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Foto: C. Dreher, Bieneninstitut Kirchhain

Inhaltsverzeichnis

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift

Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer Varroabehandlung von Honigbienen mit 60%iger Ameisensäure in verschiedenen Verdunstersystemen

Effectiveness and side effects of different application forms of 60% formic acid as a treatment of honeybees against Varroa destructor

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 135, 1–13

DOI: 10.2376/1439-0299-2022-6

Eingereicht: 17. März 2022

Akzeptiert: 2. Mai 2022

Publiziert: 06/2022

Zusammenfassung

Die Milbe Varroa destructor ist ein global vorkommender, bienenspezifischer Ektoparasit und eine der größten Bedrohungen der westlichen Honigbiene (Apis mellifera L.). Die Ameisensäure ist eine der effektivsten organischen Säuren in der Varroamilbenbekämpfung, allerdings muss ihr Einsatz nach Wegfall der Standardzulassung in Deutschland im Rahmen der Verordnung (EU) 2019/6 (TierAMVO 2018) rechtlich neu bewertet werden. 

Diese Studie untersucht die Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer 60%igen Ameisensäurebehandlung in verschiedenen handelsüblichen Verdunstersystemen unter kontrollierten Bedingungen. Im Versuch wurden zweizargige Bienenvölker einmalig entweder mit der herkömmlichen Standarddosierung (230 g) Ameisensäure oder versuchsweise mit doppelter Dosierung (460 g) mittels Liebig Dispenser® oder Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster behandelt. Als Referenz zu einem zugelassenen Ameisensäure-Präparat wurde eine weitere Gruppe mit Formic Pro®-Gelstreifen behandelt, wohingegen die Negativkontrollgruppe keiner Behandlung ausgesetzt war. Anschließend wurde über einen Zeitraum von zwei Monaten kontinuierlich der Milbenabfall untersucht. Die Ergebnisse belegen eine hohe und zuverlässige Wirksamkeit von mehr als 95,00 % der Verdunster unter doppelter Ameisensäure-Dosierung, während die Behandlung mittels herkömmlicher Dosierung bei beiden Dispensern mittlere Wirksamkeiten von über 75,00 % erreichten. Die Effektivität der Formic Pro®-Gelstreifen lag im Mittel bei über 90,00 %. Dies belegt die hohe Wirksamkeit einer 60%igen Ameisensäure in der Verdunsterapplikation gegen die Varroa-Milbe. Um auch Nebenwirkungen dieser hohen Effektivität darzustellen, wurden im Behandlungszeitraum und bis zu 14 Tage danach der Bienentotenfall regelmäßig ausgezählt sowie Königinnenverluste notiert. Die Standarddosierung der Ameisensäure erzielte nicht mehr tote Bienen als die unbehandelte Kontrollgruppe, während die doppelte Dosierung und die Gelstreifen zu deutlich größeren Bienenverlusten führten. Erhöhte Königinnenverluste zeigten sich vor allem in der Gruppe der Formic Pro®-Streifen.

Varroa destructor
Parasitenbekämpfung
organische Säure

Summary

The honeybee-specific ectoparasite Varroa destructor is one of the greatest global threats to the Western honey bee (Apis mellifera L.). Formic acid is one of the most effective organic acids in combating the Varroa mite, but its future use depends on a new legal evaluation after cessation of the standard approval under the veterinary medicines ordinance (VO(EU)2019/6) in Germany. 

In this study, we examine effectiveness and side effects of 60% formic acid in different evaporator systems under controlled conditions. Colonies were treated once with the standard dosage (230 g) or experimentally with a double dosage (460 g) using a Liebig Dispenser® or Nassenheider Professional® long-term evaporator. Another group was treated with Formic Pro® stripes as a reference group, while the negative-control group was untreated. Mite fall was examined conti­nuously over two months. Double dosage evaporators induced a high effectiveness of more than 95,00%, while treatment with the standard dosage achieved an effectiveness of over 75,00% in both dispensers. Formic Pro® gel stripes reached an effectiveness of over 90,00%. This proves the high effectiveness of 60% formic acid in the evaporator application against the Varroa mite. Bee deaths were checked regularly during the treatment period and up to 14 days afterwards. Queen losses were recorded. The standard dosage produced no more dead bees than the untreated control group. The double dosage and the gel stripes resulted in significantly higher losses. Queen losses were particularly evident in the group of Formic Pro® stripes.

Varroa destructor
parasite control
organic acid

Einleitung

Die westliche Honigbiene (Apis mellifera L.) ist nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier, da sie für die Bestäubung vieler landwirtschaftlicher Kulturen eine essenzielle Rolle spielt (Klein et al. 2007, Klemm et al. 2017). Darüber hinaus hat sie durch die Bestäubung vieler Wildpflanzen eine zentrale Funktion für den Erhalt der Biodiversität (Potts et al. 2010). Der Mensch nutzt den von Honigbienen produzierten Honig, das erzeugte Gelée Royale, den eingetragenen Pollen, sowie Propolis und Wachs in verschiedenen Erzeugnissen und Verarbeitungen. Als Lebensmittel oder Zusatz von Pharmazeutika, Lebensmittelprodukten und anderen Industrieprodukten gewinnen diese Stoffe weltweit zunehmend an Bedeutung (Mahmood et al. 2011).

Seit Einschleppung der ursprünglich in Asien heimischen Milbe Varroa (V.) destructor (Anderson und Trueman 2000) kommt es seit Jahrzehnten zu massiven Völkerverlusten bei Honigbienen (Vanengelsdorp et al. 2009, Rosenkranz et al. 2009, Genersch 2010, Nazzi und Le Conte 2016). V. destructor ist ein bienenspezifischer Ektoparasit, der keine frei lebende Phase hat, sondern in seinem Lebenszyklus zwischen zwei verschiedenen Bienen-gebundenen Phasen wechselt (Aupperle et al. 2016). Die reproduktive Phase erfolgt in der verdeckelten Arbeiterinnen- und Drohnenbrut, wohingegen die phoretische Phase eine interspezifische Wechselwirkung zweier artfremder Organismen beschreibt. Hierbei ernährt sich die parasitische Milbe hauptsächlich vom Fettgewebe, sowie zellulären Komponenten juveniler und adulter Bienen (Ramsey et al. 2019) und ermöglicht somit dem Parasiten ein Überwintern im Bienenvolk. Einen kurzen Zeitraum dieser Phase dienen die Bienen der Milbe als Transportmittel innerhalb des Volks und zwischen den Völkern. Zusätzlich ist die Milbe ein Überträger verschiedener Bienenviren, wie z. B. des Flügeldeformationsvirus, das maßgeblich für die Schwächung und den Tod ganzer Bienenvölker verantwortlich ist (Gisder et al. 2009). Ohne eine Behandlung gegen die Varroose, die durch den Befall mit V. destructor hervorgerufene Erkrankung der Honigbienen, sterben bewirtschaftete Bienenvölker in unseren Breitengraden meist innerhalb weniger Jahre (Fries et al. 1994). 

Seit dem ersten schadhaften Auftreten der Varroa-Milbe wurden zahlreiche Behandlungsmethoden und Medikamente entwickelt. So wurden schon früh synthetische Akarizide in der Imkerei eingeführt, die jedoch die Gefahr von Resistenzbildung bei den Milben und Rückstandsbelastungen der Bienenprodukte mit sich brachten (Milani 1999, Medici et al. 2015). Bis heute sind Fälle von Resistenzbildung gegen Fluvalinat, Flumethrin, Coumaphos und Amitraz bekannt (Wilkinson et al. 2001, VanEngelsdorp et al. 2009). Diese Wirkstoffe sind fettlöslich und können sich daher auch in Wachs und Propolis anreichern (Wallner 1999, Bogdanov 2006). Im Gegensatz dazu ist beim Einsatz organischer Säuren wie zum Beispiel der Ameisensäure bisher noch kein Fall von Resistenz bei V. destructor bekannt (Cox-Forster und Vanengelsdorp 2009, Janke und Rosenkranz 2009). Von den in Deutschland zugelassenen Akariziden entwickelt lediglich Ameisensäure eine Wirkung gegen V. destructor in der verdeckelten Brut (Löscher und Richter 2016). Das Wirkprinzip der Ameisensäure beruht auf der selektiven Atmungshemmung und Übersäuerung der Milben, sobald eine Luftkonzentration von 500 ppm erreicht wird (Löscher und Richter 2016). Die Hemmung der Atmungskette in den Mitochondrien der Milbe führt zum Energieverlust bis zum Tod. Offenbar wird bei den Milben die Puffer- und Metabolisierungskapazität für Ameisensäure rascher als bei den Honigbienenlarven oder jungen Arbeiterinnen überschritten, was die selektive Wirkung der Ameisensäure auf die Varroa-Milben bewirkt (Bolli et al. 1993). Der günstigste Zeitpunkt einer Ameisensäurebehandlung ist im Spätsommer nach der Honigernte und vor der Winterbrutpause. Dabei spielen die Außentemperaturen eine große Rolle. Die optimalen Temperaturwerte liegen, je nach Darreichungsform im Bereich von 8–35 °C (Pietropaoli und Formato 2018). 
Bezüglich der Lebensmittelsicherheit handelt es sich bei der Ameisensäure um einen natürlich enthaltenen Inhaltsstoff des Honigs. Untersuchungen haben gezeigt, dass Behandlungen mit organischen Säuren zuweilen zu einer Erhöhung des natürlichen Säuregehalts im Honig führen, was nach Honigverordnung jedoch unzulässig ist (Löscher und Richter 2016, Bundesministerium der Justiz 2022). Daher wird empfohlen, die Varroa-Bekämpfung erst nach der letzten Honigernte durchzuführen. Die Wartezeit für Honig liegt nach der Behandlung bei null Tagen. In der vorliegenden Studie erfolgte die Säureanwendung zum Schutz der Bienenvölker gemäß Empfehlung nach der Honigernte. 


Top Job:


Wenn es um die Akarizidbehandlung geht, ist die Ameisensäure eines der am häufigsten eingesetzten Medikamente in der Imkerei. Neben dem Einsatz in konventionellen Imkerbetrieben ist dieses effektive Varroazid auch in Bioimkereien zugelassen. 

Aufgrund der von der EU angestrebten Harmonisierung von Tierarzneimitteln entfällt die bisher gültige Standardzulassung der Ameisensäure und der zukünftige Einsatz hängt von der Bewertung im Rahmen neu zu beantragender Präparatezulassungen ab. Ein wichtiger Grund dafür ist die unzureichende Datenlage zur Wirksamkeit. Um diese Wissenslücke zu verringern, untersucht diese Studie die Wirksamkeit einer 60%igen Ameisensäurebehandlung (60 % Formivar® ad us. vet.- Andermatt BioVet GmbH) in zwei handelsüblichen Verdunstersystemen. Die Standardzulassung für Ameisensäure geht von einer vom Beutenvolumen abhängigen Dosierung von 85 g Säure je 40 l aus. In Anlehnung daran haben wir für die von uns eingesetzten Beuten eine Dosierung von 230 g gewählt. Neben dieser haben wir in einer zweiten Behandlungsgruppe die doppelte Dosierung (460 g) angewendet. Zusätzlich werden der Bienentotenfall und der Verlust von Königinnen erfasst, da dies wichtige Kriterien für die imkerliche Entscheidung sind, wenngleich sie für die Zulassung bislang eine untergeordnete Rolle spielen.

Material und Methoden

Ameisensäurebehandlungen

Die Studie zur Wirksamkeit der 60%igen Ameisensäure wurde von Juli 2021 bis Oktober 2021 am Bieneninstitut Kirchhain durchgeführt. An zwei Standorten (Rauischholzhausen und Kleinseelheim) wurden insgesamt 48 zweiräumige Völker in Zandermagazinen aufgestellt. Da es sich nur um zwei verschiedene Standorte handelt, war es nicht zulässig, den Standort als zufälligen Faktor in unserem Modell zu berücksichtigen (Harrison et al. 2018, Arnquist 2020). Zur Sicherstellung eines ausreichenden Varroa-Befalls erhielt jedes Volk vier Wochen vor Versuchsbeginn eine 14 Tage alte Bannwabe aus stark befallenen Bienenvölkern, die nach Ermittlung des Milbenbefalls durch eine Auswaschbienenprobe gegebenenfalls wieder entfernt wurde (Schwellenwert: 3 Milben je 10 g Bienen). Der natürliche Milbenabfall, die Volksstärke (besetze Waben, Brutwaben, Brutstadien), sowie der Weiselzustand wurden sieben Tage vor der eigentlichen Behandlung beurteilt. Nach Auswertung dieser Daten wurden die sechs Versuchsgruppen à acht Völker innerhalb der Standorte balanciert aufgeteilt. Als Ameisensäure haben wir das Produkt der Firma Andermatt Biovet GmbH Lörrach, Deutschland verwendet, welches im Folgenden als „Formivar® ad us. vet.“ oder kurz „Formivar®“ abgekürzt wird. 

Die Dosierung der 60%igen Ameisensäure erfolgte in Anlehnung an die bisher geltende Standardzulassung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Danach sind 85 g der 60%igen Ameisensäure pro Zarge bei einem veranschlagten Volumen von etwa 40 l (ca. 40 dm3) einmalig anzuwenden (BVL 2022). Diese Menge soll innerhalb von zehn Tagen verdunsten. In Anlehnung daran haben wir in unserem Versuch unter Berücksichtigung eines Beutevolumens von 94,6 l als Standarddosierung 230 g und als doppelte Standarddosierung 460 g angewendet (Tab. 1). 

In zwei Versuchsgruppen benutzten wir den Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster (Joachim Weiland, Werkzeugbau GmbH & Co KG, Hoppegarten, Deutschland). Eine Gruppe davon erhielt die Standarddosierung von 230 g der Säure mit je einer Tucheinlage und einem Dispenser mit Dochtgröße Nummer drei. Der Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster wurde auf dem Oberträger mit 1 cm starken Holzlatten und einer mit Styropor (42 x 85 cm) eingeengten Leerzarge aufgestellt (Abb. 1A, Tab. 2). Die zweite Versuchsgruppe mit dem Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster erhielt die doppelte Standarddosierung von 460 g Formivar®. Hier wurden aufgrund der größeren Menge an Ameisensäure zwei Dispenser, zwei überhängende Tucheinlagen sowie Dochtgröße Nummer drei verwendet. Die beiden Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster wurden mit einem Gummiband befestigt (Abb. 1B, Tab. 2).
Bei zwei weiteren Versuchsgruppen verwendeten wir den Liebig Dispenser® (Andermatt Biovet GmbH Lörrach, Deutschland), ebenfalls mit 230 g Formivar® mit einem Dispenser und einer Tucheinlage auf dem Oberträger sowie einer Leerzarge (Abb. 1C, Tab. 2) bzw. mit 460 g aufgeteilt auf zwei Dispenser, zwei Tucheinlagen und in einer mit Styropor eingeengten Leerzarge auf dem Oberträger platziert (Abb. 1D, Tab. 2). Die Ameisensäure wurde in beiden Behandlungsgruppen über einen Zeitraum von 14 Tagen verabreicht. Bei allen Versuchsgruppen wurde an den Tagen 2, 9 und 14 eine Kontrolle der Abdampfung durch Wiegen des Verdunsters vorgenommen und bei Abweichungen von ± 6 g/Tag (bei 230 g Ameisensäure) bzw. ± 12 g/Tag (bei 460 g Ameisensäure) bei beiden Verdunstern eine Dochtanpassung vorgenommen. 

Als Referenz wurde eine fünfte Versuchsgruppe mit Formic Pro®-Gelstreifen (NOD Apiary Ireland Ltd., Irland) behandelt. Zwei Gelstreifen wurden auf die Oberträger der unteren Brutzarge gemäß Herstellerangaben seitlich versetzt über alle Wabengassen mit ca. 10 cm Abstand zu Stirn- bzw. Rückseite der Zargen und 5 cm Abstand zwischen den beiden Streifen platziert (Abb. 1E, Tab. 2). Ein imprägnierter Streifen enthält 68,2 g Ameisensäure. Demnach sollte bis zur Entnahme der Streifen an Tag 14 eine Menge von 136,4 g Ameisensäure verdunstet sein. Die tatsächliche Verdunstungsmenge der einzelnen Versuchstage ließ sich jedoch nicht nachweisen. Die sechste Versuchsgruppe erhielt keine Varroabehandlung. An beiden Standorten wurden die Versuchsgruppen zufällig angeordnet.
Während des Experiments wurde kontinuierlich die Außentemperatur mittels einer Wolf-Waage gemessen. Um die Behandlungseffizienz der Ameisensäure einschätzen zu können, wurde der Milbenabfall über einen Zeitraum von 70 Tagen ausgewertet. Zwei Tage vor dem Beginn der Ameisensäurebehandlung wurden die Bodenschieber eingelegt und die Anzahl der abgefallenen Milben bis Versuchsbeginn ausgezählt. Von Behandlungsbeginn bis zu 14 Tagen danach wurde alle zwei bis drei Tage der Milbenabfall ausgezählt. Von Tag 28 bis Tag 70 erfolgte die Zählung der Milben einmal wöchentlich. Hierzu wurden wechselbare Bodeneinlagen auf den Bodenschiebern angebracht und mit Bio-Sägekettenöl (XerVex-ratioparts Ersatzteile-Vertriebs GmbH) dünn bestrichen, um die abfallenden Milben darauf zu fixieren. Die Zahl der toten Bienen wurde mittels einer Bienenfallschale (1,0 x 0,5 m) vor jedem Volk mit zusätzlichem Schutz vor Vögeln bestimmt (Abb. 2). Über einen Zeitraum von 28 Tagen, von Beginn der Behandlung bis 14 Tage danach, wurden diese Schalen zwei- bis dreimal wöchentlich ausgezählt und anschließend entfernt. Weitere Auffälligkeiten wie ein erhöhter Bienentotenfall auf dem Gitterboden, Brutschäden und Krankheitssymptome sowie Königinnenverluste wurden notiert. 

Zur Beurteilung der Wirksamkeit begann zwei Wochen nach Abschluss der Ameisensäurebehandlung die Nachbehandlung mit Apivar®-Streifen (Véto-pharma SAS, Frankreich), die gemäß der Herstellerangabe für 42 Tage in allen Versuchsvölkern angewendet wurden. Jeder der beiden Streifen enthielt 500 mg Amitraz und jeder Bienenstock erhielt zwei Streifen (d. h. 1 g Amitraz pro Bienenstock), welche auf die brutbesetzten Waben verteilt wurden. Um die Restentmilbung zu kontrollieren, wurden die Bodeneinlagen einmal wöchentlich bis zum Ende der Behandlung entnommen und ausgezählt.  

Statistik 

Die Wirksamkeit der Ameisensäure wurde nach EMA-Richtlinie (EMA 2010) unter Berücksichtigung folgender Formel berechnet.

Effektivität in % = Zahl des Milbenabfalls im Behandlungszeitraum x 100: Zahl des Milbenabfalls im Behandlungszeitraum + Zahl des Milbenabfalls nach der Restentmildung

Die Wirksamkeit und der Bienentotenfall im Behandlungszeitraum wurden zwischen den Gruppen mittels eines allgemein, linearen Modells (engl. general linear model, GLM) und Sidak Post Hoc Tests für paarweise Vergleiche verglichen (SPSS 26.0). Die Anzahl toter Milben und toter Bienen bis zu 14 Tage nach Behandlungsbeginn sowie die Menge verdunsteter Ameisensäure an den Messtagen wurde mittels Varianzanalyse (engl. analysis of variance, ANOVA) mit Messwiederholung (MW) zwischen den Behandlungsgruppen verglichen. Paarweise Vergleiche wurden mittels Sidak Post Hoc Tests durchgeführt (SPSS 26.0). Zur besseren Vergleichbarkeit mit anderen Studien wurden zusätzlich der mittlere Milbenfall sowie der mittlere Bienentotenfall pro Tag für die verschiedenen Behandlungsgruppen berechnet.

Ergebnisse

Behandlungseffektivität der Versuchsgruppen

Alle Behandlungen erzielten eine hochsignifikante Milbenreduktion im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe (Abb. 3, Tab. 3; F(5,42) = 128,61; P  0,001; GLM; Effekt-Behandlung). 

Die Applikation von 460 g der 60%igen Ameisensäure (doppelte Standarddosierung) zeigte eine sehr hohe Wirksamkeit von über 95,00 % in der Varroamilbenbekämpfung, unabhängig davon, ob der Liebig Dispenser® oder der Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster eingesetzt wurde (Abb. 3, Tab. 3). Die Wirksamkeit der beiden Verdunster unterschied sich nicht signifikant (P > 0,05, Sidak Post Hoc Test). Die Milbenanzahl wurde nach der Medikation bei beiden Verdunster-Systemen sehr stark reduziert. Die Referenzgruppe mit Formic Pro®-Streifen zeigte ebenfalls eine sehr hohe Wirksamkeit mit einem mittleren Milbenfall von über 90,00 % (Abb. 3, Tab. 3), der sich nicht von der Wirksamkeit der doppelten Standarddosierung unterschied (P > 0,05). 
Auch die Standarddosierung von 230 g Ameisensäure (60 %) zeigte eine gute Wirksamkeit gegen die Varroa-Milbe. Sie lag im Mittel bei 75,47 % beim Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster (Abb. 3, Tab. 3) und bei 85,80 % beim Liebig Dispenser® (Abb. 3, Tab. 3). Der Liebig Dispenser® unterschied sich damit in seiner Wirksamkeit in der Standarddosierung nicht signifikant von der doppelten Standarddosierung oder den Formic Pro®-Streifen (P > 0,05). Im Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster führte die einfache Standarddosierung zu einer signifikant geringeren Wirksamkeit als die doppelte Standarddosierung (P  0,001) und als die Formic Pro®-Streifen (P  0,01). 

Bienentotenfall

Der Bienentotenfall vom Beginn der Behandlung bis 14 Tage nach Ende der Behandlung wurde signifikant von der Behandlung beeinflusst (F(5,42) = 5,76; P  0,001, GLM, Effekt Behandlung). Die sehr effektive doppelte Standarddosierung der Ameisensäure führte bei beiden Verdunstersystemen im Mittel zu mehr als 2.400 toten Bienen je Volk (Abb. 4) und lag damit in etwa doppelt so hoch wie bei Behandlung mit der Standarddosierung von 230 g Ameisensäure oder der unbehandelten Kontrolle. Der Bienentotenfall war bei der doppelten Standarddosierung im Nassenheider Professional® signifikant höher als bei der einfachen Standarddosierung (P  0,01; Sidak Post Hoc Test). Beim Liebig Dispenser war der Unterschied nicht signifikant (P > 0,05). Die beiden Verdunster unterschieden sich in der Bienensterblichkeit bei der doppelten Standarddosierung nicht signifikant voneinander (P > 0,05). Jedoch war der Bienentotenfall bei beiden Verdunstern in der doppelten Standarddosierung signifikant höher als bei der unbehandelten Kontrollgruppe (Liebig Dispenser®: P  0,01, Nassenheider Professional®: P  0,001). Im Gegensatz dazu war der Bienentotenfall bei der Standarddosierung in beiden Verdunstern im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle nicht signifikant erhöht (P > 0,05). Die beiden Verdunster unterschieden sich bei dieser niedrigeren Dosierung nicht signifikant voneinander (P > 0,05). Die Formic Pro®-Gelstreifen lagen im Bienentotenfall zwischen den Ameisensäurebehandlungen in verschiedenen Konzentrationen und unterschieden sich nur von der Kontrolle signifikant (P  0,05). Der Bienentotenfall der doppelten Standarddosierung führte damit zu keinem erhöhten Bienentotenfall gegenüber der zugelassenen Formic Pro®-Behandlung. 

Zusammenhang zwischen Milbenabfall und Bienentotenfall

Betrachtet man den zeitlichen Verlauf des Milbenfalls parallel zum Bienentotenfall im gesamten Zeitraum von 28 Tagen nach Behandlungsbeginn (Abb. 5), so zeigt sich, dass alle Behandlungen im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe einen hohen Milbenfall auslösten. Der Bienentotenfall ist deutlich korreliert mit der Dosierung und der Medikation. 

In den 48 Stunden vor der Behandlung war der Milbenfall bei allen Gruppen in etwa gleich (Abb. 5A, „Tag 0“). Mit Behandlungsbeginn stieg er bei allen Gruppen außer der unbehandelten Kontrollgruppe stark an (Abb. 5A, „Tag 2“). Die höchsten Werte wurden an Tag 5 registriert, anschließend fielen die Messwerte wieder stark ab. Der Verlauf ist bei den Formic Pro®-Streifen insgesamt etwas zeitlich versetzt im Vergleich zu den Verdunstern, aber die Wirksamkeit ist ebenfalls sehr hoch. Nach Behandlungsende ging der Milbenfall bei allen behandelten Gruppen zügig gegen null, während er bei der unbehandelten Kontrollgruppe im gesamten Zeitraum von 28 Tagen relativ konstant lag. Unter Berücksichtigung der Messwiederholungen im Laufe des 14-tägigen Behandlungszeitraums unterscheiden sich die Behandlungsgruppen nicht signifikant hinsichtlich ihres Milbentotenfalls (F(5, 42) = 1,93, P > 0,05, ANOVA mit MW, Effekt Behandlung), obgleich die Kurve der unbehandelten Kontrolltiere deutlich unter den anderen Kurven liegt. Ähnliche Verläufe des Milbenfalls werden deutlich, wenn man den Milbentotenfall anhand der Messtage mittelt, um den durchschnittlichen Milbenfall pro Tag pro Gruppe zu veranschaulichen (Abb. S1A).

Der Bienentotenfall war vor allem bei der doppelten Standarddosierung und den Formic Pro®-Streifen direkt nach Behandlungsbeginn stark erhöht (Abb. 5B). Bei den Formic Pro®-Streifen erreichte er zwei Tage nach dem Einbringen den fünffachen Wert an toten Bienen im Vergleich zu den 48 Stunden vor der Behandlung (Abb. 5B; vgl. Zeitpunkt „Tag 0“ und „Tag 2“). Die Standarddosierungen unterschieden sich im Bienentotenfall dagegen kaum von der unbehandelten Kontrollgruppe. Nach Abschluss der Behandlung an Tag 14 ging der Bienentotenfall in allen Behandlungsgruppen stark zurück und folgte dem Verlauf der Kontrollgruppe. Die Behandlung hatte einen hochsignifikanten Einfluss auf den Bienentotenfall im Behandlungszeitraum (Abb. 5B; F(5, 42) = 7,81, P  0,001, ANOVA mit MW, Effekt Behandlung). Während sich die beiden Verdunster mit Standarddosierung (230 g) im Bienentotenfall bis zu 14 Tage nach der Behandlung nicht signifikant von der unbehandelten Kontrolle unterschieden (P > 0,05, Sidak Post Hoc Test), so war der Bienentotenfall bei der doppelten Standarddosierung sowie bei den Formic Pro® -Streifen signifikant höher als bei der unbehandelten Kontrolle (P mindestens  0,05). Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man den durchschnittlichen Bienentotenfall pro Tag für jede Behandlungsgruppe berechnet (Abb. S1B).

Königinnenverlust

Nachdem bei vier der sechs Versuchsgruppen alle Königinnen die Behandlung überlebt haben, stachen die Formic Pro®-Gelstreifen mit fünf toten Königinnen im gesamten Versuchszeitraum deutlich hervor. Die erste Königin wurde an Behandlungstag zwei in der Bienentotenfallschale aufgefunden. An Tag 14 und an Tag 28 wurde der Weiselzustand aller Völker kontrolliert. An diesen Tagen wurden jeweils zwei tote Königinnen in der Formic Pro®-Gruppe registriert. Zusätzlich konnte beim Liebig Dispenser® 230 g einmalig an Tag 2 eine Weisellosigkeit festgestellt werden.

Verdunstungsmenge

Die Ameisensäurebehandlung hatte einen signifikanten Effekt auf die Verdunstungsmenge (Abb. 6, F(3, 28) = 107,93, P  0,001, ANOVA mit MW, Faktor Behandlung). Die doppelte Standarddosierung führte in beiden Verdunstersystemen erwartungsgemäß zu einer signifikant größeren Verdunstungsmenge als die Standarddosierung (Vergleich zwischen 230 g und 460 g bei beiden Verdunstertypen: P  0,001, Sidak Post Hoc Test). Die beiden Verdunstertypen unterschieden sich jeweils nicht signifikant in ihrer Verdunstungsmenge (Vergleiche zwischen Liebig Dispenser® und Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster jeweils P > 0,05. Sidak Post Hoc Test). Der Liebig Dispenser® mit der Standarddosierung von 230 g erreichte zumeist bereits an Tag 9 die maximale Verdunstungsmenge (Abb. 6). Der Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster mit der Standarddosierung von 230 g, ebenso wie die beiden Verdunster mit der doppelten Standarddosierung von 460 g, erreichten die vollständige Verdunstungsmenge zumeist erst an Tag 14 (Abb. 6).

Temperaturverlauf an den Messtagen

Die Messung der Außentemperatur erfolgte mittels einer Wolf-Waage je Standort. Die Außentemperaturen lagen während des Anwendungszeitraums der Ameisensäure mit durchschnittlichen Tagesmittelwerten von maximal 20,3 °C und minimal 12,9 °C im unteren Empfehlungsbereich (Formic Pro®: 10–29,5 °C, Nassenheider Professional®: 10–35 C°) (Abb. 7).

Diskussion

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die 60%ige Ameisensäure ein sehr wirksames Medikament gegen den Honigbienenparasiten Varroa destructor ist. Sowohl der Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster als auch der Liebig Dispenser® erreichen bei einer doppelten Standarddosierung mit 460 g Ameisensäure (60 %), aufgeteilt auf zwei Dispenser, eine Wirksamkeit von über 95,00 % nach EMA-Richtlinie. Mit über 90,00 % zeigt auch die Referenzgruppe mit Formic Pro®-Gelstreifen eine sehr hohe Wirksamkeit. Die beiden Versuchsgruppen mit der Standarddosierung von 230 g Ameisensäure (60 %) erreichen mit 85,80 % beim Liebig Dispenser® und 75,47 % beim Nassenheider Professional®-Langzeitverdunster eine Wirksamkeit knapp unter den geforderten 90,00 % der EMA. Dabei ist die höhere Wirksamkeit des Liebig Dispensers eventuell in Zusammenhang mit der tendenziell höheren Verdunstungsleistung in den ersten neun Tagen der Anwendung zu sehen. Wie zu erwarten, war der Milbenabfall bei der unbehandelten Kontrollgruppe gleichmäßig äußerst niedrig.

Neben der Wirksamkeit spielt im Anwendungsbereich auch der Bienentotenfall eine zentrale Rolle bei der Entscheidung für eine Medikation. Bei unserem Vergleich unterschieden sich die beiden Verdunstersysteme mit der Standarddosierung von 230 g nicht signifikant von der unbehandelten Kontrolle in der Bienenmortalität und zeigen damit äußerst geringe negative Nebenwirkungen auf die Honigbienen. Bei einem zweizargigen Volk sind je gut besetzter Zander-Wabenseite 1.000 Bienen anzusetzen (Delaplane et al. 2013). Die Versuchsvölker saßen auf 20 Waben, die allerdings insbesondere zum Rand hin nicht alle eng besetzt waren. Zum Zeitpunkt der Verdunstungsanwendung scheint eine mittlere Größenordnung von 25.000–30.000 Bienen realistisch. Die Mortalität der Stockbienen liegt zu dieser Jahreszeit bei durchschnittlich 3,7–6,4 % Bienen/Tag (EFSA 2020), was durchschnittlich 1.000–2.000 Bienen je Versuchsvolk entspricht. Die Mortalität der Sammlerinnen, die bei der Nahrungssuche außerhalb des Bienenvolks sterben, wird durch die verwendete Methode der Bienentotenfallen in der Regel nicht erfasst. Die unbehandelte Kontrollgruppe hatte bei dieser Volksstärke im Mittel 730 tote Bienen innerhalb von 28 Tagen und lag somit im unteren Bereich des erwartbaren natürlichen Bienenabgangs. In derselben Größenordnung lag auch die Bienensterblichkeit der Standarddosierung. Die doppelten Standarddosierungen, die eine höhere Milbenwirksamkeit von über 90,00 % zeigten, bedingten eine signifikant höhere Bienensterblichkeit als die Standarddosierung (Abb. 4, 5B). Auch die sehr effektiven Formic Pro®-Streifen führten zu einem signifikant höheren Bienentotenfall als die Standarddosierung (Abb. 4, 5B). Die höhere Ameisensäuremenge führt also zu deutlich stärkeren, wenngleich von den Völkern in der Regel gut zu verkraftenden Nebenwirkungen auf die Bienen als die herkömmliche Standarddosierung, die sich nicht von der unbehandelten Kontrolle unterscheidet.

Königinnenverluste sind nahezu ausschließlich in der Versuchsgruppe der Formic Pro®-Gelstreifen aufgetreten. Mit Ausnahme einer toten Königin an Tag 2 wurde die Weisellosigkeit erst zum Ende der Behandlung mit Entnahme der ameisensäurehaltigen Streifen sowie an Versuchstag 28 mit Kontrolle der Volksstärke festgestellt. Der genaue Todeszeitpunkt konnte deshalb nicht definiert werden. Der Verlust der Königin wurde mittels Weiselprobe überprüft. Offenbar führt das Einlegen der Formic Pro®-Streifen zwischen den beiden Bruträumen zu einer höheren Gefährdung der Königin als das Aufstellen der mit 460 g Ameisensäure gefüllten Dispenser oberhalb des zweiten Brutraums, obgleich sich die Verfahren hinsichtlich des Bienentotenfalls wenig unterscheiden. 

Unsere Ergebnisse belegen eindeutig einen positiven Zusammenhang zwischen Wirksamkeit der Ameisensäurebehandlung und Bienentotenfall. Je effektiver die Ameisensäure die Milben tötet, umso schädlicher scheint sie auch für die Bienen selbst zu sein (Abb. 5, S1). Dies belegt auch eine Studie von Underwood und Currie (2005), die die Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer niedrig dosierten Langzeitanwendung, einer mittleren Konzentration mit mittlerer Anwendungsdauer, sowie einer kurzfristigen Behandlung mit hoch konzentrierter Ameisensäure verglich. Auch hier gab es einen positiven Zusammenhang zwischen Effektivität der Behandlung durch hohe Ameisensäurekonzentrationen und hohem Bienentotenfall.

Neben der 60%igen Ameisensäure nutzen Imker in Österreich auch eine 85%ige Ameisensäure. Eine Studie nach Steube et al. (2021) zeigt, dass im Gegensatz zur 60%igen Ameisensäure die 85%ige Ameisensäure eine höhere Wirksamkeit erzielt und die Umgebungstemperatur einen signifikant geringeren Einfluss auf die Effektivität hat. Die Frage, ob es bei dieser Konzentration auch zu einem erhöhten Bienentotenfall oder zu einem erhöhten Aufkommen von Bienenschäden kommt, ist unklar. Ausgehend von unseren Ergebnissen zur doppelten Standarddosierung erwarten wir auch einen höheren Bienentotenfall bei der höheren Konzentration der Ameisensäure. In Deutschland besteht für die 85%ige Ameisensäure derzeit keine Zulassung als Tierarzneimittel. 

Ein großer Vorteil der Ameisensäure gegenüber anderen Varroa-Medikamenten ist, dass nur dieses Akarizid eine Wirkung gegen die Milben in der verdeckelten Brut zeigt. Zudem ist die Ameisensäure eine relativ preiswerte Behandlungsmöglichkeit gegen die Varroa-Milbe und wird immer beliebter, da die Resistenz der Milbe gegenüber anderen Behandlungen zunimmt (Ostermann und Currie 2004).  

Die Außentemperaturen spielen in Bezug auf die Verdunstung der Ameisensäure eine große Rolle (Calderone und Nasr 1999). Diese befanden sich im Zeitraum der Versuchsdurchführung an beiden Standorten bei durchschnittlichen Werten von 16,9 °C, bei einem Minimum von 9,2 °C und einem Maximum von 31,6 °C, was dem optimalen Bereich für die Verdunstungsanwendung der Ameisensäure entspricht. In unserem Versuch ergaben sich hinsichtlich der Verdunstungsmenge keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Verdunstern und die doppelte Standarddosierung führte zu einer annähernd doppelten Menge an verdunsteter Ameisensäure (Abb. 6). Der Einfluss der Temperatur auf die Geschwindigkeit der Ameisensäureverdunstung wurde bereits in früherer Literatur erwähnt (Calderone und Nasr 1999). Bei zu hohen Ameisensäurekonzentrationen in der Luft kann es zu möglichen negativen Auswirkungen auf die Bienengesundheit, die Brut und die Bienenmortalität kommen, sowie physiologische Auswirkungen auf unreife und junge Arbeiterbienen bedingen (Bolli et al. 1993). Dieser Befund wird auch von unseren Untersuchungen bestätigt, vor allem hinsichtlich der Bienenmortalität und dem Königinnenverlust. Da sich in den nächsten Jahren unser mitteleuropäisches Klima weiter erwärmen wird, und die Anzahl von Tagen mit Extremtemperaturen stetig zunimmt (Bellard et al. 2012), sollte die Anwendung der Ameisensäure hier in Bezug auf Verdunstungsrate, Milbenmortalität und anfallende Bienenschäden bei höheren Temperaturen zukünftig detailliert weiter untersucht werden, um auch unter ungünstigeren, d. h. wärmeren Umgebungstemperaturen mit schneller Verdunstung eine effektive Behandlung ohne große Schäden an den Bienenvölkern zu gewährleisten. 

Schlussfolgerungen

Unsere Ergebnisse belegen in zwei geprüften, marktgängigen Verdunstersystemen eine sehr effektive Varroa-Bekämpfung durch 60%ige Ameisensäure bei brütenden Bienenvölkern im Sommer. Die beiden Verdunster mit Standarddosierung (230 g Ameisensäure) haben den Vorteil eines geringen Bienentotenfalls, der sich nicht von dem der unbehandelten Kontrolle unterscheidet. Die von der EMA-Richtlinie vorgeschriebene Wirksamkeit > 90,00 % wird jedoch bei dieser Dosierung von keinem der beiden Verdunster erreicht. 

Die beiden Verdunster mit doppelter Standarddosierung (460 g) zeichnen sich durch eine sehr hohe Effektivität hinsichtlich des Milbenabfalls aus, die über den von der EMA-Richtlinie geforderten 90,00 % liegt. Allerdings verursachen sie auch einen signifikant größeren Bienentotenfall. Königinnenverluste waren nicht zu beklagen. Die behandelten Völker haben sich völlig normal entwickelt und konnten erfolgreich eingewintert werden. Die Wirksamkeit der verschiedenen Verdunstersysteme unterschied sich im Übrigen nicht signifikant von der Referenzgruppe mit Formic Pro®-Gelstreifen. Vorteil dieser imprägnierten Streifen ist die einfache Handhabung durch Auflegen auf die Zargen. Ein Nachteil dieser vorformulierten Anwendung sind die höheren Kosten im Vergleich zum flüssigen Formivar ad us. vet.®. Zudem führte diese Behandlung zu den größten Verlusten an Königinnen und zeigte wie die doppelte Standarddosierung im Verdunster einen starken Bienentotenfall. 

Alle Behandlungen waren im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle sehr effektiv in der Bekämpfung der Varroa-Milbe. Aufgrund des geringen Bienentotenfalls, der sich nicht von der unbehandelten Kontrolle unterschied, ist die herkömmliche Standarddosierung als bienenfreundlicher anzusehen, die doppelte Standarddosierung jedoch als effektiver und die Wirksamkeitskriterien der EMA erfüllend. 

Ethische Anerkennung

Die Autoren versichern, während des Entstehens der vorliegenden Arbeit die allgemeingültigen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis befolgt zu haben.

Interessenkonflikt

Die Autoren versichern, dass keine geschützten, beruflichen oder anderweitigen persönlichen Interessen an einem Produkt oder einer Firma bestehen, welche die in dieser Veröffentlichung genannten Inhalte oder Meinungen beeinflussen können.

Finanzierung

Diese Arbeit wurde unterstützt von der Dres. Jutta & Georg Bruns-Stiftung. Die Autoren versichern, dass sie Daten hierzu auf begründete Nachfrage bereitstellen.

Autorenbeitrag

R.B. und A.Br. entwickelten das Versuchsdesign der Studie. A.Ba. führte die Experimente durch. Die Auswertung der Daten und Erstellung der Grafiken erfolgte durch R.S. und A.Ba. Die erste Manuskriptversion wurde von A.Ba. und R.S. verfasst. Alle Ko-Autoren haben an der Revision des Manuskriptes mitgearbeitet.

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