Lange wurde angenommen, dass der Gebrauch von Werkzeugen den Menschen vorbehalten ist. Doch spätestens der Schimpanse, der mit einem Stock nach Nahrung bohrt, hat uns eines Besseren belehrt. Aber ein Pony mit Schraubenzieher? Mit diesem vermeintlichen Kuriosum hat sich eine Forschungsgruppe rund um die Universität in Regensburg beschäftigt: Das Verhalten von Einhufern unter dem Gesichtspunkt von Werkzeuggebrauch.
Videos von Pferden, die Werkzeug nutzen
Zum einen wurden Pferdebesitzer und Tierpfleger gebeten ungewöhnliches Verhalten ihrer Tiere aufzunehmen. Zum anderen wurde auf YouTube und Facebook nach Videos mit Werkzeug benutzenden Pferden und anderen Einhufern gesucht.
In Summe wurden 635 Beiträge, welche 1.014 Aktionen zeigten, zusammengetragen. In der Auswertung wurden nur Verhaltensweisen berücksichtigt, die nicht durch Menschen antrainiert wurden, und die Definition von Werkzeuggebrauch klar erfüllen: Ein Pferd setzt ein loses, aus der Umwelt aufgenommenes Objekt aktiv ein, um ein anderes Objekt oder Subjekt in Form, Position oder Zustand effektiv zu verändern. In 13 Fällen (zwölf Pferde und ein Maultier) wurden beide Kriterien erfüllt.
Im Einsatz für Futter: Was Pferde zum Werkzeuggebrauch motiviert
Es zeigte sich, dass in 12 von 13 Fällen ein beschränkter Zugang zu Ressourcen die Einhufer sehr einfallsreich werden ließ. So wurde ein Stock zum Besenersatz, um an das Heu des Boxennachbarn zu gelangen. Führseile wurden schwungvoll eingesetzt, um schwer erreichbare Leckerchen heranzuziehen und im Verlangen nach Freigang warf ein Pferd seinem Menschen das Halfter vor die Füße. Der Wunsch nach Auslauf (ein Pferd) oder Futter (sieben Pferde) trieb Pferde zu innovativem Verhalten an. Doch auch soziale Aspekte (vier Pferde) und das eigene Wohlbefinden (ein Pferd) waren Motivatoren für den Gebrauch von Hilfsmitteln: Liebevoll striegelte ein Fohlen das mütterliche Fell mit einer Pferdebürste und ein Pferd kratzte sich kurzerhand mit einem Stock am Bauch.
Auffällig ist, dass 12 der 13 Handwerkerpferde Hengste oder Wallache sind. Das Autorenteam vermutet die Ursache dafür im bei Hengsten eher verbreiteten Spielverhalten, woraus sich ebenfalls der Werkzeuggebrauch ergeben kann.
Wenn es also darum geht ihre derzeitige Situation zu verbessern oder ihre Bedürfnisse zu erfüllen, können Pferde sehr kreativ werden. Dennoch bleibt die Zuhilfenahme von Werkzeugen dabei eher die Ausnahme und das Pony mit dem Schraubenzieher erstmal eine Rarität.