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Auf dem Weg zum Schlachthof: Ein Mangel an tierärztlichem Personal gefährdet das Tierwohl.
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Auf dem Weg zum Schlachthof: Ein Mangel an tierärztlichem Personal gefährdet das Tierwohl.

Personalknappheit

Tierarztmangel auch im Schlachthof

Der eklatante Personalmangel in der Tiermedizin greift inzwischen auch auf die Schlachthöfe über und gefährdet sowohl das Tierwohl als auch die Lebensmittelsicherheit.

Kliniksterben, Notdienstproblematik, Landtierarztmangel – die Nachrichten rund um die Personalknappheit in der Tiermedizin reißen nicht ab. Jetzt läutet auch der Bundesverband der beamteten Tierärzte e. V. (BbT) die Alarmglocke: Eklatanter Personalmangel gefährdet das Tierwohl in Schlachtbetrieben und die regionale Lebensmittelproduktion. 

Traditionelle Strukturen bröckeln

Früher übernahmen viele Großtierpraktiker neben der Praxis auch die Fleischbeschau. Nicht selten sicherte diese zusätzliche Einnahmequelle ihre Existenz. Fleischuntersuchungs- und Praxisbezirke waren nahezu identisch, die Wege kurz. Das hat sich mit dem Strukturwandel grundlegend geändert. Der Radius vieler Praxen hat sich deutlich erweitert. Gleichzeitig haben viele handwerkliche Schlachtbetriebe aufgegeben.

Die Fleischbeschau ist durch weite Anfahrten und zusätzliche Aufgaben in der Hygieneüberwachung kaum noch mit der Praxistätigkeit vereinbar. Auch finanziell ist die Schlachttier- und Fleischuntersuchung für Tierärztinnen und Tierärzte bei Weitem nicht mehr so attraktiv wie früher. In einer Abwärtsspirale führt der Personalmangel zu immer längeren, nicht bezahlten Anfahrtszeiten. Bei Schlachtungen mit geringen Stückzahlen liegt die Vergütung laut BbT rasch weit unter dem Niveau des Mindestlohns.


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Amtliche Tierärzte brauchen bessere Arbeitsbedingungen

Um für Tierärztinnen und Tierärzte wieder Anreize zu schaffen, eine Tätigkeit in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung zu übernehmen, fordert der BbT folgende Änderung des Tarifvertrags (TV Fleisch):

  • Die EU-rechtlich geforderte Überwachung des Tierschutzes und der Schlachthygiene als amtliche Tätigkeit muss sich auch im Tarifvertrag wiederfinden.
  • Vergütung der Fahrzeit zu und von Schlachtstätten, ausgenommen Großbetriebe.
  • Vergütung der Rüstzeiten (An- und Ablegen der Arbeitsschutz- und Hygienekleidung vor Ort).
  • Vergütung der fachlich erforderlichen Fortbildungszeiten sowie Übernahme der Kosten.
  • In Großbetrieben Entgeltfortzahlung für amtliche Tierärztinnen und Tierärzte bei ganztägigem Arbeitsausfall infolge einer Stilllegung des Betriebs aufgrund von Betriebsstörungen oder behördlichen Maßnahmen.

Der Personalmangel scheint vorprogrammiert

Der Ausschuss für Lebensmittel-, Milch und Fleischhygiene der Bundestierärztekammer (BTK) hatte bereits im Januar 2021 in einem Artikel im Deutschen Tierärzteblatt die Auswertung einer Umfrage zu dieser Problematik publiziert. Der Ausschuss stellte fest: Bereits in den nächsten Jahren werden allein aufgrund der Altersstruktur der Beschäftigten bis zu 500 Stellen zu besetzen sein.

Gleichzeitig nimmt das Interesse der Tierärzteschaft an der Schlachttier- und Fleischuntersuchung ab. Das liegt unter anderem an der Bezahlung nach Stückzahl wie sie in der Mehrzahl der Betriebe, insbesondere bei kleinen handwerklichen Betrieben, noch üblich ist. Dies wirkt sich finanziell ungünstig für den amtlichen Tierarzt aus. Zahlreiche Tätigkeiten, die zur Schlachttier- und Fleischuntersuchung gehören, werden gar nicht vergütet.

Der BTK-Ausschuss forderte daher bereits 2021 eine grundlegende Neuorganisation der ambulanten Schlachttier- und Fleischuntersuchung. Er plädierte dafür, auch in handwerklichen Schlachtbetrieben diese Untersuchungen in das Fachgebiet „Amtliche Lebensmittelüberwachung" der Veterinärämter zu integrieren.

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