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Urteil

Lahm trotz OP − korrekt aufgeklärt?

Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat entschieden, dass die Vorschriften über die humanärztliche Aufklärung nicht bei einer tierärztlichen Behandlung anzuwenden sind.

  • Eine Bulldogge wird am Kreuzband operiert, lahmt aber weiterhin. Nach zwei weiteren Operationen kommt es zur Klage.
  • Die Sachverständigen führen an, dass der Beklagte die Standard-OP-Methode gewählt hat.
  • Auf das aufgetretene Abbrechen der Christa tibiae hatte der Operateur ordnungsgemäß reagiert, weitere Details siehe Text.
  • Die Nachbehandlung war ebenfalls nicht als fehlerhaft zu werten.
  • Die Grundsätze der tierärztlichen Aufklärungspflicht seien erfüllt gewesen.
  • Klage abgewiesen: Die Aufklärung der Besitzerin war ausreichend.

In dem zu entscheidenden Fall erlitt eine Französische Bulldogge einen Riss am Kreuzband. Die klagende Hundebesitzerin stellte den Hund dem beklagten Tierarzt vor, der mit der Durchführung einer Operation beauftragt wurde. Bei der Operation wandte der Beklagte die TTA-Rapid-Methode an. Allerdings führte die durchgeführte Operation nicht zu dem gewünschten Erfolg, da die Bulldogge auch nach der Operation noch lahmte. Es folgten diverse Nachuntersuchungen bei verschiedenen Ärzten und zwei weitere Operationen.

Klage abgewiesen

Das OLG Dresden hat die Berufung im Beschlusswege zurückgewiesen, da weder Behandlungsfehler noch Aufklärungsversäumnisse des beklagten Tierarztes erkennbar waren. Die seitens des Tierarztes gewählte Operationsmethode habe nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Hunden mit einem Gewicht über 15 kg der Standardmethode entsprochen. Zwar habe die postoperativ bestehende vollständige Ablösung der distalen Crista-tibiae-Kante vom Unterschenkelknochen ein Abweichen von der TTA-Methode dargestellt. Dies sei jedoch nicht als fehlerhaft zu werten. Denn das Knochenstück sei seitens des Beklagten mittels einer geringfügig weiter proximal gesetzten Schraube ausreichend fixiert gewesen. Auch ergebe sich aus den nachfolgenden Untersuchungsbefunden, dass durch die gesetzte Schraube keine Patellaluxation ausgelöst worden sei. Zusätzlich habe der Beklagte die Crista tibiae durch eine am Tibiaschaft angebrachte weitere Schraube fixiert, um dem durch deren Abbrechen bestehenden höheren Risiko einer Schraubenlockerung entgegenzuwirken. Das Abbrechen der Crista tibiae stelle eine intraoperative Komplikation dar, die schicksalhaft sei. Hierauf habe der Beklagte mit einer zusätzlichen Schraubenfixierung ordnungsgemäß reagiert.


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Ferner war die ausgewählte Größe für den als „Platzhalter“ gesetzten Cage nicht fehlerhaft. Allein ausschlaggebend sei, dass durch den eingesetzten Cage mit neun Millimeter der Winkel zwischen Tibiagelenkfläche und Ligamentum patellae von 110° auf nahezu 90° korrigiert und damit im entsprechenden Maß nach vorn verlagert worden sei. Erst mit dem seitens des Beklagten gewählten Cage sei das Winkelmaß erreicht worden, das bei der TTA-Methode angestrebt werden sollte. Eine Schraubenlockerung habe ebenfalls nicht nachgewiesen werden können. Selbst wenn man eine solche annehme, lasse sich hieraus kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Beklagten folgern.
Eine fehlerhafte Nachbehandlung habe ebenfalls nicht vorgelegen. Zwar wurde in der Uniklinik Leipzig das Implantat entfernt. Die Entfernung sah der Sachverständige jedoch nicht als zwingend an, da postoperativ keine röntgenologischen Anzeichen für eine Implantatlockerung oder -versagen vorgelegen hätten. Auch nach der Entfernung lahmte die Dogge weiterhin, sodass das Implantat sehr wahrscheinlich nicht ursächlich für die Lahmheit gewesen sei.

Aufklärungspflicht verletzt?

Schließlich wurde auch eine Aufklärungspflichtverletzung verneint. Der Senat verwies auf die Grundsätze der tierärztlichen Aufklärungspflicht, die der Bundesgerichtshof (BGH) entwickelt hat. Danach schulde der Tierarzt eine Beratung, die sich an den wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers und dem ideellen Wert des Tieres unter Berücksichtigung des Tierschutzes zu orientieren habe. Hierbei seien die Art und Weise des Eingriffs, die Risiken und Alternativen sowie die Erfolgsaussichten zu thematisieren. Die Aufklärung soll dem Auftraggeber ermöglichen, in Kenntnis der Umstände eine Abwägung vorzunehmen, welche Behandlung er letztlich präferiert. Der Senat stellt hervor, dass die Grundsätze der Aufklärung in der Humanmedizin nicht auf die Veterinärmedizin anwendbar seien. Bei der Humanmedizin stehe das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Vordergrund, welches naturgemäß in der Veterinärmedizin keine Rolle spiele. Darüber hinaus sei die Aufklärung in der Tiermedizin insbesondere auch von wirtschaftlichen Aspekten geprägt, die in der Humanmedizin in den Hintergrund treten. Da es sich bei der tierärztlichen Aufklärung um eine allgemeine Pflichtverletzung handele, liege aus diesem Grund die Beweislast der ordnungsgemäßen Aufklärung bei der Klägerin.

Aufklärung ausreichend

Nach diesen Grundsätzen kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin entsprechend den Anforderungen ausreichend aufgeklärt worden sei. Der Beklagte habe die Klägerin über die Diagnose eines Kreuzbandrisses und der vorbestehenden Arthrose als Ursache der Lahmheit bei der Französischen Bulldogge aufgeklärt und zur Behandlung eine operative Vorgehensweise vorgeschlagen. Dies sei seitens des Sachverständigen nicht zu beanstanden, da eine medikamentöse Behandlung nicht Erfolg versprechend gewesen wäre. Der Beklagte habe über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten informiert und gleichzeitig die Klägerin davon unterrichtet, dass keine Behandlungsalternative zu einem vollständigen Erfolg führe. Der Beklagte habe keine Aufklärung darüber geschuldet, dass postoperativ eine Gelenksinstabilität zurückbleiben könnte, da es sich hierbei um ein allgemeines Risiko handele. Daher habe der Beklagte die Klägerin über die Wahrscheinlichkeit einer deutlichen Verbesserung der Lahmheit und der schnell fortschreitenden Arthrose zutreffend in Kenntnis gesetzt. Selbst wenn man ein Aufklärungsversäumnis annehme, könne die Klägerin keinen kausalen Schaden, der auf diesem Versäumnis beruhe, beweisen.

Praxisempfehlung

Zutreffend hat der Senat nochmals bestätigt, dass sich die Zielrichtung der Aufklärung in der Tiermedizin grundlegend von der Aufklärung in der Humanmedizin unterscheidet, da das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in der Tiermedizin keine Rolle spielt. Die Aufklärung in der Tiermedizin hat sich insbesondere auch an wirtschaftlichen Interessen zu orientieren. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des OLG München, ebenfalls vom 09.01.2020. Auch das OLG München kommt zu dem Ergebnis, dass die Grundsätze der humanmedizinischen Aufklärung nicht auf die tierärztliche Aufklärung anzuwenden sind, führt jedoch lediglich ergänzend aus, dass die Aufklärung umso schonungsloser zu erfolgen hat, je weniger indiziert der Eingriff ist.

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Vor Gericht

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