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Foto: Enrika Schütze

Inhaltsverzeichnis

Der Praktische Tierarzt

Intoxikation bei im Wildgehege gehaltenen Europäischen Damhirschen (Dama dama)

Intoxication in captive fallow deer (Dama dama)

Der Praktische Tierarzt 102, 836–846

DOI: 10.2376/0032-681X-2137

Eingereicht: 4. März 2021

Akzeptiert: 26. März 2021

Publiziert: 08/2021

Zusammenfassung

Von in einem Wildgehege gehaltenen Damhirschen (Dama dama) unterschiedlichen Alters sind innerhalb von acht Tagen 18 von 29 Tieren ohne vorherige Symptomatik perakut verstorben. Aufgrund der hohen Todesrate wurde eine Intoxikation oder ein fulminantes infektiöses Geschehen vermutet. Zur Klärung der Todesursache wurden fünf der verendeten Tiere pathologisch untersucht. Die Sektion ergab unter anderem das Vorliegen akuter Tubulonephrosen sowie massiver Blutungen in das Darmlumen. Mittels einer botanischen Untersuchung wurden im Panseninhalt der Tiere sowohl Bestandteile von Eiben (Taxus baccata) als auch von Eichen (Quercus sp.) identifiziert. Eine parallel durchgeführte toxikologische Untersuchung des Panseninhaltes und des Lebergewebes ergab zudem den Nachweis des Eibentoxins Deacetylbaccatin sowie Pyrogallol, ein toxischer Metabolit der in Eichen enthaltenen Tannine. Zusätzlich führte eine mikrobiologische Untersuchung zum Nachweis einer Mischflora mit Beteiligung von unter anderem Clostridium perfringens mit Alpha- und Beta2-Toxinen sowie von Clostridium septicum und cochlearum.

Nach kritischer Beurteilung des Gesamtfalls kommt der Aufnahme von Eibentoxin mit hoher Wahrscheinlichkeit die Hauptbedeutung an dem Todesgeschehen zu. Eiben sind sehr stark toxisch für eine Vielzahl an Spezies und lösen meist einen schnellen Herztod, weitestgehend ohne weitere Organläsionen, aus. Intoxikationen mit Taxus baccata können jedoch auch zu Nierenläsionen und gastrointestinalen Veränderungen führen.

Pflanzenteile von Quercus spp. können bei erhöhter Aufnahme bzw. erhöhtem Toxingehalt in den aufgenommenen Pflanzenbestandteilen ebenfalls zu Symptomen führen und eine Tubulonephrose, wie sie in diesem Fall beobachtet wurde, auslösen. Eine zusätzliche Beteiligung einer Eichenvergiftung am Krankheitsgeschehen der Damhirsche ist deshalb ebenfalls möglich. Es könnte hierbei zu additiven toxischen Effekten gekommen sein.

Clostridien sind typische postmortale Leichenbesiedler und eine Kontamination des Organismus ist nach dem Tod in wenigen Minuten möglich, sodass der erfolgte Nachweis aus Organmaterial der sich bereits in beginnender Zersetzung befindlichen Tiere hier wahrscheinlich von keiner klinischen Relevanz ist.

Vergiftung
Cervidae
Taxus baccata
Quercus spp
Clostridium

Summary

Within eight days 18 out of 29 fallow deer (Dama dama) kept in a game enclosure died peracutely without any clinical signs. Because of the high death rate, either an intoxication or a fulminant infectious event was suspected. To clarify the cause of death, five animals were pathologically examined. The autopsy revealed the presence of acute tubulonephrosis and massive bleeding into the intestinal lumen. By means of a botanical investigation, components of yew (Taxus baccata) and oak (Quercus sp.) were identified in the rumen content of the animals. A simultaneous toxicological examination of rumen content and liver tissue detected the yew toxin deacetylbaccatin and pyrogallol, a toxic metabolite of oak tannins. Microbiological examination revealed a mixed flora with the presence of Clostridium perfringens with alpha- and beta2-toxins as well as Clostridium septicum and cochlearum amongst others.

The critical evaluation of the entire findings suggests that the ingestion of yew toxins is very likely to represent the main factor that has contributed to the ultimate death of the animals. Yew trees are very toxic for many animal species and may lead to rapid heart arrest without other alterations. However, Taxus baccata intoxications can also be associated with renal lesions and gastrointestinal damage.

Components of Quercus spp. can similarly cause tubulonephrosis, as observed in the present cases, if there is an increased intake or elevated toxin content within the ingested plant components. The possibility of oak poisoning contributing to the disease process of the fallow deer, e. g. in terms of additive toxic effects, cannot be excluded.

Clostridia are typical post-mortem colonizers and contamination of the organism is possible within few minutes after death. The detection of these bacteria in organ material of the animals, which were already in a state of beginning decomposition, is therefore likely of no clinical relevance.

poisoning
Cervidae
Taxus baccata
Quercus spp
Clostridium

Einleitung

Der Europäische Damhirsch (Dama dama) (siehe Abb. 1) gehört zur Familie der Hirsche (Cervidae) und zur Unterfamilie der Echten Hirsche (Cervinae) (Wilson und Reeder 2005). Damhirsche leben in über 650 europäischen Zoos sowie Tier- oder Wildparks und stellen damit die am häufigsten gehaltene Hirschart dar. Das Damwild gehört zu den mittelgroßen Zerviden und das Geweih ist schaufelförmig mit kurzen dornenartigen Sprossen ausgebildet. Weibliche Tiere sind geweihlos. Nur das Sommerfell ist charakteristisch gefleckt (Zscheile und Zscheile 2018). Die Tiere gelten in Europa als nicht gefährdet (Masseti und Mertzanidou 2008).

Treten gehäuft Todesfälle bei Gatterwild auf, müssen generell sowohl infektiöse als auch nicht-infektiöse Ursachen in Betracht gezogen werden. Vergiftungen bei Wildwiederkäuern sind gelegentlich beschrieben. Dabei spielen insbesondere Intoxikationen mit Pflanzentoxinen, wie Toxine von Eiche (Quercus spp.) und Eibe (Taxus spp.) sowie Ahorn (Acer spp.), als auch Schwermetallvergiftungen eine Rolle (Bos et al. 2018, Vikøren 1999). Die genaue Bestimmung des auslösenden Agens stellt bei Vergiftungen häufig eine Herausforderung dar, da oftmals keine oder unspezifische Symptome und Organveränderungen auftreten.

Fallbeschreibung


Top Job:


Anamnese

Im Wildgatter Oberrabenstein in Chemnitz wird das Damwild in einem ca. sieben Hektar großen Gehege gehalten, welches von einem Besucherpfad durchzogen wird (siehe Abb. 2). Im Gatter befinden sich Freiflächen mit verschiedenen Gräsern, Moosarten, Farnen und Pflanzen des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) sowie diverse Laub- und Nadelbäume. Über das gesamte Jahr wurde das Damwild mit Heu ad libitum zugefüttert. Zusätzlich fand eine tägliche Fütterung von ca. 300 g Wiederkäuerpellets und ca. 50 g Maiskörner pro Tier statt.

Vor Beginn der ersten Todesfälle wurden 29 Damhirsche inklusive sieben Kälber gehalten. Im Juli 2020 verendeten innerhalb von acht Tagen 18 überwiegend adulte Damhirsche (elf männliche und sieben weibliche Tiere) perakut ohne jegliche Symptomatik. Dabei war auffällig, dass zuerst die großen männlichen Damhirsche, folgend von den ranghohen Weibchen und dann schließlich das rangniedere Damwild tot im Gehege aufgefunden wurden. Alle verendeten Tiere waren überwiegend gut genährt und zeigten äußerlich keine weiteren Auffälligkeiten. Vereinzelte Individuen wiesen in der Analregion wenige Mengen anhaftender, rötlicher Flüssigkeit auf.

Nach den ersten drei Todesfällen wurden das Gelände mit mehreren Tierpflegern und der bestandsbetreuenden Tierärztin systematisch durchsucht, alle Auffälligkeiten notiert sowie eine Anamnese erstellt. Das Gras auf der Anlage war kurzgefressen. Der in der Anlage wachsende Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) (siehe Abb. 2) zeigte keine Fraßspuren. Auf den Eichenbäumen, nicht jedoch am Boden, befanden sich grüne Eicheln. Die Heukrippe war mit überlagertem, aber trockenem Heu gefüllt. Die Charge der verfütterten Pellets und Maiskörner hatte sich seit Januar des Jahres nicht geändert. Die Lagerung der Pellets erfolgt in einem trocknen Getreidespeicher. Die gleiche Charge Pellets wird an das Rot- und Rehwild in anderen Gehegen des Wildgatters verfüttert. Bei diesen Tieren zeigten sich keine Auffälligkeiten. Sauberes Trinkwasser stand den Tieren ad libitum in einem täglich gesäuberten und neu aufgefüllten Trog zur Verfügung.

Der aufgefundene Kot war olivgrün und speziesspezifisch geformt. Ein mögliches Durchfallgeschehen war nicht ersichtlich.

Als erste Sofortmaßnahme wurde der Besucherweg gesperrt. An den Zugängen, über welche die Tierpfleger das Gehege betreten, wurden Desinfektionsmatten ausgelegt. Es erfolgte die Anweisung an die Tierpfleger, das Gehege des Damwildes zuletzt in den Tagesablauf zu integrieren. Bis zur endgültigen Abklärung der Todesursache wurden alle Futteranlieferungen statt direkt in das Gatter auf das Wirtschaftsgut des Wildgatters verlagert, um einen möglichen Eintrag über das Fahrzeug auf andere Gehege und Tiere zu verhindern. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte aufgrund der vergleichsweise hohen Mortalität in kurzer Zeit eine erste Information an das zuständige Veterinäramt.

Innerhalb der darauffolgenden Tage verstarben insgesamt 15 weitere Damtiere und Damhirsche. Daraufhin fand eine Vor­ortbegehung durch das zuständige Veterinäramt der Stadt Chemnitz statt. Es wurden frisch abgesetzte Kotproben unmittelbar vom Boden gesammelt und bakteriologisch sowie parasitologisch untersucht. Insgesamt fünf Tiere wurden zur Klärung der Todesursache einer pathologischen Untersuchung unterzogen. Es handelte sich dabei um die ersten drei sowie zwei weitere ausgewählte verstorbene Tiere. Alle anderen Tiere wurden über eine Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgt.

Zur Überprüfung des Gesundheitszustandes und des Verhaltens der übrigen elf Tiere wurde eine Wildtierkamera an dgatter Oberrabenstein ist von einem Besucherpfad durchzogen. Der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) sowie diverse Laub- und Nadelbäume inklusive große Eicheen Futterstellen installiert und die aufgezeichneten Fotos täglich ausgewertet.

Diagnostik

Pathologisch-anatomische Befunde

Die fünf verendeten pathologisch untersuchten Damhirsche befanden sich in einem Zustand beginnender Zersetzung, welches die Befunderhebung zum Teil deutlich einschränkte. Die zwei weiblichen und drei männlichen Individuen unterschiedlichen Alters zeigten bis auf den Spießer einen guten Ernährungszustand bei einem Gewicht von 32 kg bis 112 kg (siehe Tab. 1). Bei allen untersuchten Tieren wurde eine ausgeprägte radiäre Streifung der Nierenrinde, welche sich bis in das Nierenmark ausweitete, aufgefunden (siehe Abb. 3). Die makroskopische Verdachtsdiagnose einer mittel- bis hochgradigen, diffusen Tubulonekrose bzw. -nephrose wurde gestellt. Passend dazu lag bei allen Tieren, bei denen ein Augenkammerwasser-Harnstoff-Test vorgenommen wurde, ein erhöhter Harnstoffgehalt von 9 bzw. 17 mmol/l vor (Referenzbereich für den Harnstoffgehalt im Serum: 6,23 ± 2,39 mmol/l [Vengušt et al. 2002]) , sodass die Allgemeindiagnose einer Azotämie gestellt wurde. Im Pansen bestand der Verdacht auf das Vorliegen mehrerer zerkauter Eichenblattbestandteile, Eicheln oder Teile davon fanden sich dagegen nicht. Des Weiteren zeigten drei der Damhirsche einen blutigen Darminhalt im Endabschnitt des Jejunums, im Ileum, im Zäkum und im Kolon (siehe Abb. 4). Die Zäka waren dabei besonders betroffen und teils hochgradig mit koaguliertem Blut gefüllt. Zwei dieser Tiere waren anämisch, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den erhöhten Blutverlust in das Darmlumen im Sinne einer Blutungsanämie zurückzuführen ist. Ein weiteres Tier zeigte zudem einen rotbraunen Dünndarm­inhalt, bei dem Blutbeimengungen nicht auszuschließen waren. Bei nahezu allen Damhirschen waren petechiale bis ekchymale, epikardiale und myokardiale Blutungen am Herzen zu verzeichnen. Alle Tiere wiesen ein graduell variables, alveoläres Lungenödem auf. Das erste untersuchte Tier war außerdem tragend und wies Substanzdefekte mit Blutungen am Genitaltrakt auf. Der geburtsreife Fetus war bereits in die Beckenhöhle eingetreten und wies eine Fehlstellung auf. Hier wurde von einer Dystokie ausgegangen. Zusammenfassend sind alle für das Krankheitsgeschehen relevanten Befunde in siehe Tabelle 1 aufgelistet.

Nach der Obduktion bestand aufgrund der Nierenveränderungen sowie der Blutungen in das Darmlumen der Verdacht auf eine Intoxikation mit Pflanzenbestandteilen. Daher wurde ein Großteil des Panseninhaltes von ausgewählten Tieren asserviert und nachfolgend einer botanischen Untersuchung unterzogen. Parallel wurde ein Teil des Panseninhaltes und natives Lebergewebe aller Tiere zur toxikologischen Untersuchung verschickt. Auch eine Clostridieninfektion mit Toxinbildung war aufgrund des Verdachtes auf eine hämorrhagische Gastroenteritis nicht auszuschließen. Das Organgewebe mehrerer Tiere wurde daher mikrobiologisch und molekularbiologisch zum Ausschluss infektiöser, bakterieller und viraler Ursachen untersucht.

Pathologisch-histologische Befunde

Ausgewählte Organe wurden mittels 4%igem Formaldehyd fixiert und in Paraffin eingebettet. Anschließend wurden ca. 4 µm dicke, mit Hämatoxylin-Eosin (HE) sowie teils mit periodic acid-Schiff(PAS)-Reaktion gefärbte Schnittpräparate histologisch beurteilt.

In den Nierenrinden aller pathologisch untersuchten Tiere zeigte über die Hälfte aller Tubuli eine vollständige Nekrose, wobei insbesondere die proximalen Tubuli betroffen waren. In den Tubuluslumina fanden sich hohe Mengen an amorphem, teils granulärem, eosinophilem, PAS-positivem Material (Zelldetritus und Protein) mit mäßigen Mengen an feinen gelbbraunen Pigmentgranula in den Tubuluslumina (siehe Abb. 5). Nahezu alle restlichen Tubu-
lusepithelzellen wiesen degenerative Alterationen mit Abflachung und Abschilferung auf. Intrazytoplasmatisch fanden sich ebenfalls feingranuläres gelbbraunes Pigment sowie fein- bis grobgranuläre, eosinophile, PAS-positive Granula (Protein). Zum Teil lagen Rupturen der tubulären Basalmembranen sowie geringgradige, akute Blutungen vor (siehe Abb. 5). Ein kleiner Anteil der Tubulusepithelzellen war hochprismatisch, wirkte teils mehrreihig und zeigte vereinzelt Karyomegalie, Mehrkernigkeit und wenige Mitosen, was auf Regenerationsvorgänge hinweisend war. Die Glomerula stellten sich weitestgehend unauffällig dar. Das Nierenmark zeigte vergleichbare Alterationen, wenn auch mit geringerem Ausprägungsgrad. Zudem lagen hier bei einigen Tieren geringgradige, multifokale, intratubuläre Mineralisationen vor. Insgesamt entsprachen die Nierenbefunde dem Bild einer mittel- bis hochgradigen, akuten, konfluierenden Tubulonekrose im Sinne einer toxisch bedingten Tubulonephrose.

Der Darm war bei allen untersuchten Tieren aufgrund des Erhaltungszustandes histologisch nicht mehr eindeutig beurteilbar. Das Herz zeigte über die makroskopischen Blutungen hinaus lediglich eine variable Anzahl an reaktionslos im Gewebe liegenden Sarkosporidienzysten. Die Skelettmuskulatur aller Tiere stellte sich bis auf eine variable Anzahl an reaktionslos in Myozyten gelegenen Sarkosporidienzysten ohne besonderen Befund dar.
Alle für das Krankheitsgeschehen relevanten Befunde sind zusammenfassend in siehe Tabelle 1 aufgelistet.

Weiterführende Diagnostik

Botanische Analytik

Der Panseninhalt der Tiere 2 und 3 wurde gepoolt und botanisch untersucht. Zu 95 % wurden Süßgräserbestandteile und zu 5 % Eichenblattanteile (Quercus sp.) nachgewiesen. Des Weiteren fanden sich zu weniger als 5 % Blattanteile von Europäischer Eibe (Taxus baccata) als auch Bestandteile von Birke, Binse, Kiefer und Mais.

Toxikologie

Eine toxikologische Untersuchung eines Leber-Pools und eines Panseninhalt-Pools der Damhirsche 1 bis 5 ergab mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatografie den Nachweis von Eibentoxin/Deacetylbaccatin. Mittels Dünnschichtchromatografie gelang zudem der Nachweis von Pyrogallol, einem Metaboliten von Eicheninhaltsstoffen.

Mikrobiologie, Virologie und Parasitologie

Organmaterial der Tiere 2 bis 5 wurde mikrobiologisch untersucht, wobei bei allen untersuchten Tieren eine bakterielle Mischflora unter Beteiligung von Clostridium perfringens, teils im Darm, teils aber auch in anderen Organen, nachweisbar war. PCR-Untersuchungen ergaben dabei das Vorhandensein von Alpha- und Beta2-Toxinen von Clostridium perfringens. Beta-, Epsilon-, Iota- und Enterotoxine wurden nicht nachgewiesen. Weitere, in den verschiedenen Organen detektierte bakterielle, potenziell pathogene Mikroorganismen waren unter anderem Escherichia coli (außerhalb des Darmtraktes), Streptococcus sp., Clostridium septicum und Clostridium cochlearum.

Virologische Untersuchungen eines Organspektrums der Tiere 2 und 3 zum Ausschluss von Pestivirus und Bluetongue-Virus verliefen mit negativen Ergebnissen.

Die mikrobiologischen Untersuchungen der gesammelten frischen Kotproben der lebenden Tiere ergaben keinen Nachweis von Clostridien. Die parasitologische Kotuntersuchung dieser Proben wurde mit negativen Ergebnissen abgeschlossen.

Diagnose

Die anamnestischen Daten sowie die Ergebnisse der pathologischen Untersuchung sprechen insgesamt für eine Vergiftung der im Wildgehege gehaltenen Damhirsche.

Die terminale Todesursache der betroffenen Tiere war dabei ein Herz-Kreislauf-Versagen, bei dem aufgrund der pathologischen Untersuchungsergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit ein akutes Nierenversagen aufgrund der toxischen Tubulonephrose mit nachfolgender Azotämie und womöglich auch Hyperkaliämie ursächlich war. Bei einigen der verstorbenen Tiere kommt auch ein hypovolämisches Schockgeschehen durch den massiven Blutverlust in das Darmlumen als ultimative Todesursache infrage.

Mittels der weiterführenden Untersuchungen wurden bei den vorliegenden Fällen interessanterweise simultan drei potenziell letale Giftstoffe, Eiben-, Eichen- sowie Clostridientoxine, nachgewiesen. In der Gesamtschau der Befunde kommt im vorliegenden Fall den nachgewiesenen Eibentoxinen, die als sehr potente Gifte bekannt sind, wahrscheinlich die größte kausale Bedeutung am fulminanten Krankheitsgeschehen zu. Eine zusätzliche Beteiligung der Eichentoxine ist aufgrund der dafür charakteristischen Nierenbefunde ebenfalls möglich.

Weiterer Verlauf

Die übrigen sieben Kälber sowie zwei adulte männliche und zwei adulte weibliche Tiere wurden aufgrund fehlender Krankheitsanzeichen nicht behandelt und zeigten auch Monate nach den Vorkommnissen keinerlei Symptome. Es bestand kein Hinweis auf mögliche Folgeschäden. Die Tiere zeigten weiterhin einen guten Ernährungszustand und ungestörtes Verhalten. Es ist davon auszugehen, dass diese Tiere aufgrund ihrer rangniederen Position keinen Zugang zu den toxischen Pflanzen hatten, da andere Tiere ihnen zuvorkamen.

Diskussion

Bei plötzlichen Todesfällen ohne oder mit unspezifischer Symptomatik betroffener Tiere sollten generell neben relevanten infektiösen Erkrankungen auch Intoxikationen in Betracht gezogen werden. Zur Klärung der genauen Ursache empfiehlt sich neben der detaillierten Erhebung anamnestischer und klinischer Daten auch immer eine pathologisch-anatomische und pathologisch-histologische Untersuchung der verendeten Tiere. Im vorliegenden Fall waren insbesondere die Tubulonephrose und die massiven Blutungen in das Darmlumen auffällige Sektionsbefunde, sodass sich der Verdacht auf eine Intoxikation erhärtete. Darüber hinaus ist der reine, qualitative Nachweis eines potenziell letalen Toxins ohne Erhebung pathologisch-morphologischer Korrelate nicht zwingend beweisführend.

Um eine Aufnahme giftiger Substanzen auszuschließen, sollten zum einen eine genaue Pflanzenbestimmung des Habitats sowie eine Untersuchung des Futters der Tiere durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall fand eine Begehung des Geheges statt, wobei neben Eichen auch Roter Fingerhut als potenziell giftige Pflanze identifiziert wurde. Um die tatsächliche Aufnahme durch die Tiere zu bestätigen, ist eine botanische Untersuchung des Mageninhaltes verendeter Tiere, wie in diesem Fall, von hohem Wert. Bei der Interpretation der botanischen Befunde ist allerdings zu beachten, dass potenziell aufgenommene toxische Pflanzen den Pansen durch die Magen-Darm-Peristaltik bereits verlassen haben könnten. Dies ist auch bei der Beurteilung lediglich geringer Mengen an Giftpflanzenbestandteilen im Vormagen-/Magensystem zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall wurden simultan sowohl Eiben- als auch Eichenblätter nachgewiesen. Pflanzenteile des Fingerhutes fanden sich dagegen nicht. Die übrige botanische Zusammensetzung des Panseninhaltes entsprach überwiegend dem natürlichen Nahrungsspektrum des europäischen Damwildes als Mischäser (Intermediärtyp) (Zscheile und Zscheile 2018).

Der Nachweis von Eibenblattbestandteilen war in diesem Fall überraschend, da im Wildgatter Oberrabenstein keine Eibenpflanzen identifiziert wurden. Außerhalb des Geheges, nicht in Reichweite der Tiere, standen kleinere unversehrte Eiben, welche nach den Todesfällen vorsorglich durch die Tierpfleger entfernt wurden. Durch die Begehbarkeit des Damwildgeheges sowie aufgrund der Tatsache, dass sich das Gehege in der Nähe einer Kleingartenanlage befindet, kann die Fremdfütterung und damit (unbeabsichtigte) Vergiftung durch Eibenverschnitt jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die veränderte Pflanzenstruktur kann dabei dazu führen, dass Giftpflanzen von Tieren nicht mehr erkannt werden können und deshalb eine Futteraufnahme stattfindet. Durch Habituation ist Gatterwild darüber hinaus daran gewöhnt, angebotenes Futter grundsätzlich zu verzehren. Auch ein restriktives bzw. unattraktives Nahrungsangebot (in diesem Fall kurzgefressenes Gras, überlagertes Heu) kann dazu führen, dass Giftpflanzen eher aufgenommen werden.

Eiben (Taxus spp.) sind immergrüne Bäume und Sträucher mit tannennadelähnlichen Blättern. Sie werden häufig als Ziergehölze in Gärten, Parks und Friedhöfen genutzt. Alle Teile der Pflanze bis auf das Fruchtfleisch gelten als sehr stark giftig und bereits geringe Mengen reichen für eine letale Intoxikation aus (Bryan-Brown 1932, Clini-Tox-Datenbank 2021b). Toxische Hauptbestandteile sind unter anderem die Alkaloide Taxin A und B, welche vor allem kardiotoxisch sind (Wilson et al. 2001). Neben Vergiftungen bei unter anderem Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden (Hare 1998, Parkinson 1996, Zettl und Brömel 1986) gibt es auch Fallberichte von Eibenintoxikationen bei diversen Zerviden (Handeland et al. 2017). Rehe und Elche scheinen toleranter gegenüber Eibentoxinen zu sein. Es wird vermutet, dass sie Mechanismen für eine Detoxifizierung durch Leberenzyme und die Pansenflora entwickelt haben (Mysterud und Østbye 1995). Fälle von akuter Intoxikation bei Damwild in Gehegehaltung wurden von Wacker (1983) und Dietz et al. (1994) beschrieben. Häufig versterben die Tiere perakut an einem Herz- und Atemstillstand ohne spezifische Symptomatik beziehungsweise Organläsionen. So konnten beispielsweise Dietz et al. (1994) bei akut verendeten Damtieren keine pathologischen Auffälligkeiten feststellen. Wacker (1983) beschreibt bei Eibenintoxikationen vom Damwild Stauungshyperämien der inneren Organe, petechiale, subepikardiale Blutungen, trübe Schwellung des Herzmuskels, Lungenödem, Rötungen der Magenschleimhaut sowie Hinweise auf eine toxische Leberschädigung. Bei anderen Tierarten sind daneben auch Nierenschädigungen und Gastroenteritiden beschrieben (Zettl und Brömel 1986). Interessanterweise können Taxine auch uterine Kontraktionen auslösen (Bryan-Brown 1932), sodass im vorliegenden Fall auch ein pathogenetischer Zusammenhang mit der vermuteten Geburtsstockung des tragenden Tieres nicht auszuschließen ist. Auch die Fehlstellung des Kalbes spielt in diesem Kontext wahrscheinlich eine ursächliche Rolle.

Durch den meist perakuten Verlauf einer Eibenintoxikation ist eine Therapie in der Regel nicht möglich. Neben einer symptomatischen Behandlung kann eine Entleerung des Pansens mittels Rumentomie versucht werden (Wacker 1983). Prophylaktisch ist darauf zu achten, dass die Tiere keinen Zugang zu Eibenpflanzen haben und dass keine Blattbestandteile, etwa durch Eibenheckenrückschnitte, mit in das Futter gelangen.

Parallel zur botanischen Untersuchung wurde toxikologisch in Panseninhalt und Lebergewebe neben dem Eibentoxin Deacetylbaccatin auch der Metabolit Pyrogallol der in Eichen enthaltenen Tannine nachgewiesen. Die Damhirsche hatten ständigen Zugang zu Eichenblättern, da am und im Gatter mehrere Eichen wachsen. Das kurz gefressene Gras im Gehege kann auf eine Nahrungsknappheit hinweisen, sodass eine vermehrte Aufnahme von Eichenblättern nicht ausgeschlossen werden kann. Eicheln konnten aufgrund der Jahreszeit (Sommer) jedoch nicht gefressen werden. Auch unreife, grüne Eicheln waren am Boden des Geheges nicht auffindbar.

Eichenbäume (Quercus spp.) sind weltweit verbreitet und Eichenintoxikationen sind in den meisten Ländern beschrieben (Plumlee 2004). Eine Vergiftung ist über die orale Aufnahme von Knospen, Zweigen, Blättern und Eicheln möglich. Die giftige Wirkung der Eiche wird größtenteils auf Gallotaninne zurückgeführt, wobei die höchste Konzentration der Tannine in unreifen Blättern und frisch gefallenen Eicheln vorhanden ist (Plumlee 2004). Diese werden im Organismus unter anderem zu Tanninsäure, Gallussäure und Pyrogallol metabolisiert. Die phenolische und vor allem nephrotoxische Verbindung Pyrogallol scheint hier die Hauptgiftsubstanz darzustellen (Dollahite et al. 1962). Vergiftungen sind bei diversen Tierspezies und auch bei Wildtierspezies wie Elchen und Damhirschen beschrieben (Vikøren et al. 1999). Der Herbst ist der klassische Vergiftungszeitpunkt, wenn vor allem frische Eicheln gefallen sind oder der erste Schneefall im Frühherbst auftritt (Plumlee 2004). Vergiftungen bei Wiederkäuern und Pferden treten jedoch auch nach langen trockenen Sommern oder im Frühjahr durch Sprösslinge auf (Mayer 1991). Die Tannine der Eiche führen bei Tieren nur in höherer Aufnahmemenge zu Vergiftungserscheinungen (Clini-Tox-Datenbank 2021a). Es wird vermutet, dass Damhirsche, wie auch Elche, Eichenblätter in begrenzten Mengen ohne klinische Folgen aufnehmen können (Vikøren et al. 1999). Somit ist, wie bei einigen anderen Tieren auch, der reine Nachweis von Pyrogallol bei gesunden Tieren nicht ungewöhnlich (Meiser et al. 2000a). Aufgrund der für eine Eichenvergiftung typischen Nierenbefunde ist eine pathogenetische Relevanz des Pyrogallolnachweises jedoch im vorliegenden Fall anzunehmen. Tannine führen vor allem zu Nierenschädigungen und gastrointestinalen Läsionen, wie Ulzerationen und einer hämorrhagischen Diarrhoe (Mayer 1991, Plumlee 2004). Die beschriebenen Symptome beim Rind sind Nierenversagen mit Proteinurie und Oligurie, Anorexie, blutiger Durchfall und eine herabgesetzte ruminale Motilität (Pérez et al. 2011). Vikøren et al. (1999) beschrieben bei frei lebenden, tot aufgefundenen bzw. moribund getöteten Elchen eine tubuläre Degeneration und Nekrose der Nieren als Sektionsbefunde. Li et al. (2015) stellten bei einem Fütterungsversuch mit tanninreichen Pflanzen beim Sikahirsch (Cervus nippon) ein verändertes Mikrobiom im Pansen fest. Man geht davon aus, dass Tiere, welche regelmäßig Tannine zu sich nehmen, Adaptationsmechanismen besitzen, um mit diesen Stoffen zurechtzukommen (Makkar 2003).

Die Behandlung einer Tanninintoxikation kann im Wesentlichen ausschließlich symptomatisch erfolgen (Mayer 1991). Bei anderen Tierarten sind therapeutisch zum einen die Supplementierung des Futters mit Kalziumhydroxid als auch eine orale Kalziumkarbonat-Gabe für die Reduktion der intestinalen Absorption von Pyrogallol beschrieben (Meiser et al. 2000b, Plumlee 2004). Bei Wildgehegen ist eine vollständige Vermeidung der Aufnahme von Eichenbestandteilen häufig nicht möglich. Ein attraktives alternatives Nahrungsangebot, wie das Anbieten von Heu guter Qualität sowie die Zufütterung von Grasschnitt in sehr trockenen Sommern, ist deshalb zu empfehlen. Außerdem sollte auf die Fütterungshygiene und die Zugänglichkeit zum Futter für alle Tiere der Gruppe geachtet werden. Je nach Beschaffenheit des Gatters könnten die Stellen unter den Eichen temporär abgesperrt werden.

Mikrobiologisch wurde bei den untersuchten Tieren in verschiedenen Organen eine bakterielle Mischflora unter Beteiligung von Clostridien mit dem molekularbiologischen Nachweis von Alpha- und Beta2-Toxinen von Clostridium perfringens detektiert.

Clostridien sind anaerobe, grampositive Bakterien, welche bei Wildwiederkäuern durch ihre Exotoxine Enterotoxämien verursachen können (English 1985, Kummenje und Bakken 1973). Clostridium perfringens kann Entzündungen und Hämorrhagien im Darm auslösen (Birkmann et al. 2004). Clostridien kommen ubiquitär in Wasser, Kot, Futter sowie im Verdauungstrakt von Tieren vor und sind klassische postmortale Besiedler (Birkmann et al. 2004, Kummenje und Bakken 1973). Bei Kotuntersuchungen von Rentieren in Norwegen fanden Aschfalk et al. (2003) Clostridium perfringens beispielsweise auch bei gesunden Tieren. Ein tödlich verlaufender Krankheitsausbruch bei Rentieren kommt erst vor, wenn zusätzlich andere Faktoren, wie zum Beispiel Stress, präsent sind (Aschfalk et al. 2003).

Der positive Befund ist bei den hier untersuchten Damhirschen äußerst kritisch zu beurteilen, da sich deren Tierkörper überwiegend in einem Zustand beginnender postmortaler Zersetzung befanden. Clostridien sind typische Fäulniskeime und proliferieren postmortal exponentiell. Untersuchungen zur postmortalen Bakterienbesiedlung zeigen, dass eine Ausbreitung im Organismus schon wenige Minuten nach dem Tod stattfindet (Heimesaat et al. 2012). Der Nachweis einer Mischflora mit anderen natürlicherweise vorkommenden Bakterien, wie im vorliegenden Fall, spricht ebenfalls eher für eine postmortale Erregeraussaat (Jänisch et al. 2010). Auch der Toxinnachweis, vor allem von Alpha- und Beta2-Toxinen, ist nicht gleichbedeutend mit einer klinischen Intoxikation. So geht man davon aus, dass Alpha-Toxine allein nicht zu einer Schädigung des Darmtraktes führen, während die Pathogenität von Beta2-Toxin noch nicht ausreichend untersucht wurde (Uzal et al. 2016). Um eine Clostridieninfektion oder Enterotoxämie mit deren Toxinen gänzlich auszuschließen, bedarf es der Untersuchung äußerst frischen Probenmaterials. Zusätzlich empfiehlt sich nach einer positiven Kultivierung von Clostridien auch eine molekularbiologische Toxinbestimmung zur Einschätzung der klinischen Bedeutung. Außerdem muss der Clostridiennachweis immer im klinischen Kontext mit den pathologisch-anatomischen Befunden interpretiert werden.

Bei Beurteilung des Gesamtfalles unter Berücksichtigung aller erhobenen Daten erklärt der Nachweis von Eibenblattbestandteilen und der Eibentoxine mit hoher Wahrscheinlichkeit das perakute Versterben der Damhirsche ohne vorherige klinische Symptomatik. Die nachgewiesenen Eichenmetabolite spielen aufgrund der für eine Eichenintoxikation charakteristischen Nierenveränderungen und der Darmveränderungen jedoch möglicherweise ebenfalls eine ursächliche Rolle. Es ist vorstellbar, dass sich die Damhirsche in diesem Fall durch eine vermehrte Aufnahme von Eichenblättern in einem subtoxischen Stadium befanden und es durch die zusätzliche Ingestion von Eibentoxinen zu additiven toxischen Effekten und damit zum Versterben der Tiere gekommen ist. Wie es genau zu der Aufnahme der Pflanzen gekommen ist, bleibt abschließend unklar und kann nur, wie bereits beschrieben, spekuliert werden. Auch wurden jeweils scheinbar eher geringe Mengen der Pflanzenbestandteile aufgenommenen. Jedoch sind weder minimale letale Dosen für Damhirsche bekannt noch gibt es für diese Spezies Hinweise zu möglichen Adaptationen an Phytotoxine. Deshalb wird in diesem Fall, auch durch die additive Aufnahme zweier Pflanzentoxine, vermutet, dass bereits geringe Mengen zum Versterben der Tiere beigetragen haben.

Die Bedeutung des Nachweises der Clostridium spp. und deren Toxine bleibt im vorliegenden Fall aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Tieres fraglich. Es wird eher von einer postmortalen Besiedlung ohne klinische Relevanz ausgegangen. Clostridien sind bei einem verlängerten postmortalen Intervall wie in diesem Fall regelmäßige Kontaminanten ohne pathogene Relevanz.

Danksagung

Die Autoren danken Herrn Mathias Wagner für die Zuarbeit von Tierzahlen und Kontaktherstellung sowie Frau Claudia Held für die Nutzung ihrer Fotografie.

Ethische Anerkennung

Die Autoren versichern, während des Entstehens der vorliegenden Arbeit die allgemeingültigen Regeln Guter Wissenschaftlicher Praxis befolgt zu haben.

Conflict of Interest

Die Autoren versichern, dass keine geschützten, beruflichen oder anderweitigen persönlichen Interessen an einem Produkt oder einer Firma bestehen, welche die in dieser Veröffentlichung genannten Inhalte oder Meinungen beeinflussen können.

Funding

Die Autoren versichern, dass die Arbeit durch kein Fremdkapital unterstützt wurde.

Autorenbeitrag

Geteilte Erstautorenschaft. Beide Erstautorinnen haben in gleichem Maße zum Entstehen der Publikation beigetragen und sind in alphabetischer Reihenfolge gelistet:
Konzeption/Design der Arbeit: AH, ES, IS.
Datenerhebung und Datenanalyse: AH, ES, HA, IV, SA, RS, IS.
Dateninterpretation: AH, ES, IS.
Manuskriptentwurf: AH, ES.
Kritische Revision des Artikels: AH, ES, IV, SA, RS, IS.
Endgültige Zustimmung der für die Veröffentlichung vorgesehenen Version: AH, ES, HA, IV, SA, RS, IS.

Fazit für die Praxis

Bei einer plötzlich erhöhten Mortalität von Gatterwild ohne vorherige Symptomatik sollten neben infektiösen Erregern auch mögliche Intoxikationen, wie Vergiftungen mit Eichen- und Eibentoxinen, in Betracht gezogen werden. Ein erster Schritt besteht in einer ausführlichen klinischen Anamnese unter Einbeziehung der Umweltfaktoren in der Umgebung der Tiere.

Eine pathologische Untersuchung verstorbener Tiere kann in hohem Maße dazu beitragen, mögliche Ursachen einzugrenzen. Bei Intoxikationsverdacht sind eine Futtermittel­analyse sowie botanische Untersuchung sowohl des Futters in der Umgebung der Tiere als auch des Mageninhaltes dringend zu empfehlen, da sich so spezifische Hinweise auf bestimmte, aufgenommene, toxische Pflanzen ergeben können. Zielgerichtete toxikologische Untersuchungen können den Gesamtverdacht schließlich komplettieren. Zum Ausschluss einer Clostridieninfektion ist frisches Untersuchungsmaterial von großer Wichtigkeit. Bei mikrobiologischem Nachweis sollten zudem zusätzlich eine Toxinbestimmung mittels PCR-Untersuchung sowie eine Interpretation im Kontext mit den pathologischen Befunden erfolgen, um die klinische Relevanz besser einschätzen zu können.

Eine solche multidirektionale und detaillierte Aufarbeitung des Ausbruchgeschehens hat im vorliegenden Fall schließlich zur Ursachenklärung geführt.

Eine Therapie kann bei perakuten Krankheitsverläufen oft nur symptomatisch erfolgen. Prophylaktisch sollte immer ein ausreichendes alternatives Nahrungsangebot vorhanden sein. Eine Kontamination des Futters mit Eibenschnittmaterial oder eine Fütterung großer Mengen an Eichenbestandteilen sollte absolut vermieden werden.

Über die Autorinnen

Anja Hantschmann – Studium der Veterinärmedizin an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig (2013–2019). Anschließend Tierärztin und Kuratorin im Tierpark Chemnitz (2019–2020). Derzeit tätig im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde als Tierärztin und Forschungskoordinatorin. In Weiterbildung zum Fachtierarzt für Zoo- und Gehegetiere.

Korrespondenzadresse: Anja Hantschmann, Tierpark Berlin-Friedrichsfelde GmbH, Am Tierpark 125, 10319 Berlin, Tierpark Chemnitz, Nevoigtstr. 18, 09117 Chemnitz, a.hantschmann@tierpark-berlin.de

Enrika Schütze – Studium der Veterinärmedizin an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig (2009–2015). Anschließend und laufend Dissertation und Weiterbildung zum Fachtierarzt für Pathologie sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Veterinär-Pathologie der Universität Leipzig.

Korrespondenzadresse: Enrika Schütze, Institut für Veterinär-Pathologie der Universität Leipzig, An den Tierkliniken 33, 04103 Leipzig, enrika.schuetze@vetmed.uni-leipzig.de

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