.
Anti-Müller-Hormon
AMH wird beim weiblichen Tier von Granulosazellen im Eierstock sezerniert, bei männlichen Tieren von Sertolizellen. Über die AMH-Konzentration im Serum lassen sich intakte und gonadektomierte Hunde bzw. Katzen differenzieren. Bei der Hündin wurde auch der Nutzen vom AMH in der Diagnose des ORS bereits beschrieben.
AMH-Konzentration bei kastrierten, intakten und ORS-Kätzinnen
Das Team untersuchte 15 Kätzinnen, die nach einer Kastration wegen Rolligkeits-Verhalten vorgestellt wurden. Bei allen Tieren, bei denen eine Laparotomie durchgeführt wurde (14/15), konnte das Vorliegen von Ovarrestgewebe histopathologisch bestätigt werden. AMH wurde zum einen bei diesen 15 Kätzinnen bestimmt, zum anderen bei 15 weiteren, intakten Kätzinnen und zehn kastrierten Kätzinnen ohne ORS-Verdacht, die größtenteils aus orthopädischen Gründen vorgestellt worden waren.
Nach kompletter Ovarektomie lag die AMH-Konzentration bei den Kätzinnen unter der Nachweisgrenze. Bei den Katzen mit zurückgebliebenen Resten von Ovargewebe lag die AMH-Konzentration signifikant höher als bei den vollständig kastrierten Kätzinnen und signifikant niedriger als bei den intakten Tieren.
Diagnostik bei Verdacht auf ORS
Empfehlenswert ist eine Vorstellung während der Rolligkeit. Dann können Superfizialzellen im Vaginalabstrich nachgewiesen und Östradiol im Serum bestimmt werden. Des Weiteren kann durch Induzieren einer Ovulation mit hCG oder GnRH und Progesteron-Nachweis einige Tage später ein ORS-sicher nachgewiesen werden. Im Ultraschall lassen sich ggf. Follikel nachweisen, auch außerhalb der Rolligkeit ist die sonografische Darstellung von Ovargewebe möglich. Findet sich nichts, kann ein ORS aber nicht ausgeschlossen werden.
Möglich scheinen auch außerhalb der Rolligkeit eine Östradiol-Messung mit anschließender GnRH-Stimulation und erneuter Messung oder ein LH-Schnelltest – untersucht wurde dies aber nur zur Differenzierung intakter und ovarektomierter Kätzinnen, nicht zur ORS-Diagnostik. Die Autoren empfehlen, die Messung der AMH-Konzentration in die Diagnostik einzubeziehen: Sie ist unabhängig vom Zyklus-Zeitpunkt möglich, vergleichsweise stressarm, denn nur eine Blutabnahme ist nötig. Zudem erlaubt eine einmalige Messung sowohl die Differenzeitung intakter und kastrierter Tiere bei unbekannter Vorgeschichte als auch die Diagnose eines ORS. Therapie der Wahl ist die chirurgische Entfernung des Ovarrestgewebes.
Originalpublikation
Flock U, Fischer S, Weeger J, Reese S, Walter B(2022): Anti-Müllerian hormone as a diagnostic tool to identify queens with ovarian remnant syndrome. J Fel Med Surg doi.org/10.1177/1098612X221099195