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Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift

Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren - die ethische Dimension

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 119

Publiziert: 09/2006

Zusammenfassung

Der Begriff „leistungsabhängige Gesundheitsstörungen“ ist durch Bergmann (1992) definiert worden als katabole Phänomene und krankhafte Prozesse, die mit hoher Nutzleistung verbunden oder von ihr verursacht sind. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Gesundheitsstörungen landwirtschaftlicher Nutztiere in eine kausale Beziehung zu den gesteigerten Leistungen der Tiere gebracht worden. Im Gegensatz zu den klassischen Erbkrankheiten handelt es sich in der Regel bei den leistungsabhängigen Gesundheitsstörungen um anthropogene Krankheitsbilder, deren Ausprägungsgrad von im Regelfall ebenfalls anthropogenen Umweltfaktoren bestimmt wird. Das Züchten und Halten von Tieren mit der Folge leistungsabhängiger Gesundheitsstörungen ist daher ein ethisches Problem und seit 1986 verboten (§ 11b TierSchG). Das Verbot wird allerdings nicht umgesetzt; das zuständige Bundesministerium ist der Auffassung, dies liege an der „sehr kontrovers diskutierten“ Frage, wann „die Grenze zur Qualzucht“ erreicht bzw. überschritten sei. Im Folgenden wird die beinahe zwanzig Jahre andauernde Debatte um das Vollzugsdefizit rekonstruiert. Dabei deuten zahlreiche Indizien darauf hin, dass den Problemen bei der Zuordnung konkreter Tiere zu § 11b TierSchG kein tiermedizinischer Dissens zu Grunde liegt, sondern Schwierigkeiten im Erkennen der eigenen Verantwortlichkeit. Die traditionelle Modellüberlegung der Ethik zum Appell an das Verantwortungsbewusstsein von Laien ist die sog. Goldene Regel („was du nicht willst, das man dir tu’, das füge keinem andern zu”), die jedoch bislang auf den Bereich der Tierzüchtung nicht angewendet wurde. Im Folgenden wird ein Modell zur Bewusstmachung ethischen Fehlverhaltens vorgestellt, das den von der Goldenen Regel geforderten Perspektivenwechsel auch im Bereich der Tierzüchtung ermöglicht, und damit ein Hilfsmittel zum Erkennen der eigenen Verantwortlichkeit darstellen könnte. Bei der Beschäftigung mit Lösungsvorschlägen werden zwei Aspekte differenziert; der chronische Nicht-Vollzug des § 11b TierSchG und die nachhaltige Beseitigung des Problems. Es werden in beiden Bereichen Lösungsvorschläge zur Diskussion gestellt.

Summary

The term “performance-related health disorders” has been defined by Bergmann (1992) as catabolic phenomena and pathological processes that are related to or caused by high productivity levels. In the past few years,a cause and effect rela-tionship has been determined between numerous health disorders found in farm animals and their increased productivity. In contrast to the classic hereditary diseases, the performance-related health disorders are anthropogenic diseases. The severity of these disorders is, as a rule, determined by anthropogenic environ-mental factors. Breeding and keeping animals in such a way that they suffer from performance-related health disorders therefore is an ethical problem. Further-more, it has also been a legal problem since the implementation of Section 11b of the German Protection of Animals Act (TierSchG) in 1986. However, this ban has not been enforced;the federal ministry responsible argues that this is becau-se there is still a “very controversial discussion”on the question of when the “line that separates breeding from ‘problem’or ‘agony breeding’(Qualzucht)” has beenreached or overstepped.The following article takes a dose look at the almost 20-year-old debate on the lack of enforcement.There is a large amount of cir-cumstantial evidence that indicates that the problems that arise in determining whether specific animals fall under Section 11b TierSchG do not arise from a vete-rinary dispute but rather from the difficulty of identifying responsibilities.The tradi-tional ethical model used to appeal to the feelings of responsibility in a layperson is the so-called Golden Rule (“do unto others as you would have them do unto you”) which so far has not been applied to the area of animal breeding.The following article presents a model on how to create an awareness for ethical malpracti-ce.The model makes it possible to use the change of perspective demanded by the Golden Rule and apply it to the area of animal breeding.This provides what could potentially be a useful aid in understanding ones own responsibility While looking at possible Solutions, two aspects are differentiated:the chronic non-enfor-cement of Section 11b TierSchG and the complete abolition of the problem. Possible Solutions are presented for both areas and put up for discussion.

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