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Marco Schwan bei der Arbeit.
Foto: Marco Schwan
Genau hinsehen: Marco Schwan schaut sich das Pferdeauge im Detail an.

Praxisreportage

Freude am Detail

Nicht ohne seine Lupenbrille: Als Pferdefahrpraktiker und -ophthalmologe braucht Marco Schwan eine ruhige Hand und gute Helfer.

Erst war da die Fortbildung, dann das Interesse und schließlich die aufkeimende Lust, etwas Neues zu lernen sowie durch die Erfahrung eine Expertise zu erlangen: Als Marco Schwan im Jahre 2004 seine erste Augenfortbildung besuchte, stand er schon vier Jahre als angestellter Tierarzt vor den Patienten, hatte aber von ophthalmologischen Details, wie er selbst sagt, „wenig Ahnung“. Wie auch, wenn so kleine und spezielle Organsysteme wie das Auge im Studium kaum Platz finden, in den ersten Jahren des praktischen Arbeitens schon die Basics Neuland sind und es eh alles von der Pike auf zu lernen gilt. Trotzdem keimte Ehrgeiz auf: „Es hat mich zunehmend gestört, wenn ich mit meinen Kenntnissen an Grenzen gestoßen bin“, so Schwan. Zu Kaufuntersuchungen gehört ja zum Beispiel auch immer die Beurteilung von Augen und Visus.

Heute trägt Schwan, der aus Oberbayern stammt, in Leipzig studierte und inzwischen gemeinsam mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis für Pferde in Norddeutschland leitet, die Zusatzbezeichnung Augenheilkunde beim Pferd.

 „Die Grenzen liegen in der Nachbetreuung“

Die Pferdepraxis Oberalster von Marco Schwan und seinem Kollegen Sebastian Lutz ist eine Pferde­fahrpraxis und keine Klinik. Trotzdem kann der Fachtierarzt für Pferde zahlreiche Behandlungen und auch Operationen am Auge anbieten: „Mit einer optimierten Umgebung, der entsprechenden Anästhesie und professionellen Hilfe durch zwei Tiermedizinische Fachangestellte kann man auch am stehenden Pferd viel machen“, so Schwan. So sind neben der mittlerweile am stehenden Pferd etablierten Enukleation zum Beispiel auch Parazentesen, intravitreale Injektionen, Keratektomien oder Glaukombehandlungen mit dem Laser möglich. Für seine Behandlungen wählt Marco Schwan stets eine geschützte und ruhige Umgebung, Sägespäneballen dienen als Kopfablage. Da Pferde sehr rege Augenbewegungen haben, führt er für die Akinesie des Bulbus neben der Sedation und Leitungsanästhesie auch eine retrobulbäre Anästhesie durch. OPs, die eine Vollnarkose erfordern, überweist der Tierarzt hingegen an spezialisierte Kollegen.


Top Job:


 Problematisch kann sein, dass das erkrankte Auge postoperativ so pflegeintensiv ist: „An Grenzen stoßen wir mitunter in der Nachbetreuung“, so Schwan und gibt ein Beispiel: „Pferde mit einer Keratitis brauchen oft über drei bis vier Wochen eine sehr intensive Betreuung, also alle zwei Stunden Augentropfen, was im Stall natürlich schwer zu leisten ist.“ Da die konservative und chirurgische Versorgung oft kostenintensiv ist, ist immer sorgfältig abzuwägen, ob trotz der chirurgischen Möglichkeiten am stehenden Pferd die Versorgung doch gleich in einer spezialisierten Klinik erfolgen sollte. „Besonders herausfordernd wird es bei Pferden, die das Salben bzw. die Gabe von Augenmedikamenten schlecht tolerieren“, so Schwan. In diesen Fällen empfiehlt sich ein subpalpebraler Katheter (SPL), der unter Sedation und Lokalanästhesie gelegt wird, sodass die Medikamente ohne Augenkontakt verabreicht werden können. „Mit etwas Erfahrung und Ruhe ist das Anlegen gut machbar und sehr erleichternd“, so der Tierarzt.

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Enukleation am stehenden Pferd
Foto: Marco Schwan
Enukleation am stehenden Pferd

Austausch und Diskussionen erwünscht

Obwohl auch bei Pferden gesunde Augen wichtig für das allgemeine Wohlbefinden und eine entsprechende Leistung sind, wurde die Pferdeopthalmologie über lange Zeit recht stiefmütterlich behandelt. Inzwischen gibt es jedoch mehr wissenschaftliche Untersuchungen und auch angeregte Fachdiskussionen. „Das Wissen rund um das Pferdeauge steigt“, bestätigt Schwan, der Kollegen auch internationale Fortbildungen wie die Equine Eye Case Days von Arno Lindner oder VetPD  ans Herz legt. Beim Austausch zwischen deutschen und internationalen Augenexperten zeigt sich, dass auch Pferdeophthalmologen nicht immer einer Meinung sind:  So werden Diagnostik und Behandlung der Equinen Rezidivierenden Uveitis (ERU) weiterhin kontrovers diskutiert

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Um den fachlichen Austausch und die Qualität der ophthalmologischen Versorgung von Pferdepatienten weiter zu verbessern, hat Marco Schwan zusammen mit spezialisierten Kollegen die Qualitätsgemeinschaft Pferdeaugenheilkunde Nord gegründet. Tierärzte mit der Zusatzbezeichnung „Augenheilkunde beim Pferd“ sind willkommen, dem Verbund beizutreten und ihr Wissen, Fallberichte sowie Erfahrungen zu teilen. Kollegen, die Fragen haben, können hier qualifizierte Antworten erhalten oder einen Spezialisten in der Nähe finden, an den sie überweisen können. „Ich bin begeistert, wie angeregt der Austausch jeden Tag ist“, so Schwan, der gerne für eine Zweitmeinung kontaktiert wird und weiß: „Zum Augenthema gehört Erfahrung dazu.“ Bei einseitigen Reizzuständen kann eine immunmediierte Hornhautentzündung oder auch eine Entzündung des inneren Auges vorliegen. Hier empfiehlt der Experte weiterführende Untersuchungen, zum Beispiel mit der Spaltlampe oder dem Tonometer.

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Marco Schwan bei der Arbeit.
Foto: Marco Schwan
Genau hinsehen: Marco Schwan schaut sich das Pferdeauge im Detail an.

Fundusfotografie, aber wie?

Für die Beurteilung und Dokumentation des Krankheits- oder Heilungsverlaufs durch den Spezialisten sind Fotos und vor allem auch Videos hilfreich. Kam es zu einer Pro- oder Regression? Wie sieht die Antwort auf medikamentöse oder chirurgische Therapien aus? Hierfür ist nicht immer teure Technik nötig: Mit der Foto- und Videofunktion eines Handys lässt sich sogar der Augenhintergrund beurteilen. Unseren Praxistipp lesen Sie hier.

Die „smartphonebasierte Fundusfotografie“ wurde auch in der Humanmedizin z. B. zur Früh­erkennung von Glaukomen oder diabetischen Retinopathien in Entwicklungsländern erprobt und als praktikabel befunden. Auch Marco Schwan nutzt sein Handy diagnostisch und gibt folgende Tipps: „Für die Beurteilung des Fundus nutze ich einen Adapter auf meinem iPhone, der vor der Linse des Handys befestigt wird. Die Pupille wird mit einem Mydriatikum dilatiert. Um das Licht etwas abzuschwächen, klebe ich das Licht mit weißem Tape ab und schalte die Videofunktion ein. Zudem nutze ich eine App, mit deren Hilfe ich das Licht des Handys parallel zur Videofunktion laufen lassen kann.“ So kann der Spezialist die Befunde dokumentieren und seinen Patientenbesitzern in Ruhe präsentieren sowie erklären.

Dieser Beitrag ist zuerst im Mai 2022 in Der Praktische Tierarzt erschienen. Hier geht es zum Abonnement.

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