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Kommt der Tierarzt in den Pferdestall muss er den „Hausbesuch“ mit in Rechnung stellen.
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Kommt der Tierarzt in den Pferdestall muss er den „Hausbesuch“ mit in Rechnung stellen.

Neue GOT

Hausbesuchsgebühr in der Pferdemedizin

Der Tierarztbesuch ist teurer geworden. Kontrovers diskutiert wird insbesondere die rechtliche Einordnung der Visite im Stall als gebührenpflichtiger Hausbesuch.

Die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) bringt durchschnittlich Preissteigerungen von rund 20 Prozent mit sich. Das sorgt in Zeiten der Inflation wohl in allen Bereichen der Tiermedizin für Unruhe. Besonders hohe Wellen scheinen die Preissteigerungen aber unter den Pferdehaltern zu schlagen. Kritisiert wird unter anderem die Hausbesuchsgebühr. Deutscher Galopp e.V. hat zu dieser Frage ein Rechtsgutachten bei dem auf Fragen des Veterinärrechts spezialisierten Rechtsanwalt Kai Bemmann aus Verden eingeholt und Ende April in einer öffentlichen Gesprächsrunde vorgestellt.

Ist die Hausbesuchsgebühr unrechtmäßig?

Rechtsanwalt Bemmann äußerte grundsätzliche Kritik an der Entstehung der GOT. Die neue Verordnung basiert auf einem Gutachten, das die AFC Public Services GmbH im Auftrag des BMEL durchführte, um „finanzielle und strukturelle  Auswirkungen hinsichtlich der Angemessenheit der Gebührensätze für Tierärzte“ zu prüfen. Die Seite der Tierhalter sei dabei kaum gehört worden, obwohl das vorgeschrieben wäre.

Konkrete Kritik äußerte Bemmann an der Hausbesuchsgebühr, die er als rechtswidrig betrachtet. Dafür führte der Anwalt verschiedene Argumente an:


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  • Die GOT führt den Hausbesuch im Gebührenkatalog auf. Eine Gebühr kann nur als Gegenleistung für eine tiermedizinische Leistung erhoben werden. Ein Hausbesuch sei aber keine berufsspezifische Leistung. Der Besuchsaufwand könne daher bloß über die Entschädigungsvorschrift der GOT geregelt werden, ähnlich wie das Wegegeld.
  • Bemmann und Schmidt halten einen Verstoß gegen das Doppelbewertungsverbot für möglich, da der Aufwand für den Besuch bereits über Wegegeld und Fahrtkosten abgeglichen werde. Widrigen Verkehrsverhältnissen und ähnlichem könne über eine Erhöhung bis zum dreifachen Satz Rechnung getragen werden. Eine Hausbesuchsgebühr würde denselben Aufwand erneut in Rechnung stellen.
  • Bei landwirtschaftlichen Nutztieren wird keine Hausbesuchsgebühr erhoben. Laut Bemmann müsse diese Ausnahmeregelung auch für Pferde gelten, da die Tierart Pferd in zahlreichen Verordnungen als „landwirtschaftliches Nutztier“ gelte – auch wenn nicht alle Pferde landwirtschaftlich genutzt werden.
  • Schließlich sei ein Stallbesuch rechtlich gesehen kein Hausbesuch.

Diese rechtliche Einordnung ist umstritten und wird unter anderem von der Bundestierärztekammer (BTK) nicht geteilt. Die BTK hatte bereits Anfang des Jahres zur Frage der Hausbesuchsgebühr bei Pferden Stellung genommen.

Dennoch hat der Deutsche Galopp e.V.  seine Kritik an der Hausbesuchsgebühr auch gegenüber dem zuständigen Ministerium bereits vorgebracht. Nach Angaben des Verbandes wurde eine Überprüfung der Gebühr angekündigt.

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Pferdetierärzte in der Gebühren-Zwickmühle

Einstweilen gilt die neue GOT und Tierärzten ist vorgeschrieben, sich an ihre Vorgaben zu halten, also auch eine Hausbesuchsgebühr abzurechnen. Die Landestierärztekammern scheinen die Verordnung anzuerkennen und Verstöße gegen die neue GOT zu verfolgen.

Auf der anderen Seite könnten Pferdehalter sich auf das Rechtsgutachten des Deutschen Galopp e.V. berufen und Rechnungsbeträge abzüglich der Hausbesuchsgebühr überweisen – schließlich hat unter anderem der Verband das Thema sehr öffentlich diskutiert. Die Praktiker sitzen damit zwischen allen Stühlen – eine unangenehme Situation, die der Klärung bedarf.

Dr. Michael Vesper, Präsident des Deutschen Galopp, und Rechtsanwalt Bemmann betonen, dass sie nicht die Notwendigkeit einer Erhöhung der tierärztlichen Gebühren infrage stellen würden, sondern nur die Rechtmäßigkeit der Hausbesuchsgebühr. Sie wünschen sich ein gemeinsames Gespräch juristischer Vertreter der Tierhalter- und Tierärzteverbände mit dem Ministerium, um Rechtssicherheit für alle Seiten zu schaffen.

Um die Umsetzung der Vorgaben der (neuen) GOT ging es unter anderem auch bei einem Gespräch zwischen dem Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) und der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) im Rahmen der bpt-Kleintiertagung am 28. April in Bielefeld. Erfreulich – so der bpt – ist, dass die FN die Anpassung der Gebührensätze als richtigen Schritt zur Bekämpfung des Tierärztemangels unterstützt. Mit Blick auf die viel diskutierte neue GOT-Position „Hausbesuch“ wollen bpt und FN ggf. nochmals gemeinsam das BMEL um eine schriftliche Aussage bitten, wie konkret damit in der Praxis zu verfahren ist.

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Wird die Pferdehaltung unbezahlbar?

Doch es geht um mehr als eine Hausbesuchsgebühr: Die Gesprächsrunde des Deutschen Galopp e.V. wird entgegen der Absichtserklärungen des Verbandes immer wieder zu einer Diskussion um den Preisanstieg. Verschiedene Zuhörer berichten, dass Tierarztrechnungen von Pferdehaltern nicht nur um die anvisierten 20 Prozent gestiegen seien, sondern in Einzelfällen um bis zu 190 Prozent. Gleichzeitig steigen die Kosten für Tierhaltung. Für viele Pferdebesitzer ist das kaum noch zu stemmen: Wir haben über die Zunahme von Abgaben an die Pferdeklappe berichtet und über die schwierige wirtschaftliche Situation der Tierhalter.

Bereits das Gutachten von AFC Public Services nannte im Vorfeld der GOT-Novelle als eine der größten Herausforderungen die Pferdemedizin mit einem Spannungsfeld zwischen bezahlbaren Leistungen für die Kunden und einer angemessenen Vergütung für den Tierarzt. Bei den Pferden sei die GOT in der Vergangenheit häufig nicht konsequent angewendet worden. Dank der Berichterstattung und Fortbildungen rund um die GOT-Novelle könnte inzwischen das Bewusstsein für die anzurechnenden Leistungen in den Praxen gestiegen sein – und mit ihm die Preise. Weil eine Preissteigerung nicht nur in der Medizin, sondern in fast allen Bereichen der Tierhaltung zu beobachten sei, „stelle sich die Frage, welcher Tierhalter es sich auf Dauer noch leisten könne ein Pferd zu halten.“

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Die Preise müssen steigen: Pauschalen und Einzellösungen

Tierhaltern in wirtschaftlich schwieriger Situation empfiehlt Dr. Monika Venner, Pferdetierärztin und unabhängige Beauftragte für Tierschutzfragen bei der Deutschen Galopp, das Gespräch mit ihrem Tierarzt zu suchen. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen seien sehr bemüht, gute Lösungen für die Kunden und Tiere zu finden. Einige Pferdetierärzte würden bereits Impftage in der eigenen Praxis anbieten oder Möglichkeiten schaffen, Nachkontrollen kostengünstig beim Tierarzt durchzuführen statt im heimischen Stall. Venner machte in der Gesprächsrunde aber auch sehr deutlich: „Tierarztrechnungen werden und müssen teurer werden, sonst wird es keine Tierärzte mehr geben“. 

Warum kein Weg um eine deutliche Preissteigerung in der Pferdemedizin herumführt, hat auch die Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM) in einer Talkrunde erklärt. Hier geht es zum Video.

Für Pferdezüchter, bei denen die Hausbesuchsgebühr bei der mehrfachen Besamung von Stuten, die nicht aufnehmen, besonders bemerkbar macht, könnte unter bestimmten Umständen als rechtskonformer Lösungsansatz die Vereinbarung einer Pauschale infrage kommen. In der Gesprächsrunde der Deutschen Galopp wird eine Lösung der Tierärztekammer Schleswig-Holstein und des Holsteiner Verbandes zur Nachahmung empfohlen: Die „Vereinbarung über Gebühren der instrumentalen Samenübertragung“ lässt eine Abrechnung über Besamungs-Pauschalen zu. Möglichkeiten für Bestandsbetreuungsverträge in der Pferdemedizin könnten weiter ausgelotet werden.

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Im Gespräch bleiben: Tierärztinnen und Tierärzte müssen für ihre Leistungen nach der neuen GOT mehr abrechnen.
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Die neue GOT bringt Preissteigerungen um rund 20 Prozent. Die Umsetzung der Gebührenordnung wird von der FN kritisiert – und eine Talkrunde möchte Verständnis für die neuen Preise wecken.

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