Das Royal Veterinary College in London hat bereits im Jahr 2007 eine Datenbank aufgesetzt (Veterinary Companion Animal Surveillance System, VetCompass™), in die teilnehmende Kleintierpraxen in ganz Großbritannien anonymisierte Patientendaten eingeben können, mit denen dann epidemiologische Studien durchgeführt werden. Mittlerweile sind Daten von mehr als 20 Millionen Tieren aus mehr als 1.800 Praxen enthalten. Aus diesem Datenpool wurden in einer aktuellen Studie die Prävalenz, Inzidenz und prädisponierende Faktoren für das Cushing-Syndrom beim Hund errechnet.
Daten aus der Basisversorgung
Hunde mit der Diagnose Cushing-Syndrom wurden in den anonymisierten elektronischen Patientenakten identifiziert. Dabei wurde bewusst nur auf Daten von niedergelassenen Tierärzten zurückgegriffen, um eine Verzerrung der Zahlen durch vorselektierte Patientenpopulationen im Kliniksektor zu vermeiden. Für die Berechnung der 1-Jahres-Prävalenz wurden alle im Jahr 2016 bereits dokumentierten plus neu diagnostizierten Fälle gewertet, für die Inzidenz alle im Jahr 2016 neu diagnostizierten Fälle. Die Daten der neu diagnostizierten Fälle wurden durch statistische Analysen auf vorhandene Risikofaktoren untersucht.
Ergebnisse
In der Gesamtpopulation von 905.544 Hunden wurden 970 bereits dokumentierte und 557 neu diagnostizierte Fälle von Cushing-Syndrom identifiziert. Damit betrug die errechnete 1-Jahres-Prävalenz für die in tierärztlicher Behandlung befindlichen Hunde mit dieser Erkrankung 0,17 Prozent und die Inzidenz 0,06 Prozent. Das größte Risiko (Odds Ratio) für Cushing hatten Bichon Frisé (6.17), Border Terrier (5,40) und Zwergschnauzer (3,05). Das geringste Risiko hatten Golden Retriever (0,24) und Labrador (0,30). Zunehmendes Lebensalter, überdurchschnittliches Körpergewicht und das Vorhandensein einer Krankenversicherung wurden ebenfalls als begünstigende Faktoren für die Cushing-Diagnose ermittelt.
Klinische Relevanz
Da das Cushing-Syndrom vornehmlich in Tierarztpraxen und weniger in Kliniken diagnostiziert und behandelt wird, sind epidemiologische Kennzahlen für den niedergelassenen Sektor sehr nützlich, um den Erwartungshorizont abzustecken. Die Analyse der Risikofaktoren steht im Einklang mit bereits bekannten Daten, wobei die Erkenntnis eines erhöhten Cushing-Risikos beim Border Terrier neu ist. Wissenschaftlich hoch interessant ist vor allem auch, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn strukturiert und qualifiziert große Datenmengen aus der Praxis ihren Weg in die Forschung finden. Auf der Internetseite des VetCompass™-Programms kann man sich davon einen Eindruck verschaffen.
Originalpublikation
Schofield I, Brodbelt DC, Niessen SJM, Church DB, Geddes RF, O'Neill DG (2022): Frequency and risk factors for naturally occurring Cushing's syndrome in dogs attending UK primary-care practices. J Small Anim Pract 63(4): 265–274. doi.org/10.1111/jsap.13450