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Recht

Das neue Tierarzneimittelgesetz: Zootiere und besondere Heimtiere

Der Deutsche Bundestag hat am 24. Juni den Erlass eines neuen Tierarzneimittelgesetzes beschlossen. Im Vorfeld übten Tierärzteverbände und Zoogemeinschaft deutliche Kritik an dem Gesetzesentwurf. Zumindest teilweise konnten Verbesserungen durchgesetzt werden.

Das EU-Tierarzneimittelrecht wurde neu geordnet. Am 28. Januar 2022 tritt die VO (EU) 2019/6  in Kraft. Sie gilt dann unmittelbar für alle Mitgliedsstaaten. Bestimmte Inhalte dürfen die Mitgliedsstaaten nach der VO allerdings selbst regeln, zum Beispiel den Einzelhandel mit Tierarzneimitteln. Diese sollen durch das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) im deutschen Recht geregelt werden. 

TAMG ohne Berücksichtigung veterinärmedizinischer Expertise?

Schon Anfang des Jahres gab es Ärger um den Referentenentwurf und deutliche Kritik der Tierärzteverbände und -kammern, denen nur gut drei Wochen für eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf blieben.

Noch im Juni meldeten sowohl die TVT als auch der Verband der Zoologischen Gärten Bedenken an: „Der Entwurf steht in wichtigen Teilen im Widerspruch zu den Grundlagen des Tierschutzes. Tierärzte und Tierärztinnen wollen kranke Tiere bestmöglich behandeln – das neue Gesetz würde dies bei einigen Tierarten verhindern“ so die TVT in einer Stellungnahme vom Juni 2021. Auch der VdZ weist den Entwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) als „fachlich unausgereift“ zurück.


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Nun scheint es zumindest in einigen Punkten ein Umdenken zu geben. Einer Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist zu entnehmen, dass es beim Medikamentenversand weiterhin Ausnahmeregelungen für besondere Heimtiere geben wird.

Erfassung des Antibiotikaverbrauchs bei Kleintier und Pferd

Bisher werden nur bei Masttieren die Antibiotika-Verbrauchsmengen systematisch erfasst. Doch das wird sich ändern. Die neue EU-Tierarzneimittelverordnung , die nun in nationales Recht umgesetzt wird, schreibt eine Erfassung des Antibiotikaverbrauchs auch für Pferde und Kleintiere vor.
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Das waren die Haupt-Kritikpunkte von TVT und VdZ

  • Versand von Medikamenten an Tierhalter: Besondere Heimtiere wie Schlangen oder Papageien werden oft von Spezialisten behandelt, zu denen die Tierhalter weit fahren müssen. Dürften für die Fortsetzung einer Behandlung keine Medikamente mehr verschickt werden, könnte ihre Versorgung leiden. In diesem Punkt wurde der TAMG-Entwurf wohl verbessert.
  • Import von Medikamenten aus Drittländern:  Das einzig wirksame Narkosemittel für Elefanten, Nashörner und Co., Etorphin, wird in Südafrika hergestellt. Kann es nicht importiert werden, könnte eine Indikation zur Narkose zum Todesurteil für diese Tiere werden.
  • Nutztiere als Hobby oder im Zoo: Bei Tieren, die offiziell zu den lebensmittelliefernden Tieren zählen, aber als Hobby- oder Zootier gehalten werden und nicht geschlachtet werden sollen, sind grundsätzlich nur Medikamente für lebensmittelliefernde Tiere zulässig. Das kann die medizinische Versorgung von z. B. Ziergeflügel, Kaninchen oder Minipigs genauso gefährden wie die von Wisenten, Yaks und Bisons im Zoo. 

Einfuhr aus Drittländern nur mit Herstellungserlaubnis

Der Tierarzneimittel-Import aus Drittländern ist nicht im TAMG selbst, sondern unmittelbar über die VO (EU) 2019/6 geregelt.  Dr. Ilka Emmerich, Vorsitzende des Ausschusses  für Arzneimittel- und Futtermittelrecht der Bundestierärztekammer (BTK), erklärt: „Etorphin darf im Therapienotstand auch in Deutschland für Zootiere umgewidmet werden. Bis zum vergangenen Jahr war die Einfuhr etorphinhaltiger Tierarzneimittel nach Deutschland aufgrund einer nationalen Zulassung in Großbritannien möglich. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist der Import erst wieder ab dem 28.01.2022 möglich. Dann dürfen Tierarzneimittel im Therapienotstand aus einem Drittstaat (Südafrika) importiert werden, wenn sie für die beanspruchte Tierart und das Anwendungsgebiet zugelassen sind. Der Pferdefuß an der zukünftigen Regelung ist jedoch, das für den Import aus einem Drittstaat nach Artikel 88 eine Herstellungserlaubnis erforderlich ist.“  Aufgrund dieser hohen administrativen Hürde dürfte die Einfuhr von Tierarzneimitteln im Therapienotstand damit nur Personen oder Einrichtungen möglich sein, die in der Lage sind, eine solche Herstellungserlaubnis zu erwirken. Da praktizierende Tierärzte zu diesem Personenkreis in aller Regel nicht zählen, steht zu befürchten, dass die Einfuhr aus Drittstaaten im Therapienotstand nur eine theoretische Möglichkeit bleiben wird.

Um das zu ändern, hat sich die BTK an die Europäische Tierärztevereinigung (FVE) gewandt, um den Artikel 88 der VO (EU) 2019/6 zu ändern, sodass es für die Einfuhr im Rahmen eines Therapienotstandes keiner Herstellungserlaubnis bedarf.

Nutztiere als Hobby: Ausnahmeregelung Haltererklärung

Nach Ansicht von Emmerich sind bereits jetzt für Nutztiere, die nicht zur Lebensmittelgewinnung gehalten werden, Ausnahmen vom geltenden Recht möglich, auch wenn es sich nicht um Equiden oder Kaninchen handelt. Das Arzneimittelrecht definiert den Begriff nach der VO (EG) Nr. 470/2009 Artikel 2 b folgendermaßen: „,der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere“ sind Tiere, die für den Zweck der Lebensmittelgewinnung gezüchtet, aufgezogen, gehalten, geschlachtet oder geerntet werden.“ Diese Definition schafft die Möglichkeit, Einzeltiere, die nach objektiver Zweckbestimmung lebensmittelliefernd sind, da sie zu Tierarten oder Rassen zählen, die üblicherweise der Lebensmittelgewinnung dienen und für diesen Zweck gehalten werden, vom Status „der Lebensmittelgewinnung dienend“ auszunehmen. Diese Einzeltiere müssen dann nicht zur Lebensmittelgewinnung gezüchtete, aufgezogene oder gehaltene Hobbytiere sein.

Emmerich meint: „Dass es sich bei dem betreffenden Einzeltier um kein „der Lebensmittelgewinnung dienendes Tier“ handelt, kann der Tierhalter dem Tierarzt mithilfe einer Haltererklärung versichern. Darin erklärt er, dass das betreffende Tier unwiderruflich nicht zur Lebensmittelgewinnung gehalten bzw. dieser zugeführt wird.“ Das Problem ist allerdings,  dass die Haltererklärung arzneimittelrechtlich nicht verankert ist. Daher sollte von ihr nur in Absprache mit der zuständigen Veterinärbehörde bei eindeutig identifizierbaren Einzeltieren Gebrauch gemacht werden. Viele Veterinärbehörden lehnen die Haltererklärung in einem solchen Fall allerdings wegen Bedenken hinsichtlich des Verbraucherschutzes ab.

Daher wäre eine rechtliche Verankerung sinnvoll, die aber Emmerichs Ansicht nach in der VO (EU) 2019/6 und nicht im TAMG erfolgen müsste. 

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ATF-anerkannte Fortbildungen: Dr. Ilka Emmerich hat zusammengefasst, was mit der neuen Rechtslage auf Praktiker zukommt: Das neue EU-Tierarzneimittelrecht – wichtige Änderungen für die Kleintierpraxis und die Großtierpraxis.

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