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Unzureichende Biosicherheit im Schweinestall birgt die Gefahr, dass u.a. die ASP in den Bestand mit weitreichenden Konsequenzen eingetragen wird.
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Unzureichende Biosicherheit im Schweinestall birgt die Gefahr, dass u.a. die ASP in den Bestand mit weitreichenden Konsequenzen eingetragen wird.

Inhaltsverzeichnis

Leitfaden

Neues Niedersächsisches Biosicherheitskonzept

Der neue EU-Tiergesundheitsrechtsakt steht für mehr Biosicherheit im Stall. Eine Umfrage zeigt, dass es noch Mängel bei der Umsetzung gibt.

Von Wiebke Scheer (Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e.V.) , Ruth Steffens (Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit), Leonie Klein (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover), Ursula Gerdes (Niedersächsische Tierseuchenkasse)

Im 02. Juli 2022 wurde in Niedersachsen erstmals der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in einem Sauenbetrieb im Landkreis Emsland festgestellt. In der Folge waren rund 260 Betriebe mit ca. 200.000 Schweinen über drei Monate von tierseuchenrechtlichen Beschränkungen betroffen, die die Vermarktung der Schweine stark einschränkten. Der wirtschaftliche Schaden wird auf zehn bis 15 Millionen Euro geschätzt. Bei diesem Ausbruchsbetrieb wurden zwar keine Mängel in der Betriebsabschirmung festgestellt, eine unzureichende Biosicherheit gilt jedoch in vielen anderen Fällen als Hauptursache für den Eintrag der ASP in Schweine haltende Betriebe. Das neue „Niedersächsische Biosicherheitskonzept“ soll dazu beitragen, EU-rechtliche Bestimmungen umzusetzen und die Biosicherheit in Schweinehaltungen zu verbessern.

Mindestanforderungen auch für Hobbyhalter

Das neue Tiergesundheitsrecht der Europäischen Union (EU), Animal Health Law (AHL), ist seit dem 21. April 2021 in allen Mitgliedstaaten der EU direkt anzuwenden. Seitdem stehen insbesondere Schweinehalter, aber auch Tierärzte in der besonderen Verantwortung, den „Schutz vor biologischen Gefahren“ sicherzustellen, unabhängig von der Betriebsgröße. Auch Kleinst- und Hobbyhaltungen müssen Mindestanforderungen für Biosicherheitsmaßnahmen erfüllen. Besondere Schutzmaßnahmen gelten darüber hinaus, wenn der Ausbruch der ASP bei Haus- oder Wildschweinen festgestellt wurde. Anzuwendende Rechtsvorschriften auf EU-Ebene sind die Verordnung (EU) 2016/429 (AHL) sowie die Delegierten Verordnungen (EU) 2020/687 und (EU) 2020/689 sowie die Durchführungsverordnung (EU) 2021/605. Auf nationaler Ebene sind Vorgaben zur Biosicherheit in Schweinehaltungen im Tiergesundheitsgesetz, in der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) und in der Schweinepest-Verordnung (SchwPestV) geregelt. Gemäß AHL, Artikel 10 und 11, muss der Tierhalter über Kenntnisse zu Tiergesundheit und Tierseuchen verfügen und sich der Verbreitungsgefahren von Tierseuchen bewusst sein.

Maßnahmen zum physischen Schutz – u. a. Umzäunung, Einfriedung, Überdachung, Reinigung, Desinfektion – müssen durch ihn umgesetzt werden. Außerdem sollten betriebsindividuell Biosicherheitsmanagementpläne erstellt werden, in denen Verfahren zur Seuchenprävention beschrieben werden. Dazu gehören z. B. Verfahren, die regeln, wie Tiere, Personen und Fahrzeuge in den Betrieb gelangen, oder Verfahren für die Nutzung von Ausrüstung. Im Seuchenfall sind die Leistungen der Tierseuchenkasse und der EU abhängig von der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Somit wird auch die Biosicherheit zukünftig bei der Leistungsgewährung eine größere Rolle spielen müssen.

Finanzielle Unterstützung für die Tierärztliche Beratung

In den Aufgabenbereich der Tierärzteschaft fallen insbesondere Beratungen des Tierhalters zum Schutz vor biologischen Gefahren und anderen Tiergesundheitsaspekten, die im Rahmen von Tiergesundheitsbesuchen erfolgen sollen.

Nach AHL, Artikel 12, müssen Tierärzte bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten alle geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung, Entwicklung und Ausbreitung von Seuchen ergreifen und durch eine ordnungsgemäße Diagnose und Differenzialdiagnose das frühzeitige Erkennen von Seuchen sicherstellen. Ihnen obliegt zudem die aktive Beteiligung an der Sensibilisierung von Tierhaltern für Tiergesundheit und Wechselwirkung zwischen Tiergesundheit, Tierwohl und menschlicher Gesundheit. Vor diesem Hintergrund ist seitens der Niedersächsischen Tierseuchenkasse eine Beihilfe für Beratungen zur Biosicherheit geplant.

Während die beschriebenen Maßnahmen bereits zu Zeiten der Seuchenfreiheit gewährleistet sein müssen, gelten im Ausbruchsfall ggf. weitere Vorgaben, wie z. B. seuchenspezifische Maßnahmepläne bei ASP, die von der zuständigen Behörde genehmigt werden müssen, um Tiere aus Restriktionszonen verbringen zu können.

Stiefeldesinfektion ist nicht nur im Seuchenfall einen Selbstverständlichkeit vor dem Betreten von Tierställen.

Nachbesserungen in der Biosicherheit erforderlich

Routinekontrollen nach SchHaltHygV und Ergebnisse einer aktuellen Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover haben gezeigt, dass bei einer hohen Anzahl von Schweinehaltungsbetrieben dringend Nachbesserungen in der Biosicherheit erfolgen müssen. In der Studie wurden 81 Schweinehalter aus Niedersachsen zu ihren Einstellungen zu den vorgeschriebenen und empfohlenen Biosicherheitsmaßnahmen interviewt und die Umsetzung dieser Schutzmaßnahmen in ihren Betrieben erfasst. Ziel der Studie war es, einen eventuell vorhandenen Bedarf für die Anpassung oder Erweiterung von Informations- und Beratungsangeboten zu identifizieren.

In der Studie, in der 28 Kombi-Betriebe, 17 Ferkelerzeuger und 22 Mastbetriebe sowie 14 Freiland- oder Auslaufhaltungen untersucht wurden, zeigte sich, dass bei fast der Hälfte der Betriebe mit Stallhaltung eine wildschweinsichere Einzäunung des Betriebsgeländes fehlte (Kombi-Betriebe: 42,6 %, Ferkelerzeuger: 55,6 %, Mastbetriebe: 68,4 %). Bei den Freiland- und Auslaufhaltungen hatten 75 % die Weiden und Ausläufe doppelt wildschweinsicher eingezäunt, das Betriebsgelände war allerdings nur in einem Betrieb eingezäunt. Eine fehlende Einzäunung ist problematisch, wenn das Betriebsgelände bei den alltäglichen Arbeiten überquert wird und vor Betreten des Tierbereichs kein Schuhwechsel stattfindet; Überquerung des Betriebsgeländes und unzureichende Schuhhygiene konnten bei 15,2 % der Kombi-Betriebe, 22,2 % der Ferkelerzeuger und 26,3 % der Mastbetriebe sowie 93,8 % der Freiland- und Auslaufhaltungen festgestellt werden.

Hygieneschleusen mit betriebseigener Kleidung waren in fast allen Betrieben vorhanden, allerdings fehlte hier oft eine klare Trennung zwischen Stall- und Außenbereich (Kombi-Betriebe: 52,1 %, Ferkel­erzeuger: 29,6 %, Mastbetriebe: 71,1 %, Freiland-/Auslaufhaltungen: 93,8 %). Eine klare Linie auf dem Boden oder eine Bank als Raumteiler können hier helfen. Die Interviews mit den Landwirten ergaben, dass sich die Schweinehalter bundesweit einheitliche und praktikable Anleitungen zur Umsetzung der gesetzlichen Biosicherheitsvorgaben wünschen. Zudem betonten sie aber auch, wie wichtig die Beratung mit Ansprechpartnern – z. B. den bestandsbetreuenden Tierärzten – vor Ort sei, um betriebsindividuelle Lösungen für die Umsetzung der Maßnahmen gemeinsam zu erarbeiten

Jede Freilandhaltung muss wie hier doppelt wildschweinsicher eingezäunt werden. Das gilt auch für Betriebsgelände. In der Praxis wird das nicht immer umgesetzt.

Arbeitshilfe für Tierärzte, Halter und Berater

Auf Initiative der Niedersächsischen Tierseuchenkasse und des Landvolks Niedersachsen wurde daher im November 2021 die „Arbeitsgruppe (AG) Biosicherheit in Schweinehaltungen“ mit maßgeblichen Akteuren gegründet, die dazu beitragen möchte, dass Biosicherheitsmaßnahmen den rechtlichen Vorgaben des neuen Europäischen Tiergesundheitsrechts entsprechen und von allen Beteiligten umgesetzt werden.

Ziel der AG war es, eine Arbeitshilfe für Tierhalter, Tierärzte und Behörden zu schaffen, die das anzuwendende nationale und EU-Recht sowohl zu Friedenszeiten wie auch im ASP-­Ausbruchsfall abbildet.

Das „Niedersächsische Biosicherheitskonzept für Schweine haltende Betriebe nach dem EU-Tiergesundheitsrechtsakt“ (kurz: Niedersächsisches Biosicherheitskonzept) beinhaltet neben einem Leitfaden und drei Checklisten einen Biosicherheitsmanagementplan. Im Leitfaden sowie in den Checklisten werden zwei Sicherheitsstufen (I und II) in Friedenszeiten sowie verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren berücksichtigt, die sich bei Ausbruch der ASP mit Blick auf die Biosicherheit ergeben. Mithilfe der Checklisten (je nach Sicherheitsstufe) kann die Einhaltung der Maßnahmen im Betrieb abgeprüft werden.

Die Sicherheitsstufe I wurde in Anlehnung an die SchHaltHygV (Anlage 1) sowie unter Berücksichtigung des AHL erarbeitet. Das Niveau der Sicherheitsstufe I muss von allen Schweinehaltungen mindestens erfüllt werden. Für die Sicherheitsstufe II wurden zusätzlich die Checkliste des Friedrich-Loeffler-Instituts zur „Vermeidung der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Schweine haltende Betriebe“ (Stand 20.07.2018) sowie die Anlagen 2 und 3 der SchHaltHygV betrachtet.

Das Niveau der Sicherheitsstufe II muss von Schweinehaltungen erfüllt werden, bei denen mindestens eines der folgenden Kriterien zutreffend ist: hoher Wert der zu schützenden Herde, Anzahl gehaltener Schweine (ab 20 Mastschweinen oder 3 Zuchtsauen – SchHaltHygV Anlage 2 ff.) und/oder spezifischer Gesundheitsstatus zur Absicherung der Vermarktung der Tiere und Produkte.

Die Vorgaben für den Seuchenausbruch wurden in Anlehnung an die Delegierten Verordnungen (EU) 2020/687 und (EU) 2020/689 sowie die Durchführungsverordnung (EU) 2021/605 (Anhang II) und an die SchwPestV und unter Berücksichtigung des Papiers SANTE/7113/2015 – Rev. 12 vom 29.04.2020 erarbeitet. Verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren gelten für Schweine haltende Betriebe in der Schutz- und Überwachungszone bzw. in den Sperrzonen I, II, III, die Schweine nach außerhalb dieser Zonen verbringen wollen. Solche Verbringungen bedürfen der Genehmigung und es gelten die Vorgaben der zuständigen Kommunalbehörde

Zur Auslauf- und Freilandhaltung von Schweinen im Zusammenhang mit der ASP wurde am 16.08.2022 auf Bundesebene eine Expertengruppe gegründet, die den Auftrag hat, einen Leitfaden zu entwickeln. Dieser soll anhand eines Maßnahmenkatalogs eine einheitliche Bewertungsgrundlage ermöglichen und somit eine Entscheidungshilfe für Betriebe und Verwaltung darstellen.

Zusammensetzung der „Arbeitsgruppe Biosicherheit in Schweinehaltungen“

Betriebseigener Managementplan für die Biosicherheit

Zur besseren Lesbarkeit sind im Dokument die Sicherheitsstufen sowie die Vorgaben bei Seuchenausbruch farblich markiert. Die Farbgebung spiegelt sich sowohl im Leitfaden wie auch in den Checklisten wider.

Vervollständigt wird das geforderte Biosicherheitskonzept durch einen Biosicherheitsmanagementplan, mit dem der Tierhalter gemeinsam mit seinem bestandsbetreuenden Tierarzt sein betriebsindividuelles Management zur Seuchenprävention abbildet. In diesem Managementplan beschreibt der Tierhalter, wie der Bestand vor dem Eintrag von Seuchenerregern geschützt wird, also wie die Abläufe auf dem Betrieb gestaltet sind, um die kritischen Kontrollpunkte im Hinblick auf die Biosicherheit zu analysieren und zu beherrschen. Der Fokus des Biosicherheitsmanagementplans liegt auf der Abschirmung des Betriebes gegenüber dem Seucheneintrag.

Die Anforderungen des EU-Rechts in Sachen Biosicherheit betreffen alle Halter von Nutztieren. Das Niedersächsische Biosicherheitskonzept soll daher zeitnah auch für die Tierarten Geflügel und Rind weiterentwickelt werden.

Die Gründung der „AG Biosicherheit in Geflügelhaltungen“ ist für Februar 2023 geplant.

Wichtig für mehr Biosicherheit im Schweinestall ist die klare Trennung zwischen Stall und Außenbereich durch eine Hygieneschleuse.
  • Das Niedersächsische Biosicherheits­konzept steht zum Download auf den folgenden Homepages zur Verfügung: https://landvolk.net; https://www.ndstsk.de
  • Ergänzt wird das Konzept durch den niedersächsischen „Leitfaden Kadaver­lagerung“ und den neu erstellten „Leitfaden zur Einfriedung Schweine haltender Betriebe“. Beide Dokumente sind ebenfalls im Internet abrufbar: svg.to/schweinegesundheitsdienst
Dr. Wiebke Scheer, M. Sc. Veterinary Public Health, Landesbauernverband, Hannover

Korrespondenzadresse: wiebke.scheer@landvolk.org

Kostenfreier Download

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