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Interview

Werden Bisphosphonate in der Pferde-Praxis zu häufig angewendet?

In der Fortbildungsveranstaltung der Klinik für Pferde der TiHo Hannover stellten Marei Grages und Professor Florian Geburek im Oktober 2020 wissenschaftliche Untersuchungen zu Bisphosphonaten beim Pferd vor.
Wir haben den Vortrag zusammengefasst und mit Geburek über die praktische Anwendung der Bisphosphonate gesprochen.

Prof. Dr. Florian Geburek ist Professor für Pferdechirurgie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Diplomate des European College of Veterinary Surgery, EBVS® European Specialist in Large Animal Surgery (Equine), Fachtierarzt für Pferde sowie für Pferdechirurgie.

Bei welchen Patienten setzen Sie Bisphosphonate ein?

Geburek: Gelegentlich setze ich Bisphosphonate bei Pferden mit Knochenspat und Hufrollensyndrom ein.

In welchen Fällen würden Sie eher abraten?


Top Job:


Geburek: Definitiv beim noch wachsenden Pferd, das ist eine Kontraindikation. Die Gabe von Bisphosphonaten führt potenziell zu einer massiven Beeinflussung der Knochenauf- und -abbauvorgänge und somit des Knochenwachstums beim jugendlichen Pferd. Zudem würde ich Bisphosphonate nicht bei Pferden einsetzen, bei denen es Hinweise auf eine stattgehabte oder bestehende Niereninsuffizienz gibt. Außerdem rate ich von der Anwendung bei Pferden ab, bei denen andere Therapiemaßnahmen zielführender erscheinen, zum Beispiel chirurgische Maßnahmen beim fortgeschrittenen Knochenspat.

Bisphosphonat-Therapie beim Pferd

Bisphosphonate (BP) werden bei Mensch und Pferd in erster Linie eingesetzt, um einen krankhaft veränderten Knochenstoffwechsel zu beeinflussen. In der Fortbildungsveranstaltung der Klinik für Pferde der TiHo Hannover sprachen Marei Grages und Professor Florian Geburek im Oktober 2020 über die evidenzbasierte Anwendung und das Nebenwirkungsrisiko.
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Was ist bei der Gabe von Bisphosphonaten besonders zu beachten?

Geburek: Zunächst sollte aus meiner Sicht die Indikationsstellung sehr streng erfolgen und nicht intuitiv auf die Beeinflussung jedweder bildgebend nachgewiesener Auflösungserscheinungen im Pferdeknochen ausgedehnt werden. Es ist wichtig, vor und nach einer Applikation die Nierenparameter labordiagnostisch zu überprüfen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die gleichzeitige Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika die Gefahr einer akuten Niereninsuffizienz erhöht. Dies gilt natürlich auch für andere potenziell nephrotoxische Substanzen. Darüber hinaus sollten Bisphosphonate bei Applikation per infusionem nicht in einer polyionischen Lösung wie Ringerlösung, sondern in physiologischer Kochsalzlösung aufgelöst werden. Alle mit Bisphosphonaten behandelten Pferde sollten klinisch nach der Behandlung überwacht werden.

Tiludronat wird teilweise auch intraartikulär oder als Stauungsinfusion verabreicht. Ist das empfehlenswert?

Geburek: Das ist nach bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht empfehlenswert, weil eine Knorpelschädigung bei diesen Applikationswegen nicht auszuschließen ist. Das heißt, es gibt bestimmte Wirkstoffkonzentrationen, bei denen sicher eine Knorpelschädigung zu erwarten ist, und diese Grenze ist bei den genannten Injektionsarten nicht kontrollierbar. Deshalb rate ich derzeit davon ab.

Ist eine Langzeitanwendung von Bisphosphonaten sicher?

Geburek: Welche Folge eine Therapie über mehrere Jahre bei Pferden hat, ist bislang unbekannt. Dies sollte deshalb zunächst vermieden werden. Es ist auch nicht geklärt, welche Abstände zwischen den Behandlungen optimal sind. In einer jüngeren Untersuchung hat sich gezeigt, dass Tiludronat auch nach drei Jahren bei Pferden noch nachweisbar ist. Daher vermeide ich eine wiederholte Gabe und nehme sie nur im Einzelfall nach erneuter sorgfältiger Prüfung des klinischen Verlaufs, der Behandlungsalternativen und labordiagnostischer Nierenparameter vor.

Werden Bisphosphonate in der Praxis zu häufig angewendet?

Geburek: Ursprünglich wurde für Pferde die aus der Humanmedizin stammende Hypothese aufgegriffen, dass Bisphosphonate eine positive Auswirkung auf den Knochenumbau haben und auch zu einer messbaren Erhöhung der Knochendichte führen. Es zeigt sich aber beim Pferd, dass in den angewandten Dosierungen der zugelassenen Bisphosphonate vermutlich eher ein entzündungsmodulierender Effekt die entscheidende therapeutische Rolle spielt. Das ist sicherlich auch der Grund, warum Bisphosphonate recht häufig angewendet werden.

Es gibt einige Beispiele für Erkrankungen, bei denen es bislang keinerlei Evidenz für einen therapeutischen Effekt im Sinne kontrollierter Untersuchungen gibt. Dazu gehören subchon­drale zystenähnliche Läsionen sowie die Sesamoidose. Ähnlich sieht es mit dem sogenannten Knochenödem aus, ein magnetresonanztomografisch feststellbarer krankhafter Befund. Auch hierzu gibt es noch keine systematischen Untersuchungen. Solange diese nicht verfügbar sind, liegt die Verantwortung für die Behandlung derartiger Erkrankungen vollständig beim behandelnden Tierarzt. An dieser Stelle ist die Aufklärung des Tierbesitzers ganz besonders entscheidend.

Weitere Informationen:

Einen ausführlichen Artikel zur evidenzbasierten Anwendung von Bisphosphonaten beim Pferd lesen Sie hier.

Artikel und Interview wurden zuerst im Januar 2021 in Der Praktische Tierarzt veröffentlicht.

Die Fortbildung der Klinik für Pferde der TiHo Hannover findet zurzeit online statt. Hier geht es zur Anmeldung.

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