Breite Köpfe mit verkürztem Gesichtsschädel rufen in uns Menschen besondere Fürsorglichkeit hervor, den Schlüsselreiz empfinden wir fast automatisch als besonders niedlich. Das gilt auch für Haustiere: Einer Studie aus Großbritannien zufolge machen Kaninchenrassen mit besonders kurzem Kopf mittlerweile einen Großteil der verkauften Kaninchen aus. Eine klare Definition für Kurzköpfigkeit anhand des Verhältnisses von Schädelbreite zu -länge gibt es für Kaninchen aber noch nicht.
Den Trend zur Kurzköpfigkeit bestätigen Daten aus Hannover: Dr. Maximilian Reuschel von der TiHo Hannover hat im Rahmen einer anderen Studie entstandene CT-Aufnahmen vermessen und festgestellt, dass die Schädel von Heimtierkaninchen im Median deutlich kürzer sind als die von Versuchskaninchen (Weiße Neuseeländer). Seine Untersuchung stellte Reuschel auf dem Vet-Congress 2021 der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) mit Schwerpunktthema „(Qual-)Zuchtrelevante Krankheitsdispositionen und Erbkrankheiten“ vor. Der Vergleich der Heimtierkaninchen-Schädel mit Wildkaninchen steht noch aus. So extrem wie bei brachycephalen Hunden scheint die Verkürzung des Gesichtsschädels bei Kaninchen allerdings (noch) nicht zu sein.
Qualzucht beim Kaninchen
Kurzköpfigkeit ist nicht die einzige zuchtbedingte Deformation, die bei Kaninchen zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Darüber hinaus sind zu nennen:
- Verletzungsgefahr und erhöhte Anfälligkeit für Otitis externa bei Widderkaninchen (Hier lesen Sie mehr)
- Zwergwuchs mit Letalfaktor bei Reinerbigkeit
- Riesenwuchs mit u.a. Pododermatitis, Gelenkserkrankungen
- Punktschecken mit erhöhter Mortalität bei Reinerbigkeit
- Albinokaninchen mit Sehbehinderung und hoher Lichtempfindlichkeit
- Abnormes Haarkleid bei Langhaarkaninchen (selbstständige Fellpflege nicht mehr möglich) oder Rexkaninchen mit Deformation der Tasthaare
- Sauteur d’Alfort Kaninchen: Die Handstand-Kaninchen haben einen Gendefekt, der zu einer Störung des Bewegungsmusters beim Hoppeln führt. Sie werden blind mit Retinadysplasie geboren und entwickeln schon nach dem ersten Lebensjahr Katarakte.
Die Beispiele machen es deutlich: Tiergesundheit kommt als Zuchtziel bei Kleinsäugern, Reptilien und Vögeln nicht selten zu kurz. Auf dem Vet-Congress 2021 der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) mit Schwerpunktthema „(Qual-)Zuchtrelevante Krankheitsdispositionen und Erbkrankheiten“ widmete sich daher eine Session den kleinen Heimtieren. Es wurde klar: Qualzuchten werden bei diesen Tierarten zwar deutlich weniger diskutiert als bei Hund und Katze, sind aber ein mindestens ebenso großes Problem. Hier lesen Sie mehr.
- Der Reiz des Besonderen: Qualzuchten bei Kleinsäugern, Ziervögeln und Reptilien
- Ohrerkrankungen beim Heimkaninchen: Fachartikel aus der Kleintierpraxis in Teil 1 und Teil 2 (für Abonnenten)
- Qualzucht-Evidenz-Netzwerk QUEN