Bei Verdachtsmomente von häuslicher Tiermisshandlung oder -quälerei gibt es drei Herangehensweisen. Jeder Weg hat seine Berechtigung, auch mit persönlichen Beweggründen.
Option 1: Abwarten und Tierhalter beobachten
Wenn Sie den Tierhalter nicht gleich beim Veterinäramt melden wollen, ist eine Dokumentation der Blessuren in jedem Fall sinnvoll. Werden die Tierschutzverstöße auf anderem Wege entdeckt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, kann der behandelnde Tierarzt von den Strafverfolgungsbehörden als Zeuge befragt werden und mit der Dokumentation die Beweissicherung stützen. Ferner hilft es, Wiederholungen zu erkennen. Kommen verdächtige Tiere erneut mit Auffälligkeiten in die Praxis, ist es Zeit, einen anderen Weg zu gehen.
Option 2: Von der Schweigepflicht Gebrauch machen
Als Praktiker können Sie sich auch auf Ihre Schweigepflicht berufen. Eine Anzeigepflicht und damit Ausnahme von der Schweigepflicht bei Straftaten gibt es für den Tierarzt nicht, da nach dem Strafgesetzbuch Tiere immer noch als Sachen gelten und es sich um Vergehen handelt. Der rechtfertigende Notstand nach § 34 Strafgesetzbuch kann jedoch als Begründung angeführt werden, um die Schweigepflicht zu brechen (siehe auch unten). Der Tierschutz hat mittlerweile als Staatsziel einen hohen öffentlichen Stellenwert. Wer Verdachtsmomente sorgfältig und nachvollziehbar dokumentiert, muss sich nicht vor dem Vorwurf der falschen Verdächtigung verstecken.
Option 3: Die Behörden informieren
Besteht der Verdacht auf eine Straftat nach § 17 Tierschutzgesetz (TierSchG), kann Anzeige bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht oder dem Veterinäramt erstattet werden. Letzteres sollte auf jeden Fall immer informiert werden, damit das Tier und ggf. weitere gehaltene Tiere aus dem Einflussbereich des mutmaßlichen Täters auf verwaltungsrechtlichem Wege entfernt werden können. Auch der Erlass eines behördlichen Tierhaltungs- und/oder Tierbetreuungsverbotes (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Tierschutzgesetz) ist möglich. Dieses lässt sich wesentlich schneller erwirken, als auf ein gerichtliches Verbot nach Abschluss eines Strafverfahrens zu warten.
Das Wichtigste ist die Dokumentation
Da die tierschutzrechtliche Ahndung einen Nachweis der Erheblichkeit erfordert, ist es in jedem Fall sinnvoll, die Feststellungen am Tier inklusive des Tierverhaltens zu dokumentieren und Zeugen aus der Praxis mit einzubeziehen. Fotos (möglichst mit Zeitstempel) halten die Verletzungen oder Auffälligkeiten objektiv fest, folgende Hinweise zur Wunddokumentation können hilfreich sein. Die Dimensionen sind mit Längenmaßen zu beschreiben.
Je besser die Vorarbeit in der Tierarztpraxis zur Dokumentation der häuslichen Gewalt, desto schneller kann dem Tier/den Tieren geholfen werden.
Unsicher?
Wenn Zweifel bestehen, welches Vorgehen das Richtige ist, sollte vorab mit dem Amtstierarzt Kontakt aufgenommen werden. Eine Schilderung der Erkenntnisse als fiktiven Fall und Abfragen, was mit welchen Erfolgsaussichten unternommen werden sollte, ermöglicht eine Abwägung. Eine Anzeige kann auch anonym gestellt werden.
Merke: Der Berufung und Verpflichtung zum Schutz der Tiere lässt sich nur mit der Meldung bei den Behörden nachkommen.
Über Tierquälerei als Indiz für die Gewalt gegenüber Kindern ist 2018 im Tierärzteblatt ein Artikel erschienen.
Auch unsere Rechtsexpertin Olivia Haverkamp hat das Thema aus juristischer Sicht beleuchtet. Ihre rechtlichen Einschätzungen zum Thema Gewalt gegenüber Tieren finden Sie hier.
Den vollständigen Artikel von Gabriele Volker zum Thema „Häusliche Gewalt gegenüber Tieren“ können Abonnenten von Der Praktische Tierarzt in der Märzausgabe nachlesen.