Sind die Gebührensätze der GOT noch zeitgemäß? Diese Frage würden viele Tierärztinnen und Tierärzte wohl mit „Nein“ beantworten. Die letzte größere Anpassung der GOT gab es 1999. Seitdem haben sich viele Rahmenbedingungen und Kostenpositionen verändert. Die Veterinärmedizin hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht, doch weitere Anpassungen der GOT wie die Einführung einer Notdienstgebühr im Februar 2020 waren eher marginal.
Im Mai 2022 hat das Bundeskabinett die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgelegte Neufassung der GOT beschlossen. Die Neufassung muss noch vom Bundesrat beschlossen werden, dann könnte sie im Oktober 2022 in Kraft treten.
Das Gutachten zur GOT
Im Mai 2020 beauftragte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Prof. Dr. Eberhard Haunhorst vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) und die AFC Public Services GmbH, „finanzielle und strukturelle Auswirkungen hinsichtlich der Angemessenheit der Gebührensätze für Tierärzte“ zu prüfen. Jetzt, im November 2021, liegt der Abschlussbericht der Studie vor.
Neben Literatur- und Statistikanalysen wurden 25 Experteninterviews mit verschiedenen Stakeholdern durchgeführt. Die Untersuchenden befragten Experten aus den Standesvertretungen der Tierärzte, Tierhalterverbänden, der Wissenschaft und Verwaltung, aus Unternehmen und Versicherungen sowie praktizierende Tierärzte. Zusätzlich wurde eine Online-Umfrage unter 1.300 praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzten deutschlandweit durchgeführt. Maßstab für die Neubewertung der GOT war ein Entwurf der Bundestierärztekammer aus dem Jahr 2012 – an Struktur und Leistungskatalog wurde daher nichts verändert.
Gutachten: Diese Leistungen sollen teurer werden
Die Umfrage unter den Praktikerinnen und Praktikern ergab, dass im Normalbetrieb im Mittel ein Gebührensatz von 1,44 erhoben wird, während im Notdienst der 2,25-fache Satz verlangt wird (2019). Den höchsten Gebührensatz berechneten im Normalbetrieb die Pferdepraktiker, im Notdienst lagen die Kleintiere vorne. Tierärztinnen und Tierärzte sahen vor allem bei den alltäglichen, häufig durchgeführten Leistungen Anpassungsbedarf: Allgemeine Untersuchung, Folgeuntersuchung, Beratung und Injektion). Auch für Kastrationen, Narkosen, Röntgen, Laborauswertung und Blutproben würde man gerne mehr berechnen.
Die befragten Experten sahen eine dringende Notwendigkeit, die GOT an die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten anzupassen, insbesondere bei Kleintieren und Pferden. Insbesondere für Leistungen mit hohen Gerätekosten wie die modernen Bildgebungsverfahren sei eine höhere Gebühr dringend notwendig. Die Gebühren so anzusetzen, dass sie gleichzeitig Tierärzten ein wirtschaftliches Auskommen ermöglichen und den Tierhaltern gegenüber vertretbar sind, sei aber eine Herausforderung – insbesondere im Nutztierbereich. Gerade bei Geflügel und Schweinen nimmt die praktische Relevanz der GOT jedoch etwas ab, da vermehrt pauschal über Betreuungsverträge abgerechnet wird.
Die Minute kostet 2,25 Euro
Und wieviel soll der Tierarztbesuch jetzt kosten? In der GOT sind keine pauschalen Preise aufgeführt, sondern Gebühren für einzelne Behandlungsschritte. Leistungen können mit dem 1–3-fachen Satz berechnet werden.
Um sachgerechte Vorschläge für die Gebührensätze zu ermitteln, machten die Untersucher eine betriebswirtschaftliche Berechnung auf Vollkostenbasis. Sämtliche Kosten einer Tierarztpraxis wurden berücksichtigt und auf den Preis für eine tierärztliche Behandlungsminute heruntergerechnet: Diese Kosten betragen in Einzelpraxen 2,27 Euro und in Gemeinschaftspraxen 2,14 Euro. Daraus ergibt sich ein gewichtetes Mittel von 2,25 Euro pro Behandlungsminute.
Um die Gebühren für einzelne Leistungen zu ermitteln, wurde dann schlicht der Zeitaufwand mit den Kosten für eine Behandlungsminute multipliziert. Das Resultat sind neu ermittelte Gebührensätze für jeden Posten der GOT, zum Beispiel:
- Beratung: 11,26 Euro
- Allgemeinuntersuchung mit Beratung bei Hund, Katze, Frettchen: 23,62 Euro
- Kastration Kater 30,32; Rüde 70,60 Euro
- Ovarektomie Kätzin 56,48 Euro; Hündin 128,27 Euro
- Injektion s. c. oder i. m. beim Pferd: 11,50 Euro
Die aufgeführten Preise wurden aus dem Gutachten unverändert in den Gesetzesentwurf des BMEL übernommen.
Dieser Artikel aus dem November 2021 hat im Mai 2022 ein Update erhalten.